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Wirtschaft: „Schub bis zum Aufschwung“

Verkehrsminister Stolpe will Finanzhilfe an Kommunen vereinfachen und ist skeptisch bei Arbeitsmarktreformen

Von Cordula Eubel

und Bernd Hops

Das Konjunkturprogramm für die Kommunen wird nach Ansicht von Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) nicht flächendeckend Wirkung entfalten. „Einige Städte werden Schwierigkeiten haben, quer durch Deutschland“, sagte Stolpe dem Tagesspiegel am Sonntag. Grund ist, dass sich gerade finanzschwache Gemeinden selbst die stark verbilligten Kredite nicht leisten können. Die Bundesregierung will deshalb spezielle Konditionen für diese Kommunen bieten. Es werde an Zwischenfinanzierungen gearbeitet, sagte Stolpe. Skeptisch beurteilt der für den Aufbau Ost zuständige Minister auch die Arbeitsmarktreformen, die Kanzler Gerhard Schröder (SPD) in seiner Regierungserklärung angekündigt hat.

Den Kommunen hat Schröder ein Investitionsprogramm für zinsverbilligte Kredite in Höhe von 15 Milliarden Euro versprochen. Sieben Milliarden Euro stehen für längerfristige Projekte in den Bereichen Wasser und Abwasser, Abfallwirtschaft sowie kommunale und soziale Infrastruktur zur Verfügung. Acht Milliarden Euro sollen der Bauwirtschaft und dem Handwerk für die private Wohnungssanierung zu Gute kommen. Finanziert wird das Programm über die Kreditanstalt für Wiederaufbau. Die kommunalen Spitzenverbände nannten das Programm einen „Tropfen auf den heißen Stein“. Ökonomen verurteilten das Programm als „Strohfeuer“, das keine nachhaltige Wirkung zeigen werde.

Hilfe für den Bau

Stolpe verspricht sich von dem Programm einen „Schub in die Bauwirtschaft“. Er rechne damit, dass die vom Bund gegebenen Mittel die dreifachen Investitionen auslösen könnten. „Der Schub ersetzt natürlich keinen Aufschwung“, räumte Stolpe ein. Aber als „Sofortmaßnahme“ könne das Programm bereits im Frühjahr erste Wirkungen zeigen, die bis ins kommende Jahr reichen würden.

Der Bauminister bedauerte, dass es nicht möglich gewesen sei, Investitionszuschüsse in großem Umfang zu vergeben. Finanzminister Hans Eichel (SPD) hatte sich gegen ein milliardenschweres Konjunkturprogramm gewehrt, weil dafür die Neuverschuldung in jedem Fall hätte ausgeweitet werden müssen. Gewerkschaften und Teile der SPD-Linken hatten immer wieder ein Investitionsprogramm gefordert, um damit die Wirtschaft anzukurbeln.

Regierungspläne für stärkere Sanktionen für Arbeitslose lassen sich nach Ansicht des Ministers nicht überall in den neuen Bundesländern anwenden. Die Arbeitspflicht für junge Menschen unter 25 Jahren funktioniere als „Drohkulisse in Regionen, in denen es Arbeit gibt – aber nicht in Gegenden wie der Lausitz oder Uckermark, in denen hohe Arbeitslosigkeit herrscht“. Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) hatte eine Arbeitsplatz- oder Ausbildungspflicht angeregt, mit der er die Jugendarbeitslosigkeit auf Null reduzieren will. Wer die Arbeit verweigert, dem sollen die staatlichen Transfers gestrichen werden. Mit den kommunalen Spitzenverbänden führt die Regierung Gespräche über Beschäftigungsmöglichkeiten. Jugendliche müssten sich auch darauf einstellen, in Zukunft „im Wald Laub zu fegen“, heißt es in der SPD-Fraktion. Städte und Gemeinden sehen die Pläne mit Vorsicht, weil die Kosten schwer kalkulierbar sind.

Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit im Osten bezeichnete Stolpe Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) als „unverzichtbar“ für die neuen Bundesländer, so lange es ein „riesiges Missverhältnis zwischen Arbeitsbereitschaft und Jobangeboten“ gebe. Die Arbeitslosen seien „keine Faulenzer, die von einer Hängematte in die nächste springen wollen“. Der Chef der Bundesanstalt für Arbeit (BA), Florian Gerster, hatte mehrfach dafür plädiert, ABM zu reduzieren, weil die Maßnahmen häufig Arbeitslose nur „parken“. Dass diese aber zumindest für eine Übergangszeit beibehalten werden sollen, hatte der Kanzler in seiner Reformrede klar gemacht. Gebe es die Maßnahmen nicht, drohten die Menschen „ins soziale Aus zu rutschen“, warnte auch Stolpe. Woher das Geld komme, sei ihm zunächst egal. Entweder müsse es bei der BA oder auf andere Weise erwirtschaftet werden. Gerster fordert, sozialpolitische Maßnahmen wie Beschäftigungsprogramme in Zukunft über Steuern zu finanzieren – und nicht aus den Beitragsmitteln der BA.

Der BA-Chef steht unter starkem Finanzdruck, weil er der Bundesregierung zugesagt hat, in diesem Jahr keinen Bundeszuschuss zum Ausgleich des Defizits zu benötigen. Angesichts der steigenden Arbeitslosenzahlen wird dieses Ziel jedoch immer unwahrscheinlicher. Gerster hat daher angeregt, versicherungsfremde Leistungen in Höhe von mehr als fünf Milliarden Euro nicht aus dem Haushalt der BA zu finanzieren, sondern aus dem Steueraufkommen.

In der Debatte um den Kündigungsschutz warnte Stolpe davor, „alles, was zum Selbstverständnis der Sozialdemokratie gehört, zum Abschuss freizugeben“. Auch wenn der Kanzler eine Flexibilisierung wünsche, werde der Kündigungsschutz „in der Substanz bleiben“. Mit Skepsis sieht Stolpe vor allem die Idee, den Kündigungsschutz zu lockern. Derzeit gilt in Betrieben mit bis zu fünf Mitarbeitern überhaupt kein Kündigungsschutz. Allein dadurch, dass diese Schwelle angehoben werde, entstehe noch kein wirtschaftlicher Aufschwung. Von einer solchen Neuregelung wären in den neuen Bundesländern viele Arbeitnehmer betroffen, weil es dort eine große Zahl von kleinen Betrieben gibt. Regierung und SPD-Fraktion hätten im Kündigungsschutz „eine spannende Diskussion“ vor sich, sagte Stolpe.

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