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Das Glanzstück. Der CRH 380A ist der schnellste Zug der Welt. Die Chinesen rechnen sich Exportchancen aus.

© Reuters

Schnellzug: China im Rekordrausch

China investiert Milliarden in den Ausbau der Eisenbahn. Doch es gibt Zweifel, ob sich das Prestigeprojekt tatsächlich rechnet. Die Züge fahren Tempo 350 - das treibt die Kosten.

Eine Wasserflasche musste als Beweis für Chinas Ingenieurkunst herhalten. Auf den Kopf gestellt, kippte sie auch beim Beschleunigen und Abbremsen des Schnellzuges nicht um. Euphorisch feierte Chinas Staatspresse vor kurzem den ersten Testlauf auf der neuen Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Peking und Schanghai. Mit 300 Stundenkilometern sausen die Züge durch die Landschaft, die Fahrzeit sinkt so von zehn auf rund fünf Stunden.

Die Strecke gilt als Herzstück des chinesischen Bahnausbaus. Zwar werden laut der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua die Investitionen in das Mammutprojekt 2011 gesenkt, von 823 Milliarden Yuan (89 Milliarden Euro) auf etwa 745,5 Milliarden Yuan (81 Milliarden Euro). Dennoch brechen derartige Ausgaben weiterhin alle Rekorde. Bis 2016 will China bis zu 400 Milliarden Euro in die Eisenbahn investieren. Dann soll ein 120 000 Kilometer umfassendes Bahnnetz bereitstehen, mit 16 000 Kilometern für Hochgeschwindigkeitszüge. Der Ausbau ist Teil des Konjunkturprogramms, mit dem die Regierung das Land durch die Weltwirtschaftskrise manövriert hat. Noch immer spielt es auch als Beschäftigungsmotor eine wichtige Rolle.

Doch das Projekt hat nicht nur Bewunderer. Spätestens, seitdem der ehemalige Eisenbahnminister Liu Zhijun aufgrund von Korruptionsvorwürfen Mitte Februar abgesetzt wurde, mehren sich Stimmen im Land, die an der Wirtschaftlichkeit der staatlichen Bahnindustrie zweifeln. Diese hat allein im ersten Quartal dieses Jahres einen Verlust von 3,7 Milliarden Yuan (400 Millionen Euro) eingefahren. Forderungen nach einer Trennung von Staat und Bahn erteilte das Eisenbahnministerium dennoch eine Abfuhr. „Wir werden sie nicht privatisieren. Die Bahnindustrie ist ein wichtiger Sektor, der die Lebensadern unserer nationalen Wirtschaft betrifft“, sagte ein Ministeriumssprecher. Die Behörde hat 2011 als entscheidendes Jahr für den Bahnausbau ausgerufen. Doch dieser steht nun am Scheideweg. Es gilt, die Korruption in den Griff zu bekommen, Schulden abzubauen und das angekratzte Image des Bahnministeriums wieder aufzupolieren.

In der Kritik stehen vor allem die Hochgeschwindigkeitsstrecken, die einer kostspieligeren Schienenlegung bedürfen – inklusive einer Vielzahl von Tunneln und Viadukten. Ein einziger Kilometer Hochgeschwindigkeitsschienen kostet chinesischen Experten zufolge bis zu drei Mal so viel wie ein Kilometer herkömmlicher Strecke. „Machbarkeitsstudien für die Strecken von Peking nach Tianjin, Wuhan nach Guangzhou und Zhengzhou nach Xi'an von 2003 empfahlen eine Geschwindigkeit von 200 Stundenkilometern. Doch nach Baubeginn ordnete das Bahnministerium an, diese auf 350 Stundenkilometer anzupassen“, schreibt das Wirtschaftsmagazin „Caixin Weekly“. Das hatte offenbar eine Kostenexplosion zur Folge. Für den Bau der 115 Kilometer langen Bahnstrecke von Peking nach Tianjin waren zum Beispiel ursprünglich 12,3 Milliarden Yuan (1,3 Milliarden Euro) vorgesehen. Doch bis zur Eröffnung der Strecke 2008 stiegen die Kosten fast auf das Doppelte – für eine Zeitersparnis von weniger als zehn Minuten.

Bereits im letzten Jahr warnte die Weltbank, dass sich nur wenige der Hochgeschwindigkeitsstrecken rechnen. Auch weil viele am Bedarf vorbeigebaut werden. Zwar sind gerade einfache Chinesen auf Züge als Transportmittel angewiesen. Doch die teuren Tickets für die neuen Schnellzüge können sie sich häufig nicht leisten. So musste zum Beispiel eine neue Verbindung zwischen Peking und Fuzhou nur zwei Monate nach Eröffnung im Februar 2010 wieder stillgelegt werden. Es wurden kaum Karten verkauft.

Doch der Ausbau des Streckennetzes gilt nicht nur der besseren Anbindung der Millionenstädte. China will seine Technik zum Exportschlager machen. Konkrete Pläne, zahlreiche Staaten Südostasiens mit dem chinesischen Hochgeschwindigkeitsnetz zu verbinden, bestehen bereits. So soll unter anderem eine Linie von China über Laos, Thailand und Malaysia nach Singapur führen. Auch nach Übersee strecken Chinas Hersteller ihre Fühler aus.

Die China Southern Locomotive and Rolling Stock (CSR), nach eigenen Angaben weltweit drittgrößter Produzent von Hochgeschwindigkeitssystemen, hat bereits ein Joint Venture mit General Electric geschlossen, um Zugang zum US-Markt zu bekommen. In Länder wie Venezuela, Brasilien, Neuseeland, Australien, Saudi-Arabien und Argentinien exportieren chinesische Hersteller bereits. Auch Europa hat man im Blick. Geschäfte mit britischen Unternehmen stehen laut der staatlichen Zeitung „China Daily“kurz vor dem Abschluss.

Das Tempo, mit dem Chinas Unternehmen in die Spitzengruppe der Hightech-Produzenten gelangen konnten, erstaunt viele Konkurrenten. Doch Vorwürfe, man habe für die Entwicklung seiner Züge Technologie vom japanischen Shinkansen, dem französischen TGV oder dem deutschen ICE geklaut, wies das Bahnministerium bereits mehrfach zurück. Ausländische Systeme seien lediglich als Plattform genutzt worden, um eigene Technologien zu entwickeln. Nicht zuletzt hat China in den letzten Jahren massiv in die Entwicklung investiert.

Ein gutes Beispiel ist der Standort Changchun, bisher vor allem als Autostadt bekannt. Seit 2007 wird die Stadt zur Basis für die Eisenbahnindustrie ausgebaut. Eine 51 Quadratkilometer große Wirtschaftszone für Forschung und Entwicklung ist geplant. Schon jetzt produziert die China Northern Locomotive and Rolling Stock (CNR) hier für den heimischen Markt. „Mit der Unterstützung der Zentralregierung für den Ausbau der Bahntechnologie bricht für die Transportindustrie in Changchun eine neue Morgendämmerung an", sagte CNR-Präsident Cui Dianguo Ende April. Sein Unternehmen exportiert auch erfolgreich ins Ausland. Stolz ist man in Changchun aber besonders auf die Produktion des CRH380 – der erste Schnellzug rein chinesischer Bauart, der auf der Strecke von Peking nach Schanghai eingesetzt wird. Eine Strecke, die sich wohl auch rentieren wird.

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