zum Hauptinhalt
Drehpause. 15 Kilometer Seekabel fehlen noch, dann können die Windmühlen vor Borkum Strom liefern. Eine Pannenserie hat den Bau der Leitung bislang immer wieder verzögert. Foto: dpa

© dpa

Wirtschaft: Schwarze Wolken statt grünem Strom

Dieselmotoren treiben den Nordsee-Windpark Riffgat an – der Anschluss ans Netz ist bislang gescheitert.

Norddeich/Hannover - „Riffgat“ ist vom Pech verfolgt. Erst klagen Fischer und die ostfriesischen Inseln Borkum und Wangerooge gegen das Offshore-Projekt, den ersten vollständig fertiggestellten kommerziellen Windpark vor Deutschlands Küsten. Naturschützer warnen vor Gefahren durch den Baulärm für Meeressäuger. Dann bereitet der ungeklärte Grenzverlauf im Seegebiet mit der Größe von 480 Fußballfeldern Probleme bei der Planung. Und dann wird das Ausmaß der tödlichen Gefahren unter Wasser deutlich: Die Bergung von Munitions-Altlasten ist extrem langwierig und verzögert den Anschluss ans Stromnetz.

Nun ist der Windpark zwar fertig, doch es fehlen 15 Kilometer Seekabel für den Abtransport des Stroms an Land. Der Oldenburger Energieversorger EWE rechnet mit Millionenverlusten, wenn der 450 Millionen Euro teure Windpark erst im Februar 2014 ans Netz gehen kann. „Die Kosten zahlen wir und der Verbraucher über die EEG-Umlage“, ärgert sich ein EWE-Sprecher.

In der Rekordzeit von 14 Monaten wurden 30 Windräder mit einer Leistung von 108 Megawatt errichtet, das reicht, um 120 000 Haushalte mit Strom zu versorgen. Am Samstag wird der Bau als Beitrag zur Energiewende gefeiert. Doch statt Ökostrom kommt derzeit nur der Rauch von Dieselgeneratoren aus dem Windpark: 22 000 Liter Treibstoff im Monat sind nötig, um die Windräder sporadisch anzutreiben – das soll vor Korrosion und gegen Überhitzung schützen.

Seit langem hat sich die Politik auf den Übertragungsnetzbetreiber Tennet als vermeintlichen Verursacher der schleppenden Netzanbindung von Offshore-Windparks eingeschossen. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) kritisierte am Freitag das Planungschaos beim Stromanschluss. Es gebe keine aufeinander abgestimmte Gesamtplanung. Weil wundert sich zudem, dass erst jetzt mit der Bergung der Munitions-Altlasten begonnen werde.

Bei der Firma Tennet, die dem niederländischen Staat gehört und sich um die Verlegung der Seekabel kümmert, ist das Bedauern groß: „Die Verzögerungen waren absolut nicht vorhersehbar“, beteuert eine Sprecherin. Erste Untersuchungen 2008 hätten nur eine „Handvoll auffälliger Stellen“ gezeigt. „Seit Beginn der Räumung 2012 sind jedoch mehr als 1400 Anomalien aufgetaucht: Minen, Munitionskisten und Granaten mit einem Gesamtgewicht von 28 Tonnen wurden bisher geborgen.“ Experten warnen schon lange vor den tödlichen Gefahren in Nord- und Ostsee. Nach dem Bericht einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe sollen dort bis zu 1,3 Millionen Tonnen Munition verrotten. Allein vor Niedersachsens Küste liegen nach Schätzung des Meeresbiologen Stefan Nehring 300 000 Tonnen Munitionsreste.

Viele Explosivkörper wurden nach dem Zweiten Weltkrieg im Auftrag der Alliierten von Fischern versenkt – doch diese hielten sich nicht immer exakt an die Verklappungsgebiete, die noch heute in den Seekarten vermerkt sind. Auch die Meeresströmung hat die Munition in andere Gebiete vertrieben.

Neben Munitions-Altlasten gelten Finanzierungsprobleme, technische Schwierigkeiten, hohe Wartungskosten und nicht zuletzt das unstete Wetter als Hemmschuhe für den Ausbau der See-Windparks. Bis 2020 würden nicht mal halb so viele Windräder in der Nordsee gebaut, wie von der Bundesregierung geplant, hieß es erst im Juli in einem Projektbericht des Beraters Michael Erler. „Die Branche ist in substanzieller Gefahr“, warnte unlängst Niedersachsens Regierungschef Weil. Doch er kann immerhin auf zwei Meereswindparks verweisen, die Strom liefern: Seit 2010 ist der kleine Testpark „alpha ventus“ mit zwölf Anlagen in Betrieb. Etwas entfernt drehen sich bisher erst 70 von geplanten 80 Anlagen des Windparks „Bard Offshore 1“. Mit rund 300 Megawatt liefern sie derzeit 70 Prozent des gesamten deutschen Offshore-Stroms. dpa

Zur Startseite