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Wirtschaft: Schwarz auf weiß

Beratungsprotokolle der Banken haben oft Mängel, klagen Verbraucherschützer.

Hunderttausende Mal lassen sich Verbraucher jedes Jahr von ihren Banken beraten. Welche Aktie soll ich kaufen? Was mache ich mit einer Erbschaft von 20 000 Euro? Nicht immer liegen die Bankberater mit ihren Ratschlägen richtig. Manchmal greifen sie sogar ernsthaft daneben und bringen Kunden um ihr Geld. Da wurden schon 90-Jährigen hochriskante Zertifikate empfohlen, da wurden Kunden plötzlich zu Besitzern von Rentenfonds, obwohl sie ihr Geld eigentlich in zwei Jahren für eine Immobilie nutzen wollten.

Um Verbrauchern zu helfen, die Ratschläge der Banker zu Hause zu überdenken und ihnen bei eklatant falscher Beratung schwarz auf weiß ein Beweisstück an die Hand zu geben, hat der Gesetzgeber 2010 das Beratungsprotokoll eingeführt. Berät eine Bank oder Sparkasse einen Kunden, muss sie seither den Gesprächsverlauf aufzeichnen und damit ihre Leistung dokumentieren. Auch muss sie das Protokoll dem Kunden aushändigen, seit Sommer 2011 zusammen mit Produktinformationsblättern der empfohlenen Papiere, den „Beipackzetteln“.

MÄNGEL IN DER PRAXIS

Doch in der Praxis nimmt mancher Berater die Protokollpflicht anscheinend nicht ernst genug, stellte der Spitzenverband der Verbraucherzentralen VZBV nach einer Stichprobe fest: Keiner der 50 Bankangestellten, die der VZBV verdeckt getestet hatte, überreichte nach der Beratung ein Protokoll, das den Gesprächsverlauf komplett und korrekt wiedergab. Acht Banker händigten ihrem Kunden gar kein Protokoll aus, etwa die Hälfte dokumentierte die Vermögenssituation falsch, viele notierten die Risikobereitschaft nicht richtig. „Das Beratungsprotokoll ist derzeit nicht geeignet, die Verbraucher wirksam vor Falschberatung zu schützen“, sagt VZBV-Finanzexpertin Dorothea Mohn. Ähnliche Mängel hatten Marktchecks von Finanztest und der Finanzaufsicht bereits ein Jahr zuvor festgestellt.

BUSSGELD FÜR DIE BANKEN

In zehn Fällen hat dies nun Konsequenzen: Die Aufsichtsbehörde Bafin leitete Bußgeldverfahren ein, in zwei Fällen wurden sogar bereits Bußgelder in Höhe von 18 000 beziehungsweise 26 000 Euro verhängt. Auch das Bundesministerium für Verbraucherschutz will aktiv werden: Man werde einen Forschungsauftrag ausschreiben, der belastbar klären soll, wie es in der Praxis um die Dokumentation der Beratung bei Banken steht, so ein Sprecher. Die Forderungen des VZBV gehen weiter: Der Gesetzgeber müsse detailliert vorgeben, welche Informationen der Berater einholen und im Protokoll dokumentieren soll. Inhalt und Ablauf des Gesprächs müssten viel stärker standardisiert sein. Zudem müsse sich die Finanzaufsicht fragen lassen, wie sie Gesetzesverstöße überhaupt ausmachen könne.

Doch die Banken wehren sich: Angesichts von Millionen Beratungsprotokollen seien 50 Fälle nicht repräsentativ, unterstreicht Steffen Steudel, Sprecher des Dachverbandes der deutschen Kreditwirtschaft. Die ganz überwiegende Zahl der Kunden sei mit den Protokollen zufrieden. Der Verband wehrt sich auch dagegen, den Inhalt der Protokolle per Gesetz standardisiert bis ins Detail vorzugeben. Dies werde der individuellen Beratungssituation nicht gerecht. Damit werde unnötige Bürokratie geschaffen und nicht der tatsächliche Ablauf wiedergegeben.

KUNDEN SIND ZUFRIEDENER

Nach einer repräsentativen Untersuchung von Infratest im Auftrag der DZ Bank sind die Kunden inzwischen deutlich zufriedener mit der Bankberatung als während der Finanzkrise. 54 Prozent der Befragten haben der Beratung durch die Bank die Note 1 oder 2 (2009: 47 Prozent). Neun von zehn Anleger betonten, Produkte und Risiken seien ihnen verständlich und ausreichend erklärt worden. Acht von zehn Anlegern erklären, die Beratung sei für die richtige Anlageentscheidung nützlich. Dafür waren etwa 40 Prozent der Meinung, das Beratungsgespräch sei durch die neue Dokumentationspflicht aufwendiger und komplizierter, aber auch verständlicher geworden.

KLARE VORGABEN

Fakt ist: Kunden können auch aktuell schon gegen schlechte oder falsche Protokolle vorgehen. Denn die „Wertpapierdienstleistungs-Verhalten- und Organisationsverordnung“ legt konkret fest, welche Bedingungen eine Beratungs-Dokumenation erfüllen muss. Festgehalten sein muss darin der Anlass der Beratung, die Dauer des Gesprächs, die für die Beratung notwendigen Informationen über die finanzielle und persönliche Situation des Kunden, seine Wünsche und deren Gewichtung sowie die Empfehlungen des Bankberaters. Der Berater muss also klären, welche Schulden und Rücklagen sein Kunde hat, ob und in welchem Ausmaß er sich an den Geldmärkten auskennt, welches Risiko er eingehen möchte und welche Renditen er erwartet.

ÄNDERUNGEN VERLANGEN

Hat der Kunde einzelne Punkte anders in Erinnerung oder ist ihm eine Formulierung zu schwammig, sollte er Änderungen verlangen. Keine seriöse Bank wird sich hier quer legen. Allerdings: Natürlich muss das Protokoll beiden Seiten als Beleg dienen. Auch die Banken benötigen ein Hilfsmittel, um sich vor Anlegern zu schützen, die hohe Renditeerwartungen haben, aber im Fall eines Misserfolges die Bank auf Falschberatung verklagen möchten. Wichtig sei deshalb, heißt es bei der Bafin, dass empfohlene Produkte zum Kunden und seinen Wünschen passen, nicht, dass das Produkt „richtig“ oder „falsch“ sei. Der Kunde kann auch zum Gespräch einen Zeugen mitnehmen oder es aufzeichnen.



VORAB INFORMIEREN

Nicht schaden kann es zudem, sich vorab gründlich zu informieren – vor allem, wenn große Summen angelegt werden sollen. Wer unternehmens- und produktunabhängig beraten werden will, kann zusätzlich oder alternativ einen Honorarberater aufsuchen, der Finanzexpertise gegen Bezahlung bietet, dafür aber Wertpapiere provisionsfrei vermittelt. Auch bei Banken und Sparkassen ist Beratung nicht kostenlos, sondern wird über Provisionen indirekt entlohnt. Versteht ein Kunde nicht, was der Berater erklärt oder empfiehlt, sollte er nachfragen. Hat ein Berater umgekehrt erhebliche Wissenslücken (etwa, wenn er ein Produkt empfiehlt, aber nichts über dessen Funktionsweise weiß), sollte der Kunde ihn ablehnen.

BEI STREIT ZUM OMBUDSMANN

Im Streitfall lohnt sich der Gang zum Ombudsmann. Alle Bankenverbände versuchen, mit Hilfe von unabhängigen Ombudsleuten gerichtliche Streitigkeiten zu vermeiden. Sie sind kostenlos, können aber nur eingeschaltet werden, wenn es um eine Sachentscheidung geht, ohne Zeugenvernehmung. Ihr Votum ist für die Bank bindend.

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