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Große und kleine Schulden. Staaten ringen um gute Bonitätsnoten der Ratingagenturen. Verbraucher sind bei der Kreditvergabe auf ein gutes Zeugnis der Schufa angewiesen. Foto: dpa

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Wirtschaft: Schnelles Geld ist teuer

Bonität ist nicht alles: Wie Verbraucher einen günstigen Kredit bekommen.

Für Staaten ist sie überlebenswichtig, Unternehmen sind ohne sie langfristig bankrott, aber auch für Privatleute ist sie entscheidend: die Bonität. Das Wort stammt vom lateinischen „bonitas“, bedeutet „Vortrefflichkeit“ und bestimmt in der Praxis tagtäglich über Millionensummen. Denn sucht ein Kunde einen Kredit, ob zur Finanzierung einer Immobilie, des Studiums, eines Möbelstücks oder eines Autos, so entscheidet letztlich vor allem seine finanzielle Zuverlässigkeit darüber, ob und zu welchen Bedingungen der Kredit gewährt wird. Hier gilt letztlich eine einfache Faustformel: Je dringender der Geldbedarf, desto schlechter die Konditionen. Bei Hypotheken zahlen Kunden mit schlechterer Bonität am Ende für die gleiche Summe tausende Euro mehr. Bei kleineren Konsumentenkrediten geht der Trend in die gegenteilige Richtung: Immer öfter werden „bonitätsunabhängige“ Zinsen angeboten, von denen vor allem Kunden mit weniger guter Bonität profitieren.

BLICK INS KLEINGEDRUCKTE

„Sichern Sie sich Top-Konditionen für Ihre eigenen vier Wände“, werben Baugeld-Vermittler und Hypothekenabteilungen der Banken gerne. In der Tat: So niedrig wie derzeit waren die Zinsen für Baugeld noch nie. Für 100 000 Euro zahlt ein Wohnungskäufer oder ein Häuslebauer, der seine Zinsen für fünf Jahre festzurrt und mit einem Prozent tilgt, derzeit auf breiter Front deutlich unter drei Prozent. Die Top-Konditionen liegen bei 2,3 bis 2,5 Prozent nominal. Selbst bei zehn- und 15-jähriger Zinsbindung sind Sätze ab 2,8 Prozent möglich.

Doch die meisten Kunden freuen sich hier zu früh. Denn diese Traumsätze sind mit einem Hinweis aufs Kleingedruckte versehen: Welchen Zins ein Kunde am Ende tatsächlich für sein Baudarlehen zahlt, ist von seiner Bonität abhängig.

Aus Sicht der Kreditgeber ist das einleuchtend: Die Bank muss ihre geschäftlichen Risiken absichern. Sie verlangt deshalb nicht nur von Griechenland, Portugal und Italien, sondern auch von finanzschwächeren Privatkunden einen Zinsaufschlag oder Risikoausgleich für den Fall, dass der Kredit platzen könnte. Gerade bei Hypotheken wird der Kreditkunde besonders genau abgeklopft: Eine Rolle spielen Kriterien wie Alter, Familienstand, Art und Sicherheit des Arbeitsplatzes, bisherige Dauer der Beschäftigung, Wohnort, Zahl der zu versorgenden Haushaltsmitglieder, Höhe der fixen Ausgaben und die Höhe des Einkommens beziehungsweise dessen künftige Sicherheit. Beamte haben hier beispielsweise ein Plus, Selbstständige ein Minus.

Auf Herz und Nieren geprüft werden zudem die gesamte Vermögens- und Kreditsituation sowie das bisherige Zahlungsverhalten, das die Bank bei der Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung (Schufa) in Wiesbaden abfragt. Die Schufa errechnet dabei ein sogenanntes Kreditscoring, also eine Kennziffer, die die Ausfallwahrscheinlichkeit des Kredits widerspiegelt. Das Ergebnis dieser Erhebungen setzt die Bank in Relation zur gewünschten Kreditsumme oder zu Art und Verwendung der Immobilie und zur Höhe der Beleihung. Am Ende der Bonitätsprüfung wird ein großer Teil jener Kunden, die sich „Top-Konditionen“ ab 2,3 Prozent erhofft hatten, Sätze von vier oder mehr Prozent bekommen.

TRANSPARENZ MIT FESTZINSEN

Wer kein großes Baudarlehen, sondern nur einen kleineren Ratenkredit benötigt, stößt immer öfter auf das Wort „bonitätsunabhängig“ oder „Festzinsangebot“. Viele Banken, vor allem regionale Institute und Direktbanken werben damit, etwa 1822 direkt, Netbank, DKB, ING Diba, Santander Direkt oder PSD Berlin- Brandenburg. So zahlt beispielsweise bei der 1822 direkt, der Online-Tochter der Frankfurter Sparkasse, jeder Kunde 5,85 Prozent, wenn er sich 15 000 Euro für 48 Monate leiht und monatlich 350 Euro zurückzahlt. Etabliert hat sich der Festzins, dessen Höhe nicht mehr von der Bonität, sondern nur noch von Kreditsumme und Laufzeit abhängt, seit 2010, als die EU- Verbraucherkredit-Richtlinie in deutsches Recht gegossen wurde. Seitdem ist es Banken untersagt, bei normalen Ratenkrediten mit „Lockvogelsätzen“ zu werben, die am Ende kaum jemand erhält. Prominent platziert werden darf in der Werbung nur noch ein Zins, wenn zwei Drittel aller Kunden tatsächlich mit diesem Satz nach Hause gehen. Für Immobilienkredite gilt dies zwar nicht, allerdings werben auch hier inzwischen einige Anbieter mit dem Stichwort „bonitätsunabhängig“. Doch Vorsicht: Auch hier spielt die Kreditwürdigkeit des Kunden eine wichtige Rolle. Die Devise laute schlicht „alles oder nichts“, erklärt Patrick Herwarth von Bittenfeld, Sprecher der ING Diba. Die Bonität werde geprüft, der Kredit dann eingeräumt – oder nicht.

„Mit den bonitätsunabhängigen Sätzen sind die Zinsen für die Kunden nachvollziehbarer geworden“, lobt Frank-Christian Pauli, Bankenexperte bei der Bundeszentrale der Verbraucherverbände (VZBV). Der Kreditsuchende sei damit nicht mehr der Willkür und Undurchsichtigkeit von Scoring-Berechnungen ausgeliefert. Kunden mit exzellenter Bonität würden zwar auf den ersten Blick benachteiligt, könnten jedoch auch mit guter Aussicht auf Erfolg nachverhandeln, sagt der Verbraucherschützer.

VERHANDELN LOHNT SICH

Dies gilt generell: Die von den Banken angebotenen Konditionen sind offen für Verhandlungen. Wer geschickt ist und mit eher guter Bonität ausgestattet, kann bisweilen noch 0,1 bis 0,2 Prozentpunkte – oder auch mehr – herausholen. Über die lange Laufzeit einer Hypothek können sich Zehntel bereits zu Einsparungen von mehreren tausend Euro summieren. Ein Beispiel: Wer sich 200 000 Euro mit einem Zinssatz von 3,9 Prozent leiht (nominal, 20 Jahre Laufzeit, ein Prozent Tilgung), zahlt unter dem Strich in 20 Jahren gut 135 500 Zinsen. Bei einem Zinssatz von 3,6 Prozent sind es 10 000 Euro weniger. Auch bei den Konsumentenkrediten, warnt Pauli, seien nicht grundsätzlich die bonitätsunabhängigen Angebote die besten. Da in Deutschland Vertragsfreiheit herrscht, haben die Kreditgeber bei der Gestaltung von Verträgen im Rahmen der Gesetzgebung freie Hand, solange die Konditionen nicht sittenwidrig sind.

Die höchste Bonität hat, wer ein hohes, auch in Zukunft sicheres Haushaltseinkommen bei im Verhältnis überschaubaren Ausgaben, keine oder kaum weitere Schulden hat, wer für den Baukredit möglichst viel Eigenkapital mitbringt beziehungsweise maximal 60 Prozent des Kaufpreises einer Immobilie in guter Lage finanzieren muss. Umgekehrt kann auch bei einem wenig vorteilhaften Schufa- Screening ein persönliches Gespräch mit dem Bankberater helfen, wegen schlechter Bonität völlig abgelehnt zu werden.

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