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Wirtschaft: Schenk’ noch mal ein

Das hochverschuldete Griechenland wird wohl spätestens 2012 mehr Geld brauchen

Gebetsmühlenartig wiederholt es die griechische Regierung seit Monaten: Nein, wir brauchen keine Umschuldung. Wir zahlen unsere Zinsen pünktlich und beginnen spätestens 2014, den Schuldenberg abzutragen. Auch die EU-Kommission versichert: Griechenland kommt mit den bisher beschlossenen Hilfen und Sparmaßnahmen über die Runden. Aber die Zahlen sprechen eine andere Sprache. Griechenland muss seine Verbindlichkeiten restrukturieren, wenn es sich aus der Schuldenfalle befreien will.

Die Zeit drängt. Schon 2012 drohen ernste Solvenzprobleme. Die Hoffnung des Premierministers Georgius Papandreou, gegen Ende dieses Jahres wieder mit größeren Anleihe-Emissionen an den Kapitalmarkt gehen zu können, dürfte sich angesichts der hartnäckig hohen Risikozuschläge für Griechenbonds kaum erfüllen. Selbst 2012 sei noch „mit einem großen Fragezeichen versehen“, sagt der für Griechenland zuständige EU-Kommissionsvertreter Servaas Deroose. Dann wird es aber eng. 2012 hat Griechenland einen Refinanzierungsbedarf von voraussichtlich knapp 58 Milliarden Euro. Aus dem Hilfsprogramm von EU und IWF stehen aber kommendes Jahr nur noch 24 Milliarden zur Verfügung. Dass Athen die Differenz zu tragbaren Zinsen am Kapitalmarkt aufnehmen könnte, ist aus heutiger Sicht unwahrscheinlich.

Der Grund für die extrem hohen Risikozuschläge liegt vor allem in der schieren Höhe des griechischen Schuldenberges: nach Berechnungen des Internationalen Währungsfonds erreicht er in diesem Jahr 152 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Ende 2012 werden es sogar 158 Prozent sein – oder noch mehr, wenn sich die Konjunkturprognosen als zu optimistisch erweisen sollten. Schulden in dieser Größenordnung sind nach Meinung vieler Volkswirte nicht nachhaltig zu bedienen, vor allem nicht für eine in diesem Jahr schrumpfende und 2012 allenfalls marginal wachsende Volkswirtschaft. In diesem Jahr muss Griechenland bereits 6,7 Prozent seines BIP für Zinsen aufbringen, im nächsten Jahr dürften es über sieben Prozent sein. Der Schuldendienst droht das Land zu strangulieren.

Analysten des Wirtschaftsforschungsinstituts Bruegel rechnen vor, dass Griechenland unter günstigsten Voraussetzungen ab 2015 einen nachhaltigen Primärüberschuss im Haushalt von 3,7 Prozent des BIP erwirtschaften müsste, damit die Schulden wenigstens nicht weiter wachsen. Wollte das Land über einen Zeitraum von 20 Jahren seine Schuldenquote auf die im EU-Stabilitätspakt vorgeschriebenen 60 Prozent drücken, müsste es sogar einen Überschuss von kontinuierlich mindestens 8,4 Prozent erwirtschaften – eine unmögliche Aufgabe. Nun plant die Athener Regierung, bis 2015 mit der Privatisierung von Staatsbetrieben und der Verpachtung öffentlicher Liegenschaften 50 Milliarden Euro einzunehmen. Für viele Beobachter ist das ein unrealistisches Ziel. Und selbst wenn es gelingen sollte: Die Schuldenquote würde von voraussichtlich rund 150 Prozent Ende 2015 lediglich auf etwa 130 Prozent fallen. Auch das ist noch zu viel.

Der einzige Ausweg ist deshalb ein Schuldenschnitt. Das würde bedeuten, dass die Gläubiger Teile ihrer Forderungen abschreiben müssen, etwa indem sie alte Anleihen mit einem Abschlag gegen neue Papiere tauschen. Griechenland könnte als Erstes mit billigen Krediten des EU-Rettungsfonds EFSF eigene Anleihen zu den aktuell niedrigen Kursen zurückkaufen, etwa von der EZB, die in den vergangenen Monaten griechische Staatsanleihen für rund 50 Milliarden aufgekauft hat. Das würde aber bei Weitem nicht reichen. Mohamed El-Erian, Chef des weltgrößten Anleihe-Investors Pimco, glaubt, dass Griechenland seine Schuldenquote unter 90 Prozent drücken muss, um zahlungsfähig zu bleiben. Das entspräche einem Schuldenschnitt von rund 40 Prozent.

Wenn aber auch die privaten Gläubiger auf Geld verzichten müssen, könnte das neue Stützungsmaßnahmen für die griechischen Banken erfordern, die Staatsanleihen im Nennwert von rund 45 Milliarden Euro halten. Auch französische Banken wären betroffen. Sie hielten Ende 2010 griechische Bonds von 53,5 Milliarden Euro. Auf deutsche Institute entfallen 36,8 Milliarden.

Ein wirklicher Befreiungsschlag wäre ein solcher Schuldenschnitt ohnehin nur, wenn die griechische Wirtschaft gleichzeitig auf den Wachstumspfad zurückgeführt werden kann. Länder wie Argentinien und Uruguay schafften das mit einer Abwertung ihrer Währung. Das können die Griechen nicht. Sie müssen mit Strukturreformen und höherer Produktivität ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern. Die EU könnte aber bei der Rückkehr zum Wachstum helfen – etwa mit vorgezogener Auszahlung von Fördermitteln, die Griechenland ohnehin in den nächsten Jahren zustehen. Vor allem aber müssen sich Athen und die EU den Realitäten der Griechenlandmisere stellen. Ohne Restrukturierung wird das Land seine Schuldendynamik nicht in den Griff bekommen. Je länger man damit wartet, desto teurer wird es.

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