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Wirtschaft: Schweden wächst trotz hoher Steuern Längere Arbeitszeiten, niedrige Arbeitslosigkeit

Berlin - Es klingt wie ein Paradox. Um ein gesundes Wachstum und eine hohe Wettbewerbsfähigkeit zu erreichen, muss der Staat einfach die Steuern erhöhen und mehr ausgeben.

Berlin - Es klingt wie ein Paradox. Um ein gesundes Wachstum und eine hohe Wettbewerbsfähigkeit zu erreichen, muss der Staat einfach die Steuern erhöhen und mehr ausgeben. Was hier zu Lande vielen als wirtschaftspolitischer Irrweg gilt, scheint im Norden Europas zu funktionieren, wie das Beispiel Schweden zeigt.

Anfang der 90er Jahre steckte Schweden in einer Wirtschaftskrise. Staatsschulden von fast 80 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, steigende Inflation und hohe Arbeitslosenzahlen lähmten das Land. Nach kräftigen Reformen der Arbeitsmärkte und des Steuer- und Abgabensystems präsentiert sich Schweden heute als Erfolgsmodell. Hohe Steuern (25 Prozent Mehrwertsteuer), ein großer öffentlicher Sektor und eine starke Gewerkschaftsbewegung gehen einher mit einem Wirtschaftswachstum, das 2005 wohl doppelt so hoch sein wird wie der Durchschnitt in der Europäischen Wirtschaftszone, niedriger Inflation und sechs Prozent Arbeitslosigkeit. Durch die Wettbewerbsfähigkeit finanziert Schweden einen ausgeprägten Wohlfahrtsstaat.

Anders das Bild in Deutschland: Trotz Flexibilisierung des Arbeitsmarktes sowie sinkender Steuersätze bleibt die Arbeitslosigkeit hoch (aktuell: 9,3 Prozent), ein spürbares Wirtschaftswachstum lässt weiter auf sich warten. Ob sich die schwedischen Erfahrungen auf Deutschland übertragen lassen, wollte ein „Makroökonomischer Kongress“ am Dienstag in Berlin untersuchen. Eingeladen hatten Friedrich-Ebert-Stiftung und Deutscher Gewerkschaftsbund dazu den Chefökonom des Schwedischen Gewerkschaftsbundes, Dan Andersson. Seine Argumente, hohe Steuern seien mit hohen Beschäftigungszahlen vereinbar und Kündigungsschutz stehe der Schaffung neuer Arbeitsplätze nicht im Wege, waren Konsens.

Seine Bedingungen dafür stießen allerdings bei den anwesenden deutschen Gewerkschaftsvertretern nicht auf Gegenliebe. Eine Wochenarbeitszeit von 40 Stunden, eine aktive Arbeitsmarktpolitik, die durch starken Druck flankiert wird, die angebotenen Jobs auch anzunehmen, und 65 Jahre als Regelfall für das Renteneintrittsalter. Gehen manche Reformen in Deutschland schon in diese Richtung – Stichwort Fordern und Fördern in der Arbeitsmarktpolitik –, sieht das beim letzten Punkt noch anders aus: In Schweden arbeiten rund 70 Prozent der 55- bis 65-Jährigen, in Deutschland gerade mal 38 Prozent. Das belastet den Staatshaushalt.

Wirtschaftspolitik lasse sich aber nicht einfach übertragen, sagte Schwedens Botschafter Carl Thamm. Deutschland sei mit zehn Mal mehr Einwohnern als Schweden stärker von der Binnennachfrage abhängig. Eine Erfahrung wollte er seinem Gastland dennoch mitgeben: „Ein funktionierendes Wohlfahrtssystem ist vereinbar mit einer starken ökonomischen Stellung in der Welt.“

Juliane Schäuble

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