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Hoffentlich gut versichert. Wenn der Blitz in eine Windenergieanlage einschlägt, kann das teuer werden. Foto: dpa/pa

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Wirtschaft: Schutz vor Blitz, Schatten und Flaute Versicherer entdecken die erneuerbaren Energien. Sie erfinden lauter neue Policen

Berlin - Während Politiker aus 192 Ländern dieser Tage im südafrikanischen Durban – bisher ohne Erfolg – um ein neues Klimaschutzabkommen ringen, schafft die Wirtschaft Fakten: Weltweit werden immer mehr Windparks, Solarkraftwerke und Biomasseanlagen installiert. Schuldenkrise hin oder her.

Berlin - Während Politiker aus 192 Ländern dieser Tage im südafrikanischen Durban – bisher ohne Erfolg – um ein neues Klimaschutzabkommen ringen, schafft die Wirtschaft Fakten: Weltweit werden immer mehr Windparks, Solarkraftwerke und Biomasseanlagen installiert. Schuldenkrise hin oder her. Anlagenhersteller machen steigende Umsätze, Konzerne wie Siemens mehrere Milliarden Euro im Jahr. Das Geschäft mit Ressourcen- und klimaschonender Energieerzeugung ist mittlerweile so groß, dass auch die Versicherungswirtschaft Gefallen daran gefunden hat und immer neue Produkte entwickelt.

Zunächst kamen klassische Policen auf den Markt, die im Schadensfall greifen. Anbieter lassen dabei manches Risiko größer erscheinen, als es ist. Typisch Assekuranz eben. Große Zahlen sollen schocken: So listet etwa die Ergo-Versicherung in einem Prospekt angeblich echte Schadenfälle auf: „In den Rotor einer Windenergieanlage schlug der Blitz ein. Die Gondel brannte total aus: Schaden 750 000 Euro“, heißt es da. In einem Biomassekraftwerk sei es infolge eines Bedienungsfehlers zu einem Turbinenschaden gekommen: 230 000 Euro.

Bei Ergos Muttergesellschaft Munich Re ist man mindestens einen Schritt weiter: Dort hat man Modelle entwickelt, von denen Kunden profitieren können – ohne dass erst der Blitz einschlagen muss. Ein Prinzip dahinter lautet: Auch die Zeit nagt an den Anlagen.

In diesem Sinne hat der weltgrößte Rückversicherungskonzern Ende Juli zum Beispiel einen Vertrag mit dem japanischen Unternehmen Solar Frontier geschlossen, dem größten Hersteller von Dünnschicht-Modulen. Die Münchner sichern die langjährige Leistungsgarantie ab, die Solar Frontier seinen Kunden weltweit gewährt. Letztere, das sind Betreiber oder Investoren von Solarparks, können sich nun sicher sein, dass sie eine Entschädigung erhalten, sollten die Module doch früher als gedacht festgelegte Leistungsschwellen unterschreiten.

Man verhelfe den Anlagenherstellern zu einem finanziellen Vorteil, sagt Thomas Blunck, der im Munich-Re-Vorstand für dieses junge Geschäftsfeld verantwortlich ist. Diese müssten sonst für ihre Leistungsgarantie, die meist 20 bis 25 Jahre wirksam sei, eine Rückstellung in der Bilanz bilden. „Wenn wir das Risiko übernehmen, kann der Hersteller seine Bilanz unter gewissen Umständen entlasten. Das setzt Kapital frei und erlaubt es den Herstellern, dieses für Wachstum einzusetzen“, sagt Blunck.

Gerade besonders ehrgeizige Projekte könnten ohne derartigen Versicherungsschutz gar nicht realisiert werden. So hat der amerikanische Industrieversicherer Marsh, der in 100 Ländern tätig ist, in diesem Jahr den Aufbau und Betrieb des Offshore-Windparks Global Tech I abgesichert. Mehr als zwei Jahre hatten die Marsh-Experten das Projekt geprüft und begleitet, bei dem im kommenden Jahr 80 Windräder 180 Kilometer vor Bremen in 40 Meter tiefer Nordsee aufgestellt werden sollen. Ohne den Vertrag hätte kein Investor grünes Licht gegeben.

Neben den bereits existierenden Angeboten für Absicherungen gegen Schäden durch Naturgewalten und nachlassende technische Performance, könnte bald eine ganz neuartige Versicherung dazukommen: Konkret arbeitet die Munich Re an einem Schutz vor Windflauten oder länger ausbleibendem Sonnenschein: „Tatsächlich können wir ziemlich gut modellieren, wie viel Wind es in bestimmten Zonen gibt. Dieses Wissen können wir Kunden auch als Dienstleistung bereitstellen und sie dann dagegen absichern, sollte dort in einem Jahr mal nicht so viel Wind wehen“, sagt Blunck. Ab kommendem Jahr wolle man derartige Produkte auch vermarkten.

Blunck glaubt, dass die Munich Re mit diesen neuen Policen, die über den bekannten Schutz vor Sachschäden hinausgehen, im gesamten Segmenten der Erneuerbaren in etwa vier bis fünf Jahren einen Umsatz im mittleren dreistelligen Millionenbereich erwirtschaften kann. „Im Verhältnis zu unserem gesamten Prämienvolumen ist das noch nicht so viel, aber es hat eine strategisch wichtige Bedeutung, weil es ermöglicht, Kunden im Bereich der erneuerbaren Energien auch weitere Produkte zu verkaufen“, sagt er. Auf Herstellerseite sieht er diese derzeit vor allem in Deutschland, Frankreich, China, Japan und den USA. Aber auch Brasilien, das zunehmend auf Erneuerbare setzt, werde als Markt interessant.

Grüne Energietechnik kommt – mit oder ohne Klimaschutzabkommen. Dennoch hoffen Versicherer, dass sich die Staaten einigen und der Klimawandel gebremst werden kann. Denn gelingt das nicht und nimmt die Heftigkeit von Unwettern weiter zu, ist nicht Rost am Windrad das größte Problem, sondern doch der Blitz. Und das kann teuer werden – nicht nur für Munich Res Tochter Ergo.

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