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Wie lange noch? Braunkohlekraftwerke haben mit gut 25 Prozent einen ebenso großen Anteil an der Stromversorgung wie erneuerbare Energien. Foto: dpa

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Wirtschaft: Schluss mit Marktwirtschaft Eine Subvention zieht die nächste nach sich, weil das Fördersystem für die erneuerbaren Energien nicht mehr funktioniert

Claudia Kemfert ist im Krieg. Für die Wissenschaftlerin vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung „hat sich die Energiepolitik in Deutschland in ein Schlachtfeld verwandelt“.

Claudia Kemfert ist im Krieg. Für die Wissenschaftlerin vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung „hat sich die Energiepolitik in Deutschland in ein Schlachtfeld verwandelt“. Und sie ist dabei, mal auf dieser, mal auf jener Seite. Vor gut einem Jahr hatte der CDU-Ministerpräsidentenkandidat Norbert Röttgen im NRW-Wahlkampf Kemfert in seinem Team, heute schmückt sie das Schattenkabinett von Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD), der im Herbst in Hessen Regierungschef werden will. Die Energiepolitik hierzulande ist offenbar so diffus, dass die Professorin Kemfert mit ihrem Sachverstand auf allen möglichen Seiten Platz findet.

„Im Schlachtengetöse um das richtige Energiekonzept ist die Lage ziemlich unübersichtlich geworden“, schreibt Kemfert in ihrem Buch „Kampf um Strom“, in dem sie dem Establishment rund um die alten Energieversorger vorwirft, den Ausbau der erneuerbaren Energien zugunsten von Kohlekraftwerken zu torpedieren. Tatsächlich ist der allseits beliebte Grünstrom ins Gerede gekommen, weil der Strom immer teurer wird. Der Preis dominiert die Diskussion, Versorgungssicherheit und Klimaschutz sind nachrangig. Und da diese Bundesregierung zu Entscheidungen schon lange nicht mehr in der Lage ist, müssen bald nach der Wahl die offenen Fragen beantwortet werden: Was stabilisiert den Strompreis? In welcher Kombination machen erneuerbare und konventionelle Energien Sinn? Wie viele Reservekraftwerke braucht man? Was hilft gegen das organisatorische Chaos innerhalb der Regierung (Umwelt- gegen Wirtschaftsminister) und innerhalb der Bundesrepublik (Bund gegen Länder, jedes Bundesland hat sein eigenes Energiekonzept)? Gibt es genügend Akzeptanz in der Gesellschaft für den Ausbau der Erneuerbaren und die erforderlichen Leitungen?

Immerhin wird die Energiewende – Ausstieg aus der Kernkraft und massiver Ausbau der Erneuerbaren – von der Bevölkerung noch nicht infrage gestellt. Trotz der Kosten. Seit der Liberalisierung der Energiemärkte 1998 sind die Strompreise für die privaten Haushalte um fast 70 Prozent gestiegen. Und das liegt weniger an Eon, RWE, Vattenfall und EnBW, sondern am Staat. In 15 Jahren stieg der Staatsanteil am Strompreis nach Angaben des Energieverbandes BDEW um 243 Prozent. Von den 28 Cent, die eine Kilowattstunde aktuell im Schnitt kostet, sind erstmals mehr als die Hälfte Steuern, Abgaben und Umlagen. Knapp 23 Prozent sind Netz- und Zählergebühren, bei den Stromerzeugern bleiben ungefähr 27 Prozent hängen.

Steigende Energiepreise sind die Konsequenz der Energiewende – und eine Voraussetzung für ihren Erfolg. Denn je höher der Preis, desto intensiver die Bemühungen, Energie zu sparen und effizienter zu nutzen. Rund 40 Prozent der Energie wird hierzulande für Heizung und Warmwasser gebraucht. Mehr als zwei Drittel der 18 Millionen Wohngebäude wurden aber in einer Zeit gebaut, als der Liter Öl ein paar Pfennige kostete; Dämmung spielte keine Rolle. In der Gebäudesanierung steckt deshalb ein enormes Potenzial – wenn sich Bund und Länder auf steuerliche Fördermodalitäten einigen.

Im Fokus der Politik steht das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG), dessen Geschichte bis 1990 zurückreicht, als es ein erstes Energieeinspeisegesetz gab. Das neue EEG, von der rot-grünen Regierung im Jahr 2000 verabschiedet, hat den Ausbau der Erneuerbaren massiv beschleunigt, indem es einen Einspeisevorrang und eine feste Vergütung (in der Regel bis zu 20 Jahre) für den grünen Strom regelt. Inzwischen stammt rund ein Viertel unseres Stroms aus Sonne-, Wind- oder Biogasanlagen, spätestens 2030 soll es die Hälfte sein. Das macht Sinn, denn das letzte Akw wird 2022 abgestellt und die fossilen Energien (Kohle, Öl, Gas) sind endlich und schmutzig. Doch der grüne Strom schafft eine Menge Probleme.

Solange es nicht annähernd genügend Speicher gibt, klaffen Angebot und Nachfrage auseinander. Grünstrom gibt es nach Wetterlage und oftmals da, wo er nicht gebraucht wird – an der Küste, wo in den Wintermonaten die Windräder auf hohen Touren drehen. Gleichzeitig machen die Erneuerbaren die konventionellen Energien unrentabel, modernste Gaskraftwerke laufen statt maximal 8760 Stunden im Jahr nur noch 3000 Stunden. Und rechnen sich nicht mehr. Aber solche Kraftwerke werden gebraucht, um die Versorgung bei Nacht und Windstille zu gewährleisten. Also müssen Kraftwerke als Reserve vorgehalten werden. Das kostet wiederum und muss von der Allgemeinheit bezahlt werden. Im Ergebnis zieht eine Subvention (im Rahmen des EEG) eine weitere Subvention für die Reservekapazitäten nach sich. Mit marktwirtschaftlichem Wettbewerb hat das nicht mehr viel zu tun.

Um die Tendenz zu immer höheren Preisen zu stoppen, wird das EEG nach der Wahl verändert werden müssen. Denn auch der zunehmende Grünstrom führt zu sinkenden Börsenpreisen; die Erzeuger des Grünstroms bekommen aber einen festen Preis, der über dem Börsenpreis liegt. Die Differenz – in diesem Jahr sind das 5,3 Cent je Kilowattstunde – zahlen alle Verbraucher. Mit Ausnahme der energieintensiven Unternehmen, die von der Politik geschont werden, weil es Sorgen um deren Wettbewerbsfähigkeit gibt. Linke und Grüne wollen das ändern und so die Preise stabilisieren.

Realistischer sind jedoch Änderungen bei den Grünstromerzeugern, beispielsweise könnten sie verpflichtet werden, ihren Strom künftig zu Marktpreisen zu verkaufen. Eine gemächlicher als bislang steigende, vorab festgelegte Quote für Erneuerbare wird ebenso diskutiert wie die Kopplung des Ausbaus von Erzeugungskapazitäten an den Ausbau der Netzinfrastruktur. Das wird noch reichlich Hauen und Stechen geben nach der Wahl, denn „es geht um Macht und Einfluss, Pfründe, die verteidigt oder neu verteilt werden – und natürlich geht es um Geld“, wie Claudia Kemfert weiß.

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