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Wirtschaft: Schumachers Umzugsplan liegt auf Eis

Aufsichtsrat und Gewerkschaft bremsen den Infineon-Chef / Münchener Chiphersteller schreibt weiter rote Zahlen

München (nad). InfineonChef Ulrich Schumacher hat wenig Grund zur Freude: Zwei Projekte, mit denen der einstige Börsenstar den Münchener Halbleiter-Konzern auf Profitabilität und Erfolgskurs trimmen wollte, liegen derzeit auf Eis. Zudem macht Infineon der harte Preiskampf unter den Herstellern von Speicherchips schwer zu schaffen. Am heutigen Dienstag wird der Konzern seinen Anlegern zum neunten Mal in Folge einen Quartalsverlust präsentieren.

Von seiner Idee, eine streng nach Leistung orientierte Unternehmenskultur einzuführen, musste sich Schumacher nach massivem Druck des Betriebsrats verabschieden. Der ursprüngliche Plan: Jeder Vorgesetzte sollte etwa fünf Prozent seiner Mitarbeiter identifizieren, die er für besonders leistungsschwach hält. Diese sollten dann nach dem Vorbild von US-Unternehmen ausgesiebt werden. „Dieses Thema ist glücklicherweise für Deutschland gestoppt", sagte Gesamtbetriebsrat Klaus Luschtinetz dem Tagesspiegel. Und zwar erst, nachdem der Betriebsrat mit einer Klage vor dem Arbeitsgericht gedroht hatte. Ganz ist das von Schumacher geplante Leistungsprinzip aber noch nicht aus der Welt: Luschtinetz zufolge wird der Betriebsrat in nächster Zeit mit dem Management darüber verhandeln, wie es möglichst sozialverträglich umgesetzt werden könnte. Die Münchener IG Metall kündigte jedoch bereits an, dass ein solches Leistungsprogramm mit den Gewerkschaften „auf keinen Fall zu machen" sei.

Auch bei seinem Lieblingsthema, der möglichen Verlagerung des Infineon-Firmensitzes von München ins Ausland, ist Schumacher in den vergangenen Wochen auffällig wortkarg geworden. Noch im Frühjahr dieses Jahres erzählte der Manager gerne bei jeder Gelegenheit, er gebe sein Geld lieber für Forschung, Entwicklung und gute Mitarbeiter aus als für hohe Steuern in Deutschland und denke daher über eine Standort-Verlagerung nach. Bei der konzerninternen Prüfung nahmen die Finanzexperten des Unternehmens unter anderem die Schweiz, Singapur und die USA als potenziellen Sitz der Konzernzentrale unter die Lupe. Schumacher verwies darauf, dass Konkurrenten wie ST Microelectronics mit diesem Modell jede Menge Kosten sparten. Doch aus den Plänen wird vorerst nichts: Der Aufsichtsrat bremste den Konzernchef scharf aus und beschloss, das Thema ruhen zu lassen. „Momentan wird die ganze Standortdebatte im Unternehmen totgeschwiegen", bestätigt ein Mitarbeiter dem Tagesspiegel. Im Unternehmen wird nicht erwartet, dass das Verlagerungsthema vor Ende des Jahres wieder aufflammt. Ein Infineon-Sprecher sagte, es sei von Anfang an geplant gewesen, bis Jahresende eine Entscheidungsvorlage zu haben. Dabei bleibe es. Immerhin hat Schumacher durchgesetzt, dass schon einmal einzelne Bereiche in Niedriglohnländer verlagert werden: So wurde beschlossen, dass die Buchhaltung mit etwa 100 Mitarbeitern von Portugal aus erledigt wird; die meisten sind schon umgezogen. Die Verantwortung für den Geschäftsbereich Automobile- und Industrieelektronik wurde ins österreichische Villach verlagert. Weitere Dienstleistungsbereiche, wie etwa die Personalabteilung, stehen nach Angaben des Sprechers auf dem Prüfstand. Zurzeit hat Schumacher ohnehin andere Sorgen: Analysten rechnen bei der heutigen Vorlage der Quartalszahlen mit einem Verlust vor Steuern und Zinsen von 130 bis 195 Millionen Euro. Dies wäre mehr als im Vorjahr, als Infineon nur 107 Millionen Euro Verlust machte, aber deutlich besser als im Vorquartal (223 Millionen Euro Minus). Beim Umsatz rechnen die Analysten mit stabilen 1,4 Milliarden Euro. Infineon kämpft nach wie vor mit dem schwachen Speichergeschäft.

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