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Castello Orsini in Soriano. Auch dieses mittelalterliche Schloss auf dem Monti Cimini in Mittelitalien steht zum Verkauf.

© Mpietrasik

Schuldenkrise: Alles muss raus

Italiens Finanzminister Vittorio Grilli will staatliche Immobilien verkaufen, um den Schuldenberg zu reduzieren.

Zumindest die letzte Steigerung, die war nicht selbst verschuldet. Und sie war für einen guten Zweck. Italiens Schulden, sagte Regierungschef Mario Monti kürzlich, machten dieses Jahr 123,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus – aber nur, weil Italien die Hilfen für andere europäische Krisenländer mitfinanziere. „Ohne diese Zahlungen lägen unsere Schulden bei 120,3 Prozent“, sagt Monti. Der Unterschied beträgt knapp 48 Milliarden Euro. „Italien selbst hat nicht einen einzigen Euro erhalten“, stellte Monti klar.

Alarmierend sind die Zahlen trotzdem: Italien steht derzeit mit 1960 Milliarden Euro in der Kreide; noch in diesem Jahr könnte die Schwelle von zwei Billionen Euro überschritten werden. In den vergangenen neun Monaten hat die „Technokraten“-Regierung um Mario Monti den Haushalt mit Steuererhöhungen und einer Reform der öffentlichen Ausgaben so weit gefestigt, dass nun ein Primärüberschuss in den Büchern steht: Das heißt, dass alle Ausgaben außer den Zinszahlungen aus den laufenden Einnahmen finanziert werden können. Jetzt geht es an das Abtragen der Staatsschulden selbst. Wie Italien diese Herkulesaufgabe angehen soll, darüber diskutieren Regierung, Parteien und Wirtschaftswissenschaftler.

Eigentlich wäre alles ganz einfach. Wenn sich auch nur die Hälfte der italienischen Steuersünder zur Ehrlichkeit bekehrte, könnte der Staat mit jährlich 60 Milliarden bis 70 Milliarden Euro an zusätzlichen Einnahmen rechnen. Damit ließe sich der Schuldenstand innerhalb von fünf, sechs Jahren schon einmal auf die Höhe des Bruttoinlandsprodukts senken. Noch schneller, nämlich schlagartig, ginge das nach Ansicht von Wirtschaftsprofessoren, wenn Rom sich entschlösse, die Vermögen der Superreichen anzuzapfen; dann kämen sogar bis zu 500 Milliarden Euro zusammen. Rechnerisch zumindest. Praktisch-politisch haben beide Ideen nicht den Hauch einer Chance.

Ein Staat in Geldnot aber, der seine Bürger nicht weiter anzapft, muss sich selbst abschöpfen. Deshalb laufen alle Vorschläge zur Schuldentilgung im Kern darauf hinaus, dass sich Regierung, Regionen und Kommunen von ihrem Immobilienbesitz und ihren Industriebeteiligungen trennen. Einmal ist das schon gut gegangen. Aus der massenhaften Privatisierung staatlicher Unternehmen zwischen 1990 und 2005 hat Italien 100 Milliarden Euro erlöst. Damit ist es nach Angaben des Finanzministeriums gelungen, den Schuldenstand von 121 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf 106 Prozent zu drücken.

Weit weniger, nur vier Milliarden Euro, brachte der Verkauf von Immobilien – damals schon. Weshalb also, so fragen sich Wirtschaftsexperten, sollte das heute gut gehen, in der Krise, bei einem stark eingebrochenen Immobilienmarkt? Und was die staatlichen Industriebeteiligungen betrifft: So furchtbar viele sind nicht übrig geblieben.

Trotzdem hält Finanzminister Vittorio Grilli im ersten Schritt den Verkauf von 350 staatlichen Gebäuden für möglich – von engen Sozialwohnungen über weitläufige Kasernenanlagen in bester Stadtlage bis hin zu mittelalterlichen Schlössern. 1,5 Milliarden Euro soll das schon 2013 bringen. Zusammen mit dem Verkauf staatlicher und kommunaler Beteiligungen denkt der Finanzminister, in den kommenden fünf Jahren bis zu 100 Milliarden Euro einnehmen und den Schuldenstand um fünf bis sieben Prozentpunkte drücken zu können.

Den vierfachen Ertrag im selben Zeitraum verspricht Silvio Berlusconis „Volk der Freiheit“. Die Experten der Partei schlagen vor, alles, was im Staat Italien gut und wertvoll ist, einem privaten Fonds zu übertragen; dieser solle Anleihen ausgeben, die wegen der Sicherheiten, die dem Fonds zugrunde liegen, das allerbeste Rating erhielten. Damit könne der Fonds dem weniger euphorisch bewerteten italienischen Staat unter die Arme greifen.

Wirtschaftsprofessoren um den früheren Regierungschef Giuliano Amato setzen – ebenso wie Finanzminister Grilli – bei den allfälligen Veräußerungen nicht auf private Fonds, sondern auf die „Cassa depositi e prestiti“ (CDP). Sie wird zu 70 Prozent vom Finanzministerium, zu 30 Prozent von den freien Sparkassenstiftungen getragen und spielt eine ähnliche Rolle wie in Deutschland die KfW-Bankengruppe, die Förderbank des Bundes und der Länder. Die Bilanz der CDP steht außerhalb des Staatshaushalts, aber der Staat kann die Erlöse nutzbar machen und Verluste werden nicht unter den Staatsschulden verbucht.

Das heißt: Durch den Verkauf von Immobilien und Beteiligungen an die CDP könnte Italien seine Schulden bilanztechnisch vermindern, ohne etwas aus der Hand geben zu müssen. Der Plan würde also auch in Krisenzeiten funktionieren. Wie gangbar dieser Weg ist, wird die Diskussion zeigen. Eine wochenlange Sommerpause „all’italiana“ jedenfalls gönnt sich diese Regierung nicht. Am Freitag kommender Woche tritt sie wieder zusammen – mit konkreten Vorschlägen. So hat es Mario Monti seiner Mannschaft verordnet.

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