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Schmuggelware in Berlin: Stochern im Untergrund

Der sichtbare Straßenhandel ist nur die Spitze. In Berlin suchen Zoll und Polizei gemeinsam nach den Hintermännern.

Man kennt sich seit Jahren, doch gegrüßt wird nicht. Binnen weniger Sekunden ist das Geschäft abgewickelt: Der Käufer tritt heran, zeigt meist wortlos zwei oder drei Finger, der Händler greift in die Plastiktüte, die neben ihm hängt, Schein und Schachteln wechseln zeitgleich die Hände. Fertig.

Eine typische Szene am Eingang des S-Bahnhofes Frankfurter Allee in Berlin Friedrichshain, eine der Goldgruben für illegale Zigarettenhändler. Bis zu 50 000 Pendler zwängen sich dort täglich durch die enge Gasse zwischen den Gleisen der S-Bahn und dem „Ringcenter“ hinab zur U5. Anders als an anderen der rund 300 etablierten Verkaufsstellen in Berlin sind die Händler dort nicht allein, sondern meist zu viert oder fünft. Einer verkauft, einer steht daneben. Die anderen sitzen vor den Imbissbuden im Umkreis von 100 Metern, telefonieren und haben ein Auge auf die Straßen, falls Polizei kommt oder der Zoll.

60 Beamte der Mobilen Kontrollgruppen (MKG) des Hauptzollamtes Berlin bekämpfen diesen Straßenhandel. Täglich fahren fünfköpfige Teams fünf oder sechs Verkaufsstellen ab. Meist warten sie in sicherer Entfernung und beobachten die Szene mit Ferngläsern, was an belebten und verwinkelten Bahnhöfen aber schwierig ist. Wenn sie einen größeren Verkauf beobachten, greifen sie zu, konfiszieren die Zigaretten und stellen dem Käufer ein Verwarn- oder Bußgeld in Rechnung (siehe Infokasten). Die Verkäufer entwischen oft. Darauf, sie festzunehmen sind die Zollbeamten aber auch nicht immer aus, da die Verkäufer eh nur wenige Zigaretten bei sich tragen.

Wichtiger ist es, die Depots auszuheben, von denen es rund um jeden Verkaufsplatz bis zu sieben Stück gibt: Schaltkästen, Nischen und sehr oft auch Erdbunker. „Man mag es nicht glauben, aber es scheint, als sei halb Berlin untertunnelt“, sagt Michael Kulus, Sprecher des Hauptzollamtes. Ganze Fässer sind unter Gebüschen und in Beeten vergraben, in die oft 25 bis 30 Stangen passen. Durch die Öffnung, die mit einem Deckel verschlossen und mit Erde bedeckt sind, passt gerade mal ein Arm. Die Beamten der MKG stochern mit Schraubenziehern im Boden, um sie zu finden.

Im Jahr 1999 gründeten Zoll und Polizei eine gemeinsame Ermittlungsgruppe (GE Zig) bei der rund 40 Beamte arbeiten, die nicht nur die Symptome – den für jeden sichtbaren Straßenhandel – bekämpfen, sondern die Kriminalität, die damit verbunden ist: Schutzgelderpressung, Drogen- und Menschenhandel, Prostitution. „Die Straßenhändler stehen unten in der Hierarchie und sind selbst Opfer, weil viele die Kosten ihrer eigenen Schleusung abarbeiten. 30 bis 50 Euro verdient einer am Tag“, sagt Sabine Burkowski, die die Polizei-Hälfte der GE Zig leitet.

Ihr Team ermittelt im vietnamesischen Milieu. „Aber wir wollen vor allem an die Groß- und Zwischenhändler ran“, sagt sie. Dort sind vor allem auch Osteuropäer verwickelt. Die Ermittlungen gestalten sich oft schwierig, weil die Zusammenarbeit mit polnischen Beamten teils sehr schleppend verläuft. „Wenn wir einen Namen zu einem Kennzeichen brauchen, bekommen wir den. Viel mehr aber auch nicht“, sagt Burkowski. kph

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