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Wirtschaft: Schon wieder ein neuer Chef für Toll Collect

Die Telekom übernimmt die operative Führung von Daimler-Chrysler und verspricht Maut-Start ab 2005

Hannover/Berlin (vis/fo). Die Deutsche Telekom baut die Geschäftsführung der MautBetreibergesellschaft Toll Collect um. Mit sofortiger Wirkung wird Christoph Martin Bellmer neuer Vorsitzender der Geschäftsführung. Konrad Reiss wird Vorsitzender des Gesellschafterausschusses. Damit stehen jetzt zwei Manager aus dem Haus der Deutschen Telekom an der Spitze der Maut-Firma. Bislang war das Management stark durch den Konsortialpartner Daimler-Chrysler geprägt. Nach dem Debakel durch die mehrmalige Verschiebung des Starttermins und der inzwischen zurückgenommenen Kündigung durch den Bundesverkehrsminister hat die Telekom die Führung bei Toll Collect übernommen.

Insgesamt wurden vier Posten in der Toll-Collect-Geschäftsführung neu besetzt. Zvezdana Seeger übernehme die Verantwortung für Entwicklung und Betrieb der Technologie, sagte Reiss. Sie war zuvor wie Bellmer bei T-Systems tätig. Roland Schell soll sich insbesondere um die Logistik für die Mautendgeräte kümmern. Die bisherigen Geschäftsführer Hans Burghardt Ziermann und Rainer Scholz hätten „die Verantwortung auf eigenen Wunsch abgegeben“, hieß es offiziell. Ziermann war nach den ersten Turbulenzen um die Maut-Einführung im vergangenen Herbst Sprecher der Toll-Collect-Geschäftsführung geworden. Er wird aus dem Unternehmen jetzt ausscheiden.

Mit diesen personellen Entscheidungen „setzen die Konsorten ihre Ankündigung aus der Kanzlerrunde um, dass die Telekom die operative Führung bei Toll Collect übernimmt“, sagte Reiss am Dienstag im Vorfeld der Cebit in Hannover. Jetzt gehe es darum, das System zu testen und einzuführen.

Klare Führungsstrukturen

Neu ist auch, dass Bellmer künftig nicht mehr nur Sprecher, sondern jetzt Vorsitzender der Geschäftsführung von Toll Collect wird. Damit sei eine „klare Entscheidungsstruktur“ im Unternehmen eingeführt worden, sagte Bellmer. Der 40-Jährige war seit September 2003 im Vorstand der T-Systems tätig und dort verantwortlich für Großkunden im Bereich Gesundheit und öffentliche Verwaltung. T-Systems ist der Informationstechnikdienstleister der Telekom. Reiss ist Vorstandschef von T-Systems und Mitglied des Telekom-Konzernvorstands.

Ende Februar hatte sich die Bundesregierung nach monatelangem Streit mit dem Betreiberkonsortium der Maut darauf geeinigt, den Vertrag fortzuführen. Telekom und Daimler-Chrysler halten jeweils 45 Prozent an der Gemeinschaftsfirma, der französische Autobahnbetreiber Cofiroute zehn Prozent. Eigentlich sollte die LKW-Maut bereits seit August 2003 erhoben werden. Jetzt soll das System in einer vereinfachten Variante ab Januar 2005 laufen.

Telekom-Manager Reiss übernimmt die Aufgabe von Peter Mihatsch, der bisher der Vorsitzende des Gesellschafterausschusses war. Mihatsch wird weiterhin im Gesellschafterausschuss bleiben, hieß es am Dienstag in Hannover. „Das Projekt läuft und die Obus funktionieren", versicherte Mihatsch. Obus sind die Bordcomputer, die in den Lastwagen zur Mauterfassung via Satellit installiert werden müssen. Zum ursprünglich geplanten Starttermin im vergangenen August hatten unter anderem diese Bordcomputer nicht funktioniert.

Erste Testphase im Frühjahr

Auch Reiss sagte, es gehe in den kommenden Monaten nicht mehr um grundsätzliche technische Fragen. Alle Systemkomponenten seien fertig und zusammengeführt. Jetzt gehe es darum, sie unter Last zu testen. Die erste Testphase sei noch in diesem Frühjahr geplant. Eine weitere im Verlauf des Jahres. „Wir werden alles daran setzen, den Zeitplan einzuhalten", sagte Reiss. Er fügte allerdings hinzu: „Es gibt kein Nullrisiko.“ In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung hatte er noch am Wochenende gesagt: „Das Risiko, dass das ganze Ding überhaupt nicht funktioniert, ist gleich null.“ Reiss ist zuversichtlich, dass alle technischen Probleme behoben werden können.

Mit der Regierung ist jetzt vereinbart, dass die Vollversion der Maut am 1. Januar 2006 startet. In der Zwischenzeit greifen gestaffelte Vertragsstrafen. Die Gesamtbelastung für die Konsorten steigt auf maximal eine Milliarde Euro im Jahr 2005. Darüber hinaus kann der Bund parallel ein neues Maut-Erfassungssystem ausschreiben, sollte die Toll-Collect-Mauttechnik im Sommer 2005 immer noch nicht laufen. Die zusätzlichen Schadenersatzforderungen des Bundes sollen vor einem Schiedsgericht verhandelt werden.

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