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Wirtschaft: Schnäppchen ohne Ende

Der Winterschlussverkauf ist eigentlich per Gesetz abgeschafft. Trotzdem gibt es ihn noch – viele Läden machen freiwillig mit

Berlin - Am Montag, den 23. Januar, begeht der Einzelhandel zum zweiten Mal ein Ritual, das es laut Gesetz eigentlich gar nicht mehr gibt: den Winterschlussverkauf (WSV). „Etwa 70 Prozent der Händler, darunter auch die großen Warenhäuser und Textilketten, werden sich voraussichtlich am freiwilligen Winterschlussverkauf beteiligen“, schätzt der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE). Preisnachlässe von bis zu 70 Prozent seien dann keine Seltenheit.

Mancher Kunde allerdings fragt sich, warum die Branche an dem Schlussverkaufs-Ritual festhält, wo doch bereits nach Weihnachten viele Händler die Preis haben purzeln lassen. Die Schaufenster sind zugeklebt mit dicken Prozentzeichen, und Werbeprospekte versprechen ordentliche Rabatte. „Natürlich sind einzelne Waren schon jetzt deutlich reduziert“, räumt HDE-Sprecher Hubertus Pellengahr ein. Im WSV würden die Rabatte dann auf ganze Sortimentsbereiche ausgeweitet. Der Textilhändler C & A, der bei der WSV-Aktion dabei ist, macht es noch ein wenig anders: Derzeit gibt es auf die Waren Rabatte von bis zu 50 Prozent, ab dem 23. Januar werden die auf 70 Prozent erhöht.

Dennoch: Wer Schnäppchen machen will, sollte nicht bis zum Monatsende warten. Auch wenn der HDE davon ausgeht, dass sich ein Großteil der Händler am WSV beteiligen wird, gibt es viele Geschäfte, die mit der Schlussverkaufs-Tradition gebrochen haben. Die Schuhkette Deichmann wirbt bereits seit Tagen mit einer Rabattaktion, die noch bis Anfang Februar gilt: Kunden, die drei Paar reduzierte Schuhe kaufen, erhalten eines umsonst. Bei zwei Paaren gibt es das zweite zum halben Preis. „Wir werden nicht noch einmal nachlegen“, sagt ein Firmensprecher. Zumal das Wintergeschäft gut gelaufen und die Lager daher recht leer seien. Auch in den Filialen der Textilkette H & M ist der Ausverkauf der Winterware in vollem Gange.

Der Warenhauskonzern Karstadt äußert sich verhalten zum Thema WSV. „50 Prozent Preisnachlass gibt es schon jetzt auf viele Waren“, sagt KarstadtSprecher Elmar Kratz. Sicherlich werde man die Rabatte im Laufe des Monats „noch intensivieren“. Doch mit dem Wort „Winterschlussverkauf“ werde man nicht werben. „Das klingt zu altbacken“, meint Kratz. Im vergangenen Jahr hieß der WSV bei Karstadt noch „KSV – Karstadt-Schluss-Verkauf“, diesmal begnügt sich der Konzern mit „Sale“. Beim Konkurrenten Kaufhof sind die Pläne zum Schlussverkauf dagegen noch ein großes Geheimnis. „Wir werden uns erst in der kommenden Woche dazu äußern“, heißt es. Offenbar verliert der WSV an Bedeutung. „In Berlin hat das Interesse der Händler an der freiwilligen Aktion im Vergleich zum Vorjahr abgenommen“, berichtet Nils Busch-Petersen, Geschäftsführer des Berlin-Brandenburgischen Handelsverbands. Hatten sich beim WSV noch rund 75 Prozent der Händler in der Hauptstadt beteiligt, werden es diesmal wohl weniger sein. Die Rabattphase, die sich unmittelbar an das Weihnachtsgeschäft anschließt, habe zunehmend an Bedeutung gewonnen.

Dass sie den Schlussverkauf überflüssig macht, glaubt Busch-Petersen nicht. „Auch wenn sich beim diesjährigen WSV eine negative Tendenz abzeichnet, heißt das noch lange nicht, dass es auch beim Schlussverkauf im Sommer so sein wird“, sagte er. Zumal sich in dieser Wintersaison die Liefertermine für die Ware verschoben hätten, so dass die Lager früher für die Frühjahrskollektion leer geräumt werden müssten als in den vergangenen Jahren üblich. Auch HDE-Sprecher Pellengahr glaubt nicht, dass der Schlussverkauf ein Auslaufmodell ist. „Gerade in ländlichen Regionen und für kleine und mittelständische Betriebe sind die gemeinsamen Schlussverkaufsaktionen eine wichtige Sache“, sagte er.

Die rot-grüne Bundesregierung hatte im Juni 2004 das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb geändert und den Sommer- und den Winterschlussverkauf abgeschafft. Seitdem hat der Handel die Möglichkeit, das ganze Jahr über Rabattaktionen zu veranstalten. Einer Branche, die unter permanentem Preisdruck steht, tut das nicht unbedingt gut. So wird der Einzelhandel das Jahr 2005 erneut mit einem Minus abschließen. Hoffnung gibt es für 2006: Dank Fußball-WM und vorgezogener Großeinkäufe wegen der Mehrwertsteuererhöhung 2007 könnte eine schwarze Null drin sein.

Dagmar Rosenfeld

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