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Der Druck nimmt ab. Zumindest die Ökonomen des Instituts HWWI sehen keine Notwendigkeit, auch hierzulande unkonventionelles Gas zu fördern. Sie sehen auch so Chancen für den deutschen Exportsektor – aber ebenso steigende Energiepreise.

© Reuters

Schiefergas-Boom: Das Fracking der Anderen

Studien industrienaher Ökonomen zum Schiefergasboom in den USA gibt es viele. Sie kommen zu dem Schluss: Das sollten wir auch hier in Deutschland probieren. Eine erfrischend andere Perspektive liefert eine am Mittwoch vorgestellte Analyse aus Hamburg.

Berlin - Nach vielen Worten über die geostrategischen Folgen des Schiefergasbooms in den USA ließ sich Thomas Straubhaar, Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI), endlich zu einer Handlungsempfehlung hinreißen. Fracking in Deutschland: ja oder nein? „Das wäre so sinnvoll, wie Bananen am Nordpol zu pflanzen“. Es wäre technisch sicher irgendwie machbar, „aber wegen der Widerstände und Umweltauflagen wären die Kosten unkonventioneller Förderung von Gas oder Öl hierzulande unverhältnismäßig hoch“, sagte der Ökonom am Mittwoch in Berlin bei der Vorstellung einer Studie zum Thema. Die Politik könne den Streit über Frackinggesetze für die nächsten zehn bis 20 Jahre beilegen. Mit den Konsequenzen des Frackings in anderen Ländern müsse man sich aber sehr wohl befassen. Straubhaar sprach von „weitreichenden Veränderungen der Energiemärkte“, die auch Deutschland beträfen.

Auf den ersten Blick scheint es wenig originell, wenn sich noch ein Institut mit diesem energiewirtschaftlichen Modethema befasst. Zum Fracking, dem Aufbrechen tiefer Gesteinsschichten mit einem Wasser-Chemikalien-Cocktail, scheint alles gesagt: Von der Internationalen Energieagentur, der Statistik-Abteilung von BP, dem Bund der Deutschen Industrie (BDI), zuletzt dem Weltenergierat: Sie alle haben nachgezeichnet, wie sich der Gaspreis in den USA in Folge des Schiefergasbooms auf vier Dollar die Tonne gedrittelt hat. In Deutschland kostet die Einheit zwölf, in Asien gar 16 Dollar. Eine Folge: Billiges Gas verdrängt schmutzige Kohle bei der Stromproduktion, die Strompreise sinken, energieintensive Industrien siedeln sich an, 1,7 Millionen Jobs sind entstanden.

Diese Entwicklung vollzieht auch das vom HWWI nun vorgelegte Papier nach, leitet daraus aber eben nicht wie BDI und Weltenergierat die Forderung ab, man müsse auch in Deutschland fracken. Das liegt wohl auch an der hanseatisch pragmatischen Perspektive des Auftraggebers. Die Studie finanziert und daran mitgearbeitet hat die 1590 in Hamburg gegründete Privatbank Berenberg, die das Geld vermögender Kunden verwaltet. „Einige möchten wissen, wie sie von der Entwicklung profitieren können“, erklärte Berenberg-Volkswirt Wolfgang Pflüger in Berlin. Er rät seinen Kunden direkt zum Bohrloch in die USA zu blicken.

So könne man etwa in jene Firmen investieren, die dort im weitesten Sinne mit der Technologie zu tun haben. 140 Milliarden Dollar seien allein 2012 in den USA in den Aufbau der Fracking-Infrastruktur investiert worden. Das seien zehn Prozent der gesamten Sachinvestitionen der USA gewesen. Seit Beginn 2006 hätten die börsennotierten Firmen, die in einem Schiefergasindex zusammengefasst sind, um 33,6 Prozent zugelegt. Der Standardindex S&P 500 dagegen nur um 24,5 Prozent. Die Firmen, die direkt nach Öl und Gas bohren, hätten von dem Boom verhältnismäßig wenig profitiert, lautet die Analyse des Berenberg-Bankers. Kräftiger zulegen konnten die Unternehmen in der Verarbeitung und vor allem beim Transport.

Pflüger lenkte das Augenmerk auch auf einen anderen Effekt des Gasbooms – einen tendenziell steigenden Dollarkurs. „Wir sehen langfristig eine Bodenbildung mit aufsteigenden Spitzen“, sagte er. Womöglich stehe Amerika vor einer „goldenen Dollar-Dekade“. Das habe dann auch ganz unmittelbar Auswirkungen auf Deutschland. Die exportintensiven Industriebranchen hierzulande würden von einem starken Dollar zum Euro profitieren. Die Kehrseite sei, dass alle Güter, die international in Dollar abgerechnet werden, sich verteuern würden: Das betrifft vor allem Energie. „Insofern verstärkt sich der Effekt des Frackings bei der Energieversorgung noch einmal“, fügte Straubhaar hinzu. Unterm Strich zählen die Ökonomen Deutschland aber zu den Gewinnerländern des Fracking-Booms in den USA. Die Verlierer säßen in Russland und dem Mittleren Osten.

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