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Schwarzmarkt: Blutige Tradition

Ein Rückblick auf den Handel mit Schmuggel-Zigaretten in Berlin seit der Wende.

Während im Westen der Republik unversteuerte Zigaretten meist unter Bekannten gehandelt werden, hat sich im Osten über die Wendejahre eine ganz eigene Tradition entwickelt: der Straßenhandel, den fast ausschließlich Vietnamesen betreiben. In vielen ostdeutschen Städten wie Rostock, Dresden oder Leipzig ist der Handel auf dem Rückzug. Im östlichen Berlin gehört er aber immer noch zum Stadtbild und weitete sich in den vergangenen zwei Jahren sogar auf die angrenzenden ehemaligen West-Stadtteile Neukölln und Reinickendorf aus.

1989: Das Jahr der Polen

"1989 und 1990 war der illegale Zigarettenhandel noch fest in Hand der Polen", erklärt Klaus von Lampe, der als Kriminologe lange an der FU-Berlin tätig war. Er hat das Phänomen erforscht, lehrt heute als Assistenzprofessor am "John Jay College of Criminal Justice" in New York. Im Januar 1989 lockerte die polnische Regierung die Ausreisebestimmungen ihrer Bürger, weshalb sie ohne Visa vor allem nach West-Berlin kamen. Auf den "Polenmärkten" wie am Reichpietschufer boten sie neben Werkzeug und Kleidung auch Schnaps und Zigaretten an.

1990: Kampf um Ost-Berlin

Mit der Währungsunion am 1. Juli 1990 wurde es für die polnischen Händler schlagartig attraktiv, ihre Waren auch in Ost-Berlin anzubieten. Dort konnten sie sich aber nicht halten. Binnen weniger Monate übernahmen DDR-Vertragsarbeiter aus Vietnam den Job. "Die waren ja die ersten, die gefeuert wurden und standen plötzlich auf der Straße", sagt von Lampe. Die Vietnamesen-Community war zu DDR-Zeiten schon gut vernetzt und erfahren im Handel. "Zudem sind sie praktisch immun gegen Abschiebung", erklärt von Lampe. Die Volkrepublik Vietnam weigert sich meist, Straftäter wieder bei sich aufzunehmen. Polen betätigten sich seit dem weiter als Zulieferer.

1996: Mord und Totschlag

In den Jahren 1991 bis 1992 wurden Revierkämpfe mit Gewalt ausgetragen. Erst gingen Banden noch mit Macheten und Latten aufeinander los, später in der Hochphase 1996 immer öfter mit Schusswaffen. Der Krieg der Zigarettenmafia forderte in jenen Jahren mehr als 100 Tote. "Das war die Zeit, als auch immer mehr Vietnamesen bereit waren, mit der Polizei zu sprechen", sagt von Lampe. Infolgedessen gelang es den Beamten, die beiden führenden Banden in Berlin zu zerschlagen. Die Gewalt ging zurück, die Strukturen mit Schutzgelderpressung und Menschenhandel existieren aber bis heute. Um das Jahr 2000 wurde Deutschland immer mehr zum Transitland. Die Zahl der vietnamesischen Verkaufsstellen sank von rund 800 in der Hochphase auf nun konstant 300. kph

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