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Wirtschaft: Schwacher Arbeitsmarkt gefährdet Amerikas Aufschwung

US-Unternehmen schaffen im Februar kaum neue Jobs – das beunruhigt die Börsen und treibt den Euro-Wechselkurs in die Höhe

Berlin (brö). Der amerikanische Arbeitsmarkt hat sich im Februar deutlich schwächer entwickelt als erwartet. Die Zahl der Beschäftigten stieg nur um 21000, wie das USArbeitsministerium am Freitag in Washington mitteilte. Experten hatten mit einem Anstieg um 125000 Beschäftigte gerechnet. Nun halten viele den Aufschwung in den USA und damit auch im Rest der Welt für gefährdet. Die Börsen knickten nach Bekanntgabe der Daten ein und erholten sich nur langsam, der Euro beendete die Talfahrt der vergangenen Tage und legte deutlich zu.

Der Arbeitsmarkt gilt als Schwachstelle des Aufschwungs in den Vereinigten Staaten. Zwar wuchs die Wirtschaft Ende 2003 mit einer Jahresrate von 4,1 Prozent (Vorquartal: 8,2 Prozent), doch für neue Stellen hat die Expansion bis heute kaum gesorgt. Im Februar gingen die neu geschaffenen Arbeitsplätze nahezu ausschließlich auf das Konto des öffentlichen Dienstes. Die Arbeitslosenquote liegt saisonbereinigt unverändert bei 5,6 Prozent. Auch die Zahl der neuen Jobs für Dezember und Januar wurde nach unten korrigiert. Dabei müssen pro Monat rund 150000 neue Stellen entstehen, um allein die jungen Leute zu versorgen, die neu auf den Arbeitsmarkt streben. Zuletzt hatte der Zuwachs dagegen nur bei durchschnittlich 42000 neuen Stellen gelegen.

Fachleute erklären den schleppenden Jobzuwachs mit dem enormen Anstieg der Produktivität in den US-Unternehmen. „Sie wird in diesem Jahr 4,8 Prozent erreichen – das ist eigentlich auf dem Niveau eines Entwicklungslandes“, sagte Michael Hüther, Chefvolkswirt der Deka-Bank, dem Tagesspiegel. Verantwortlich dafür seien die hohen IT-Investitionen der vergangenen Jahre. Derzeit würden die Unternehmen versuchen, zunächst ihre Kapazitäten voll auszulasten, bevor sie neue Leute einstellten. „Die Phase des ,jobless growth’, des Wachstums ohne neue Arbeitsplätze, ist ungewöhnlich lang“, findet Hüther.

Diese Zögerlichkeit könnte sich zum Konjunkturrisiko entwickeln, befürchten Skeptiker. „Bleibt der Arbeitsmarkt schwach, gerät der Aufschwung in Gefahr“, warnt David Milleker, USA-Fachmann bei der Dresdner Bank in Frankfurt (Main). Denn die Impulse durch Steuersenkungen und niedrige Zinsen laufen allmählich aus. Deshalb werde der Konsum nur stabil bleiben, wenn der Aufschwung endlich zu neuen Jobs und höheren Einkommen führt. Milleker: „Die Gefahr ist groß.“ Hintergrund: Die amerikanische Wirtschaftsleistung hängt zu zwei Dritteln am Verbrauch der US-Bürger. „Ein Wachstumseinbruch in den USA würde sich mit wenigen Monaten Verzögerung auch auf Europa und Deutschland auswirken“, urteilt Milleker. Die Folge wären zurückgehende Exporte wegen eines schwächeren Welthandels.

Im Jahr der Präsidentenwahl hat die Lage auf dem Arbeitsmarkt zudem höchste politische Brisanz. Amtsinhaber George W. Bush sieht sich großem Druck ausgesetzt, in diesem Bereich Erfolge vorzuweisen. In der langen Krise seit dem Jahr 2001 sind etwa 2,4 Millionen Jobs verloren gegangen. Das Ziel von 300000 neuen Stellen in diesem Jahr, das die Regierung Anfang Februar verkündet hatte, dürfte nun kaum noch zu erreichen sein. Bushs designierter demokratischer Herausforderer John Kerry hat bereits angekündigt, im Falle seiner Wahl in den ersten anderthalb Jahren seiner Amtszeit rund drei Millionen neue Arbeitsplätze zu schaffen.

Fachleute vermuten nun, dass die Notenbank Fed die Leitzinsen noch ein gutes Stück länger auf dem historisch niedrigen Niveau von 1,0 Prozent belassen wird, um den Aufschwung zu unterstützen.

Dennoch reagierten die Börsen mit heftigen Kurseinbrüchen. Der Deutsche Aktienindex Dax verlor zeitweise mehr als 60 Punkte, glich die Verluste aber wieder aus und erreichte mit 4126 Punkten etwa den Vortagesstand. Die Wall Street schloss geringfügig fester. Der Dollar-Wechselkurs rutschte ab, der Euro gewann bis zum Abend 1,44 Prozent auf 1,2375 Dollar.

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