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Wirtschaft: „Schrempp winkt ein astronomisches Vermögen“

Wirtschaftsjurist Adams beziffert das Aktienoptionsprogramm auf Milliarden / Deutsche Mitbestimmung „weltweit einzigartiges bürokratisches Monster“

DaimlerManager haben nach der Rücktrittsankündigung Jürgen Schrempps Millionen mit dem Verkauf von Aktienoptionen verdient. Ist das in Ordnung?

Das Optionsprogramm von Daimler-Chrysler war ein Missstand. Dort wurden im Ergebnis Milliarden ohne wirkliche Gegenleistung an Führungskräfte und Vorstände verschenkt. Der Verkauf der Optionen in den letzten Tagen hatte vor allem einen Grund: Die Optionen wurden durch den Rücktritt von Schrempp zum ersten Mal gut verkäuflich. Dass Eckhard Cordes und seine Kollegen da einige 100 000 Stück von den Millionen aus ihrem Bestand verkauft haben, kann man ihnen nicht verübeln.

Ist es denn richtig, dass Manager eines Unternehmens, dessen Börsenwert sich in den vergangenen Jahren halbiert hat, offenbar trotzdem Optionen bekommen haben?

So, wie das bei Daimler gelaufen ist, war es nicht in Ordnung. Die verlangte Gegenleistung war lachhaft. Aktionäre haben das Programm ja auch angefochten, weil nicht mal gesagt wurde, wie teuer es wird. Und es war unglaublich teuer.

Wie teuer?

Wir wissen es nicht genau. Aber geht um eine Größenordnung von ein bis zwei Milliarden Euro. Das Programm hatte schwerste Fehler. Insbesondere der Umstand, dass der Aufsichtsrat die Optionen immer billiger machte, wenn der Kurs des Unternehmens sank, steigerte die Gewinnmöglichkeiten des Managements nochmals um das Sechsfache.

Die Manager konnten gar nicht verlieren?

Schlimmer noch: So, wie das Programm war, verdienten die Vorstände umso mehr, je stärker die Aktie vor einer Erholung wie jetzt beim Rücktritt von Schrempp gefallen war.

Und das soll niemand erkannt haben?

Ich glaube nicht, dass die Sache bewusst so gestrickt wurde. Man hatte ja wenig Erfahrungen mit solchen Angelegenheiten und orientierte sich an Modellen, die es in den USA gab. Die waren leider vornehmlich auf eine Bereicherung der Manager ausgerichtet. Der Aufsichtsrat wurde dabei wohl übertölpelt.

Der Vorstand hat es schon verstanden?

Sicherlich spätestens seit 2002. Einige Jahre später haben sich die Aufsichtsräte bewegt und das Programm deutlich besser an die Leistungen angepasst. So sind die Vergütungen im Jahr 2004 gegenüber 2002 um rund 40 Prozent gesunken. Von einem sehr hohen Niveau.

Warum so spät?

Man muss gerade im Fall Daimler-Chrysler auf die Verhältnisse schauen, unter denen das Programm entstand. 1998, als Chrysler übernommen wurde, verdiente der Chef von Daimler der Größenordnung nach rund 600 000 Euro. Sein US- Kollege bekam ein Vielfaches davon, obwohl Mercedes das bessere Unternehmen war und deshalb Chrysler übernehmen konnte. Der abgelöste Chef von Chrysler, Bob Eaton, hat allein 70 Millionen Dollar erhalten, nur damit er aufhört. Da war schnell klar, dass das Vergütungssystem im neuen deutsch-amerikanischen Konzern neu geordnet werden musste. Und es war leider auch schnell klar, dass es sich an den schlechten US-Verhältnissen orientieren sollte.

Daimler-Manager machen jetzt Kasse.

Es ist nicht so, dass mit Cordes, Bölstler und Walker der Kapitän und die Matrosen am ahnungslosen Publikum vorbei grußlos zum Rettungsboot gestürmt sind, weil sie wissen, dass das Schiff leck ist. Das wäre ein starkes Stück und wäre wegen der Verpflichtung zu entsprechenden Meldungen rechtswidrig. Es zeigt eher, dass die Manager schwache Nerven und wenig Zuversicht haben: Die 2002er und 2003er Optionen waren mit dem Rücktritt Schrempps und dem folgenden Kurssprung offenbar erstmals ins Geld gekommen und damit für die Manager mit Gewinn verkäuflich. Dass sofort verkauft wurde, zeigt ein gewisses Misstrauen in die weitere Entwicklung des Unternehmens, auch wenn sie noch auf den größtem Teil der Optionen sitzen und Diversifikation für sie sinnvoll ist.

Was passiert mit den Optionen, die von den Managern nicht eingelöst wurden?

Wenn Jürgen Schrempp die Nerven behält und sein Nachfolger Dieter Zetsche den Unternehmenswert verdoppelt und wieder in die Nähe des Kurses bringt, bei dem Schrempp angefangen hat, dann erzielt Schrempp auch mit seinen bisher noch wertlosen Optionen zukünftig ein astronomisches Vermögen. Schrempp wird mit seinen Optionszuteilungen der große Gewinner sein, wenn Daimler-Chrysler wieder nach oben kommt.

Ist das gerecht?

Nein. Geldgier bei Vorständen und allen Menschen ist eine Charakterfrage. Entscheidend ist, dass es nicht möglich ist, dass jemand seine Gier ohne Gegenleistung befriedigen kann. Ein Unternehmen darf nicht so organisiert sein, dass man jemandem eine Goldkiste hinstellt, das Licht ausmacht und versichert, dass nicht nachgezählt wird. Da wären nur Heilige bescheiden. Niemand sollte einer solchen Versuchung ausgesetzt werden.

Ist Besserung in Sicht?

Erfreulicherweise haben SPD und CDU vor kurzem durch Gesetz vom nächsten Jahr an die vollständige Transparenz der Vergütungen bei börsennotierten Gesellschaften hergestellt. Das Sonnenlicht der Öffentlichkeit wird damit Vergütungsexzesse verhindern. Das Land ist umfassend modernisiert worden. Die vielfältig vernetzte Deutschland AG hat sich aufgelöst, Banken und Versicherungen haben den größten Teil ihrer Beteiligungen verkauft. Jetzt bleibt nur noch das weltweit einzigartige bürokratische Monster der paritätischen Mitbestimmung in Großunternehmen, das beseitigt werden muss.

Warum?

In allen Großunternehmen ab 2000 Arbeitnehmern müssen in Deutschland die Hälfte der Aufsichtsratssitze an Arbeitnehmervertreter und Gewerkschafter vergeben werden. Filz und Unwirtschaftlichkeit werden über die Mitbestimmung im Aufsichtsrat in die Unternehmensleitungen hereingetragen. Die Skandale bei VW verdeutlichen das. Die deutschen Vorstände stehen in ihren Entscheidungsmöglichkeiten und vor allem in ihren Karriererücksichten unter Gewerkschaftsdruck. So braucht man zunächst eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Aufsichtsrat, um überhaupt den Sprung in den Vorstand zu schaffen. Dies bedeutet, dass auf Grund der flächendeckenden Macht der Gewerkschaften jeder Manager gut beraten ist, sich niemals gegen die Gewerkschaften und deren Interessen zu stellen, auch wenn dies im Interesse des Unternehmens dringend geboten wäre.

Das stellen die hiesigen Unternehmen, vom Manager bis zum Aufsichtsrat, anders dar.

Kein Wunder. Jeder, der laut sagt, dass die Mitbestimmung für diese Missstände verantwortlich ist, kann seine Karriere abhaken. Der wird nirgendwo wieder etwas. Deshalb hören Sie überall das Lob der Mitbestimmung. Privat hört sich das anders an. VW ist ein gutes Beispiel für die Zustände, die sich aus der Mitbestimmung im Aufsichtsrat und im Betrieb ergeben. Die Unternehmensleitung ist diesen Machthebeln weitgehend ausgeliefert, die Betriebsratsmitglieder haben ein erhebliches Erpressungspotential, auch für sich persönlich aus dem Unternehmen Geld und Lustreisen herauszuholen.

Wenn die deutschen Unternehmen immer noch hohe Gewinne machen, ist das Erpressungspotenzial nicht so hoch, oder?

Sie können auch bei dieser Struktur noch hohe Eigenkapitalverzinsungen erzielen. Das Problem ist nur, dass diese nur dadurch hoch sind, weil die Unternehmen wegen der Mitbestimmungsrisiken um rund ein Drittel vom Kapitalmarkt abgewertet wurden. Noch bedrückender ist, dass viele ausländische Investoren seit Jahrzehnten Deutschland links liegen lassen, weil sie den sachwidrigen Einfluss von Gewerkschaften nicht wollen. Am Ende müssen die Deutschen die Zeche in Form von weniger Arbeitsplätzen zahlen.

Das Gespräch führte Ursula Weidenfeld.

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