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Wirtschaft: Schokoladenexporteure: Die Kakaobauern werden zu Genossen

Die Elfenbeinküste zählt zu den Wirtschaftslokomotiven in Westafria und seinen Reichtum verdankt es dem Kakao. 70 bis 80 Prozent der Wirtschaftskraft des Landes gehen auf die Kakaoexporte zurück, mit einer Jahresproduktion von 1,3 Millionen Tonnen ist die Elfenbeinküste weltweitend führend.

Die Elfenbeinküste zählt zu den Wirtschaftslokomotiven in Westafria und seinen Reichtum verdankt es dem Kakao. 70 bis 80 Prozent der Wirtschaftskraft des Landes gehen auf die Kakaoexporte zurück, mit einer Jahresproduktion von 1,3 Millionen Tonnen ist die Elfenbeinküste weltweitend führend. Was in Sachen Kakao in Abidjan entschieden wird, dass hat Folgen für alle Schokoladenhersteller. Auf Platz zwei der Erzeuger rangiert Ghana mit jährlich 450 000 Tonnen, gefolgt von Nigeria mit 200 000 Tonnen. In den letzten fünf Jahren ist auch Indonesien als Kakaoexporteur aufgetreten. Die wachsende Konkurrenz könnte ein Grund für den Preisverfall. Christian Jacob, Büroleiter der Hamburger Kakaoeinkaufsgesellschaft in Abidjan, hat eine Statistik zu bieten, die sich wie eine Fieberkurve ausnimmt: Auf dem Londoner Markt waren für eine Tonne Kakao im März 1999 noch 940 britische Pfund zu erzielen, dann ging es bergab bis zum November 2000, als der Preis bei 580 Pfund lag.

Für die Bauern ist der Preisrutsch ein weiterer Grund, mehr als bisher auf die Vermarktung zu achten. Die Kakao-Farmer sind meistens Kleinproduzenten. "Manche leben von nur fünf Bäumen", sagt Christian Jacob. Das neue Zauberwort heißt Kooperative. Seit die Regierung von Henri Konan Bedié 1999 den Kakaomarkt auf Druck der Weltbank liberalisierte, herrscht Gründungsfieber für Genossenschaften; mehr als 100 sind entstanden. Die deutsche Hanns-Seidel-Stiftung in Abidjan ist Pate und Berater für gleich vier wichtige Kooperativen. Erst nach 1999 wurde den Genossenschaften freie Hand gegeben, direkt an die Exporteure in Abidjan zu verkaufen. Die alte "Caisse de Stabilisation", eine halbstaatliche und korrupte Kakaobehörde, die im Prinzip die Preise stabiliseren sollte, wurde abgeschafft.

Eine von der Hanns-Seidel-Stiftung betreute Kooperative liegt in Fresco, 150 Kilometer westlich von Abidjan. Schon auf der Fahrt dorthin sieht man wie kleinbäuerlich die Produktion abläuft. Am Rande der Schnellstraße liegen immer wieder Haufen von Kakaobohnen, ein paar Kilo, die auf dem heißen Asphalt trocknen. Ein Büro, ein Lagerhaus mit einem Hof, zwei Traktoren, ein Lkw: das macht die ganze Kooperative von Fresco aus. Auf Plastikplanen im Hof liegt eine stattliche Menge Kakaobohnen, es sind ein paar Zentner, die in der Sonne trocknen und über die ein stolzes Huhn spaziert. "Unser großer Vorteil ist das Vertrauen, dass die Bauern uns entgegenbringen", sagt Koffi Kouadio, der Verwalter in Fresco. Allzu oft seien die Bauern von Händlern früher mit falschen Waagen ausgetrickst worden, auch der angebliche "Schwund", jeden Tag verliert die Bohne an Feuchtigkeit, bot Zwischenhändlern viel Gelegenheit, die Kleinbauern zu betrügen. Mit eigenen Waagen und insgesamt sechs Kleinlastern von der Seidel-Stiftung schalten die vier Kooperativen nun den Zwischenhandel aus und liefern selbst zum Hafen von Abidjan.

Im Umkreis von 100 Kilometern wohnen die 600 Mitglieder der Kooperative, 400 davon zählen zu den Treuen, die regelmäßig ihren Jahresbeitrag von 5000 Francs CFA entrichten, umgerechnet 15 Mark. Mit den Gebühren werden auch die Betriebskosten für die Lkw bezahlt. Einer der Treuen ist Robert Kouakou, der vor 20 Jahren aus dem Osten, dem alten Kakaoanbaugebiet, in den "wilden Westen" nach Fresco umzog. Wegen ausgelaugter Böden siedeln viele Kakaobauern vom Osten in den Westen um und pachten dort Land. Kouakou will der Genossenschaft auf jeden Fall treu bleiben, doch er weist schon kritisch daraufhin, dass zur Zeit libanesische Händler mit besseren Preisen über die Dörfer ziehen: Statt 360 Francs CFA wie die Kooperative bieten sie 375 Francs CFA pro Kilo. "Die Libanesen wollen uns kaputt machen", fürchtet Genossenschaftsboss Koffi Kouadio. Langfristig aber habe die Kooperative die besseren Preise und es sei ihr Vorteil, dass das Geld auch wirklich ausbezahlt werde.

Als einer der Gründerväter der Genossenschaften gilt Lambert Jungmann, Direktor der Hanns-Seidel-Stiftung in Abidjan. Der Jurist arbeitete elf Jahre lang in der Elfenbeinküste und wird nun sein Werk an einen Nachfolger übergeben, wobei ihm der Abschied nicht leicht fällt. Die von der Stiftung betreuten Kooperativen hätten im ersten Jahr 7400 Tonnen Kakao und im zweiten Jahr bereits 11 261 Tonnen vermarktet, was einem Umsatz von umgerechnet zwölf Millionen Mark entspricht. "Nicht viele Genossenschaften in Schwarzafrika erzielen solche Zahlen", meint Jungmann. Auch früher habe es Kooperativen in der Elfenbeinküste gegeben, die allerdings von Staatsbeamten geleitet und oft korrupt waren. Jungmann versucht das Problem der Korruption im Vorfeld zu bekämpfen. Bestechung sei beispielsweise möglich, wenn Verwalter schlechte Ware annehmen und sie gut bezahlten. Mit einem Kontrollmechanismus versucht Jungmann, der früher beim Bundesrechnungshof gearbeitet hat, dies auszuschalten: Einmal pro Woche müssen die Filialen per Email genaue Kostenberichte liefern, bis zu 30 Kostenstellen sind aufgeführt. Das reicht von durchschnittlichen Benzinkosten pro Kilo Kakao bis hin zu Lohnkosten pro Kilo Kakao. Auch mit einer erhöhten Vergütung und Prämien für die vier Kooperativengeschäftsführer - sie verdienen zwischen umgerechnet 600 und 1200 Mark im Monat - soll der Versuchung widerstanden werden.

Jungmann ist mit seinen Genossenschaften hochzufrieden, fürs neue Jahr würde er sich allerdings "mehr faire und zuverlässige Exporteure" wünschen, die Verständnis für Kooperativen mitbringen. Manchmal erhalte die Genossenschaft von Fresco ein Angebot für ein Termingeschäft, sagt Jungmann, beispielsweise eine Lieferung in wenigen Tagen von 100 Tonnen Kakao. Bei solchen Mengen könne dann der Zusammenschluß der Kleinbauern auch nicht mithalten, solch ein Geschäft gehe dann doch an die libanesischen Aufkäufer.

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