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Wirtschaft: Schnell gezapft ist angesagt

Das Image des irischen Traditionsbieres Guinness soll verjüngt werden – der Geschmack hat sich geändert

Für Stephan Lester sind 119,5 Sekunden eine schrecklich lange Zeit. So lange dauert es, das perfekte Pint Guinness zu zapfen, mit dem traditionellen Ritual, das Glas zu drei Vierteln voll zu machen und es dann mit der charakteristischen cremigen Haube zu versehen. Aber für den Londoner Barkeeper können diese zwei Minuten in einer geschäftigen Samstag Nacht, wenn er jungen ungeduldigen Gästen auf ihrer Kneipentour Dutzende Drinks servieren muss, zu einer Ewigkeit werden.

„Junge Menschen mögen Guinness nicht besonders“, sagt er. „Das Zapfen und Trinken dauert zu lange.“ Das Problem der langen Zapfdauer ist symptomatisch für die Probleme, die Guinness plagen, das dunkle „Stout“, das seit mehr als zweihundert Jahren aus den irischen Pubs nicht wegzudenken ist. Nach einem Wachstumsschub Mitte der 90er-Jahre, der durch witzige Werbung und einen Popularitätsanstieg irischer Pubs erzielt wurde, stagnierte der Verkauf. Der britische Getränkekonzern Diageo, einer der weltweit größten Spirituosenhersteller, dem Guinness gehört, versucht deshalb, das Produkt zu verjüngen und es wieder als Spitzenprodukt zu vermarkten. Mit Produktinnovation, neuen Verpackungen und schicker Werbung sollen neue, jüngere Kunden gewonnen werden, die normalerweise nicht zu Produkten des Konzerns greifen würden.

Das wird nicht leicht: Selbst in seinem Heimmarkt Irland hat Guinness Probleme. Zwar macht es immer noch fast 50 Prozent aller Bierverkäufe aus, aber das Volumen ist um drei bis vier Prozent zurückgegangen. Die jüngere Generation hat sich modischen Mix-Getränken wie Diageos „Smirnoff Ice“ sowie Wein und Cidre zugewandt. Für sie ist Guinness das Getränk der Vätergeneration und die traditionellen irischen Kneipen sind zunehmend passé.

„Es ist hart, wenn man den gleichen Drink wie sein Vater hat“, sagt Ian Shackleton, Getränkeanalyst bei Credit Suisse First Boston in London. „Außerdem wird es zunehmend out, Pints in Pubs zu trinken. Die Leute wollen jetzt schickere Drinks in schickeren Bars.“ Diageo hat sich jetzt entschlossen, den Zorn der Traditionalisten zu riskieren und ein neues Zapfsystem auszuprobieren, mit dem das Stout den durstigen Gästen schneller serviert werden kann. Mit dem neuen Hahn kann das Bier in einem Zug in 25 Sekunden gezapft werden und muss nicht mit einer Haube versehen werden. Die Gäste können es sofort mitnehmen und müssen daher nicht mehr an der Theke warten.

Aber dennoch müssen sie warten, bis sich ihr Guinness gesetzt und sich die Haube geformt hat, was durch eine neue Technik möglich ist, die geheim gehalten wird und an deren Entwicklung zwei Jahre lang gearbeitet wurde. Diageo testet das neue System derzeit in England und wird entscheiden, ob es Anfang nächsten Jahres anlaufen soll.

Außerdem soll die Werbestrategie geändert werden. Obwohl Guinness seit langem für seine witzige Werbung bekannt ist, ist die jüngste Kampagne bei den unter Dreißigjährigen nicht angekommen. Sie warb mit dem Slogan „Gute Dinge kommen zu denen, die warten“ für das langsame Zapfen. Die neue Werbereihe soll – mit einem Schuss Humor – das alte Image, dass Guinness Stärke und Kraft verleiht, wiederbeleben.

„Wir müssen die jüngere Generation für Guinness gewinnen", sagt Direktor Jon Potter. „Wir haben herausgefunden, dass die Werbung vorher ein wenig zu intellektuell war. Sie soll verständlicher werden." Es wird ein harter Kampf. Der bittere Geschmack des Stouts entspricht nicht dem Trend, der hin zu leichteren, süßeren Getränken geht, besonders unter jüngeren Kunden. „Ich mag es einfach nicht", sagt Harry Peters, ein 20-jähriger Student, der mit seinen Freunden in einer Londoner Bar ein Lagerbier trinkt. „Es hinterlässt so ein schreckliches Völlegefühl.“

Der Getränkehersteller riskiert sogar, die Traditionalisten vor den Kopf zu stoßen, die den Anblick langer Reihen Guinnessgläser, die darauf warten, vom Barkeeper mit einer Haube versehen zu werden, schätzen. „Der Guinness-Trinker nimmt es mit dem Zapfen sehr genau", sagt Tony Murphy, Barkeeper bei Seamus O’Donnells, einem traditionellen irischen Pub in London. „Wenn man ein Guinness in einem Zug zapft, bekommt man es von den Kunden zurück“, sagt er und fügt hinzu, dass er das neue Zapfsystem nicht installieren wird.

Beiträge übersetzt und gekürzt von Tina Specht (Bolivien), Svenja Weidenfeld (Guinness), Matthias Petermann (EU-Agrarpolitik), Karen Wientgen (Monti) und Christian Frobenius (Stabilitätspakt).

Deborah Bali

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