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Wirtschaft: Schattenboxen im Fitness-Paradies

Die neuen Wellness-Studios bieten mehr als Muskeltraining – Dampfbad und exotisches Aerobic sind Standard

Von Melanie Hinter

Aus den Lautsprechern klingt gedämpfte Musik, die Wand ist mit großen Spiegeln behängt, und in der Mitte des Raumes stehen ein paar Männer und Frauen und ziehen mit den Armen gerade Linien durch die Luft, von links nach rechts und wieder zurück. Das sieht aus wie Kampfsport in Zeitlupe – ist aber der große Trend in den deutschen Fitness-Clubs: Tai Chi. Die Anhänger des chinesischen Schattenboxens schwärmen von Entspannung und Ausgeglichenheit. So wie sie, strömen jetzt, wo es draußen wieder kälter wird, wieder Tausende in die Fitness-Studios. Sie wollen auch während der Wintermonate fit bleiben, aber sich zugleich entspannen und Körper und Seele baumeln lassen.

Zu den Angeboten gehören etwa Yoga, Stretching und Sportarten, die angelehnt sind an Bewegungen aus asiatischen Kampfsportarten. Wie etwa Chi-Ball, bei dem die langsamen und fließenden Bewegungen mit einem duftenden Ball durchgeführt werden.

Mit solchen Angeboten werden die Fitness-Clubs immer attraktiver. Mittlerweile trainieren nach Angaben des Verbandes Deutscher Fitness- und Freizeitunternehmen (VDF) etwa 4,3 Millionen Deutsche in 6600 Fitnessanlagen, im Jahr 1997 waren es lediglich 2,5 Millionen. Der Grund für den Mitgliederzuwachs: Fitness-Studios sprechen mittlerweile alle Bevölkerungsgruppen an. Und mit der viel geschmähten Mucki-Bude von einst haben die Studios nichts mehr gemein. Kamen früher hauptsächlich Sport-Fanatiker in die Clubs, die ihre Erfüllung im schweißtreibenden Gewichte-Stemmen fanden, hat sich das Bild heute gewandelt. „Die Leute sind viel gesundheitsbewusster geworden“, sagt Kristian Strack, Fitness-Manager bei Elixia, einer europäischen Fitness- und Wellnesskette.

Neben den Kursen, die vor allem auf Entspannung abzielen, hat auch das klassische Aerobic nach wie vor eine Menge Anhänger. „Es gibt immer noch Leute, die am besten entspannen können, wenn sie sich so richtig austoben, wie zum Beispiel bei Aerobic“, sagt Britta Winnemöller vom Deutschen Sportstudioverband. Und Bewegung in der Gruppe mit einem Trainer hält die Leute eher bei der Stange als stundenlanges, monotones Traben auf dem Laufband. Inzwischen gibt es zahlreiche Ableger der Hochgeschwindigkeits-Gymnastik, und ständig kommen neue mit mehr oder minder exotischen Namen hinzu: Salsa Aerobic oder Thae Bo, ein Mix aus asiatischem Kampfsport und altbewährten Aerobic-Übungen. Daneben gehören gemeinsames Fahrradfahren auf dem Hometrainer unter Anleitung eines Betreuers oder das gemeinsame Gewichte-Stemmen mit speziellen Langhanteln zum Standard der Fitness-Tempel.

Aus der Folterkammer in die Sauna

Nach einem anstrengenden Training wollen die Mitglieder heute vor allem eins: es sich so richtig gut gehen lassen. Eine Sauna gehört zum Standard eines Studios. Die Ausstattung variiert je nach Preislage der Clubs – vom einfachen Holz-Schwitzkasten bis hin zur Saunalandschaft mit Dampfbad und Bio-Sauna. Zusätzlich bieten viele Studios Massagen, Solarien, Kosmetikbehandlungen oder sogar Aroma- und Lichttherapie an.

„Die Kunden müssen sich bei uns rund um wohlfühlen“, sagt Ben Ramadani, Fitnessberater im Premium-Studio der Fitness Company im Kranzler Eck. Im 14. und 15. Stock vertreibt ein Fernseher den schwitzenden Sportlern die Zeit. Wen die laufenden Börsenkurse zu sehr deprimieren, kann sich stattdessen einen der 600 verfügbaren Videofilme ausleihen. Oder die frische Luft auf dem Dach des Studios genießen, wo eine Laufbahn mit extra gelenkschonendem Belag zum Training unter freiem Himmel einlädt.

Für stundenlangen Workout hat aber nicht jeder Zeit. Für gestresste Manager, die nur eine Stunde am Tag entbehren können, liegen bei der Fitness Company spezielle Trainingspläne bereit: Fit in sechzig Minuten, inklusive Umziehen, Aufwärmen, Muskelaufbau und Saunabesuch. Wer auch in dieser Zeit nichts verpassen mag, findet sogar einen Bereich mit PC, Internetzugang und Fax.

Frauen sind nach Angaben des Fitness-Verbandes VDF in deutschen Studios in der Mehrheit. Viele bieten deshalb eine extra Sauna für Damen oder wenden sich gleich ausschließlich an weibliche Kundschaft. Etwa jede zehnte Anlage ist Frauen vorbehalten. Dazu gehören etwa die Fitness-Kette Jopp oder das Fairlady Fitness in Berlin. Dort gibt es keine männlichen Mitarbeiter, und selbst der Besuch eines männlichen Handwerkers wird extra angekündigt. „Viele Frauen trainieren ungezwungener, wenn ihnen kein Mann zuschaut“, sagt Beate Lemm, Qualitätsmanagerin bei Jopp-Frauen-Fitness. Einige Besucherinnen haben andere Motive. „Bei uns trainieren viele muslimische Frauen“, erzählt Lemm.

Die Studios haben neben den Frauen noch eine weitere Zielgruppe entdeckt: Sport-Fans über 40. „Ältere und Ungeübte haben eine größere Hemmschwelle“, sagt Nico Stecher, Fitness-Experte im Elixia am Prager Platz. Erleichtert werden soll ihnen der Einstieg durch intensive Beratung sowie durch Anfängerkurse. „Hier ist das Tempo etwas gemäßigter, damit jeder mitkommt.“

Sport-Muffel haben also kaum noch eine Ausrede. Viele Studios nehmen sogar kleine Kinder in ihre Obhut, solange Mütter oder Väter in Ruhe trainieren oder die Seele baumeln lassen wollen. Selbst auf flexible Arbeitszeiten haben sich die Studios eingestellt. Und weder Frühaufsteher oder Langschläfer müssen sich einschränken: An Wochentagen läuft der Betrieb meist von 6 Uhr 30 bis 23 Uhr. Sogar für Nachtmenschen ist gesorgt: Axxel City Fitness in Schöneberg hat sogar rund um die Uhr geöffnet.

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