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Abtransport. Eine Ermittlerin lädt vor der Schlecker-Zentrale in Ehingen Akten in ihren Wagen. Foto: dpa

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Wirtschaft: Schulden und Sühne

Die Justiz ermittelt bei Schlecker wegen Insolvenzverschleppung, Untreue und Bankrotts.

Berlin - Als sich die Kinder von Anton Schlecker vor knapp einem Monat an die Öffentlichkeit wandten, gestanden sie ein, dass die Familie nicht rechtzeitig gehandelt hatte. „ Wir haben zu spät begonnen, konsequent und mit allem Nachdruck gegenzusteuern“, sagten Lars und Meike Schlecker zur Pleite der einst größten deutschen Drogeriekette. Zugleich beteuerten sie, dass die Zahlungsunfähigkeit, die Anton Schlecker Ende Januar bekannt gegeben hatte, nicht absehbar gewesen sei: „Die eigentliche Insolvenz hingegen hat sich aus unserer Sicht innerhalb eines sehr kurzen Zeitraums zugespitzt.“

Daran aber haben die Behörden nun erhebliche Zweifel. Die Stuttgarter Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftsstraftsachen leitete am Mittwoch ein Ermittlungsverfahren gegen Anton Schlecker und 13 weitere Beschuldigte ein. Es gehe um den Verdacht der Untreue, der Insolvenzverschleppung und des Bankrotts. „In unserer Vorprüfung hat sich ein Anfangsverdacht bestätigt“, sagte Staatsanwältin Claudia Krauth. Ermittelt werde gegen „Verantwortliche“, dazu gehörten auch Mitarbeiter des Unternehmens. Namen wollte die Behörde nicht nennen.

Es habe „seit langem und immer wieder“ Vermögensverschiebungen gegeben, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Dadurch seien die Gläubiger von Schlecker möglicherweise geschädigt worden. Neben Grundstücken seien den bisherigen Ermittlungen zufolge auch andere Wertgegenstände transferiert und damit der Insolvenzmasse möglicherweise entzogen worden.

Am Mittwoch gab es auch bundesweite Razzien bei Schlecker. Die rund 160 Ermittler stellten nach Angaben der Polizei umfangreiche Unterlagen und Dateien sicher. Vor der Zentrale der Drogeriekette in Ehingen fuhren sie mit drei Transportern vor. Auch zwei weitere Firmenräume im baden-württembergischen Alb-Donau-Kreis, in dem auch der Schlecker-Firmensitz liegt, sowie einen Geschäftsraum in der Region Osnabrück, wo die Tochter Ihr Platz angesiedelt ist, wurden durchsucht. Zudem gab es Razzien in Wohnungen – darunter auch in Schleckers Privatvilla – im Raum Ulm, in Berlin, Bayern, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen. Schlecker-Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz wolle die Ermittlungen „nach allen Kräften unterstützen“, teilte ein Sprecher mit.

Video: Razzia bei Schlecker

Auf das laufende Insolvenzverfahren haben die Ermittlungen erst einmal keine Auswirkungen. Sollte sich der Verdacht bestätigen, gilt zumindest rein rechtlich eine verschärfte Haftung gegenüber den Gläubigern. Die dürften aber kaum etwas davon haben. „Davon wird die Insolvenzmasse auch nicht größer“, sagt Daniel Bergner, Geschäftsführer des Verbands Insolvenzverwalter Deutschlands (VID). Zu den Gläubigern gehören neben dem Kreditversicherer Euler Hermes weitere Lieferanten, die Vermieter und die 25 000 Beschäftigten der Kette, die ihren Job verloren haben. Die offenen Forderungen belaufen sich bisher auf 665 Millionen Euro.

Die Gläubiger müssen nun hoffen, dass die restlichen Unternehmensteile nicht verschleudert werden. Denn die Erlöse aus den Verkäufen der Auslandstöchter fließen direkt in die Insolvenzmasse. Zudem prüft Geiwitz alle Übertragungen von Vermögenswerten Anton Schleckers an die Kinder oder die Ehefrau aus den vergangenen zehn Jahren. Sollte sich der Verdacht der Vermögenverschiebung bestätigen, können möglicherweise Teile in die Insolvenzmasse zurückgeholt werden.

Experten zufolge sind Ermittlungsverfahren bei Insolvenzen nichts Ungewöhnliches. „Dem Unternehmer, in diesem Fall Schlecker, muss nun erst einmal ein Vorsatz nachgewiesen werden“, sagt Bergner. Anton Schlecker selbst kann als Einzelperson in der Rechtsform eingetragener Kaufmann (e.K.) nicht wegen einer Insolvenzverschleppung belangt werden. Anders ist die Lage bei den Schlecker-Töchtern Ihr Platz und Schlecker XL, die GmbHs sind. Sollte sich Anton Schlecker schuldig gemacht haben, griffen die Straftatbestände Untreue oder Bankrott, die laut Gesetz je mit bis zu fünf Jahren Gefängnis geahndet werden können. Der Berliner Insolvenzexperte Paulus Christoph warnt aber vor voreiligen Schlüssen: „Ich halte Anton Schlecker für einen alten Patriarchen, der den Bodenkontakt verloren hat. Ich sehe nichts Betrügerisches, sondern wirtschaftliche Dummheit.“

Insolvenzverschleppung sei in Deutschland ein „Massenphänomen“, sagt Bergner vom VID. „Viele Unternehmer hoffen zu lange auf Besserung und haben zudem Angst vor der gesellschaftlichen Ächtung, die mit einer Insolvenz einhergehen kann.“ Das neue Insolvenzrecht, das bei frühzeitiger Meldung die Sanierung von Firmen in Eigenregie ermöglicht, soll diesem Trend entgegenwirken. Für den Firmenpatriarchen Anton Schlecker kommt es zu spät. mit dpa

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