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Wirtschaft: Schering testet Pille für den Mann

Berliner Pharmakonzern startet klinische Studie/Produkt könnte frühestens 2007 auf den Markt kommen

Berlin (pet). Schering schickt seine „Pille für den Mann“ in den Praxistest. Der Berliner Pharmakonzern Schering gab am Mittwoch bekannt, dass er zusammen mit der Pharmatochter des holländischen Konzerns Akzo Nobel, Organon, eine klinische Studie für das neue Produkt startet. In der Studie, an der 350 Männer in 14 Zentren Europas teilnehmen, wird untersucht, wie zuverlässig das Produkt wirkt und welche Nebenwirkungen es hat. „Bislang konzentrierte sich die Forschung zur Fertilitätskontrolle auf Methoden für die Frau“, sagte ScheringForschungsvorstand Günter Stock. „Mit der ’Pille für den Mann’ wollen wir Paaren eine zusätzliche Möglichkeit geben, zwischen verschiedenen Methoden der Empfängnisverhütung zu wählen.“ Die Studie stelle einen großen Schritt in der Entwicklung des ersten hormonellen Verhütungsmittels für Männer dar.

Bis es so weit ist, kann allerdings noch einige Zeit ins Land ziehen. Nach Angaben einer Schering-Sprecherin wird das neue Produkt „auf keinen Fall vor 2007“ auf dem Markt sein. Zudem gibt es, wie bei jedem neuen Medikament, ein hohes Risiko, dass es in den klinischen Studien durchfällt. Höchstens zehn Prozent der Arzneikandidaten schaffen es bis in die Apotheke. Die Ergebnisse bereits abgeschlossener Pilotstudien mit dem neuen Produkt sind nach Angaben von Schering aber viel versprechend.

Die „Pille“ ist eigentlich keine Pille – was die Vermarktung nach Meinung von Experten schwierig machen könnte. Das neue männliche Verhütungsmittel wird nicht geschluckt, sondern besteht aus einem Implantat mit dem Hormon Gestagen, das die Spermienbildung unterdrückt. Das Pflaster hat Schering-Partner Organon entwickelt. Es hemmt die Produktion des männlichen Geschlechtshormons Testosteron. Um zu verhindern, dass Männer die Lust verlieren, erhalten sie zusätzlich eine Spritze mit dem lang wirkenden Testosteron Undecanoat, das von Schering entwickelt wurde. Würde man Testosteron als Pille verabreichen, würde es von der Leber zu schnell abgebaut. Das ist ein Grund, warum die Männer-Pille, an der schon seit drei Jahrzehnten geforscht wird, so lange auf sich warten lässt.

Die Herausforderung besteht nach Angaben von Schering-Vorstand Stock nun darin, eine Methode zu entwickeln, die nicht nur verlässlich und reversibel ist – also den Mann nicht dauerhaft impotent macht –, sondern vom Anwender akzeptiert wird.

In der Bewertung der Verkaufschancen sind Analysten zurückhaltend. Für einen Pharmakonzern sei es nicht einfach, das Produkt zu vermarkten, heißt es übereinstimmend. „Der Markt muss erst geschaffen werden“, sagt Pharma-Analyst Marcus Konstanti vom Bankhaus Sal. Oppenheim, schließlich sei Verhütung jahrzehntelang Sache der Frauen gewesen. Darum geht er davon aus, dass der Markt für die „Pille für den Mann“ deutlich kleiner sein wird als für das weibliche Pendant. Fünf Jahre nach dem Marktstart könne Schering vielleicht „60 bis 70 Millionen Euro“ mit dem Produkt umsetzen, sagt er. Zum Vergleich: Mit Pillen für die Frau setzte die Pharmaindustrie nach Angaben von IMS Health zwischen Dezember 2002 und November 2003 allein in Deutschland 290 Millionen Euro um. Weltweit erwarten Marktbeobachter im Jahre 2007 einen Umsatz mit oralen (weiblichen) Verhütungsmitteln von mehr als fünf Milliarden Euro. Schering selbst macht zum Marktpotenzial der Männer-Pille keine Angaben.

Konstanti geht davon aus, dass die „Pille für den Mann“ noch sehr viel Zeit braucht. „Das Produkt kann frühestens 2009 auf den Markt kommen“, schätzt er. Auch die WGZ-Bank ist vorsichtig. Die Analysten rechnen damit, dass das Verhütungsmittel frühestens 2010 in die Apotheken kommt. Auf Grund der geringen Bequemlichkeit bei der Verabreichung erwarten sie keine bedeutenden Umsätze. Die Börse ist zuversichtlicher: Der Kurs der Schering-Aktie stieg bis Handelsschluss um 2,25 Prozent auf 44,08 Euro.

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