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© dpa

Schweinegrippe: Ohne Risiko und Nebenwirkung

Der Pharmakonzern Glaxo verdient gut am Impfstoff gegen die Schweinegrippe – egal, wie viele Deutsche sich impfen lassen

Leere Turnhallen, Amtsärzte, die gelangweilt Tee trinken: Die Impfaktion gegen die Schweinegrippe läuft fast überall in Deutschland nur schleppend an. Nur noch 13 Prozent der Deutschen wollen sich laut einer Umfrage impfen lassen, im Juli waren es noch 51 Prozent. Normalerweise werden Unternehmen unruhig, wenn das Interesse an ihrem Produkt so dramatisch sinkt. Doch die deutschen Manager bei Glaxo Smith Kline, Europas größtem Pharmakonzern, können ganz ruhig bleiben. Der Impfstoff Pandemrix wird ihnen ganz sicher ein glänzendes Geschäft bescheren.

Die Bundesländer haben 50 Millionen Impfdosen Pandemrix bestellt. Das erst vor kurzem erweiterte Glaxo-Werk in Dresden läuft seit Wochen auf Hochtouren. Auf 8700 Quadratmetern sind 850 Mitarbeiter mit der Impfstoffproduktion beschäftigt, seit Sommer wurden extra dafür 150 neue Stellen geschaffen. Das finanzielle Risiko bei diesem Geschäft tragen die Bundesländer. Sie müssen auch die Impfdosen bezahlen, die übrig bleiben. Die Krankenkassen zahlen nur, was den Bürgern tatsächlich verabreicht wird. In einigen Bundesländern denkt man daher bereits darüber nach, überflüssige Dosen weiterzuverkaufen, etwa ins Baltikum.

Für Glaxo ist das Geschäft nicht nur risikofrei, sondern auch hoch profitabel. Wer allerdings wissen will, wie profitabel genau, der stößt auf viel Geheimniskrämerei. Sieben Euro berechne man pro Impfdosis, hatte eine Glaxo-Sprecherin noch vergangene Woche gesagt. Aus dem thüringischen Gesundheitsministerium, das zurzeit der Gesundheitsministerkonferenz der Länder vorsteht, hieß es hingegen, die Länder würden zwischen 500 und 600 Millionen Euro an Glaxo überweisen, das entspräche also zehn bis zwölf Euro pro Dosis. Auf die Diskrepanz angesprochen, wollten beide sich am Dienstag nicht mehr äußern – „aufgrund einer Vertraulichkeitsklausel im Vertrag“. Nicht ausreichend informiert über diese Abmachung war offenbar Berlins Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher (Linke). Sie plauderte aus, dass eine Dosis 8,33 Euro koste. Demnach macht Glaxo dank der Schweinegrippe allein in Deutschland 416 Millionen Euro Umsatz. Weltweit haben Regierungen 440 Millionen Dosen Pandemrix bestellt. Die Analysten von JP Morgan schätzen, dass Glaxo damit auf einen Umsatz von etwa 3,5 Milliarden Dollar (2,3 Milliarden Euro) kommt.

Dass ein großer Teil dieser Summe als Gewinn übrig bleiben wird, glaubt der Pharmakologe und Mitherausgeber des industriekritischen Arznei-Telegramms, Peter Schönhöfer: „Dem Hersteller entstehen keine hohen Entwicklungskosten. Der Impfstoff an sich war schon für die Vogelgrippe entwickelt und das hat Glaxo sich damals von der EU bezahlen lassen.“ Den Vogelgrippen-Impfstoff nun für die Schweinegrippe umzuwandeln, sei „eine Kleinigkeit“. Glaxo hingegen beteuert, man habe „sehr viel Geld für Forschung und Entwicklung“ ausgegeben. Nach Schönhöfers Rechnung geben Pharmahersteller in der Regel nur etwa zehn Prozent ihres Umsatzes für Forschung und Entwicklung aus, 20 Prozent gehen für Produktion und Betrieb drauf, bis zu 40 Prozent für das Marketing und 30 Prozent bleiben als Profit. Doch bei Pandemrix übernehmen quasi die Bundesländer die Vermarktung. Sie müssen die Bürger davon überzeugen, sich impfen zu lassen. Zieht man die Marketingkosten ab, bliebe Glaxo grob gerechnet also eine Marge von 70 Prozent. In Deutschland wären das 291 Millionen Euro, weltweit etwa 1,7 Milliarden.

Die Ausgaben für die Prävention halten Experten der Allianz und des Forschungsinstituts RWI jedoch für sinnvoll. Allein eine landesweite Impfung würde die wirtschaftlichen Kosten der Pandemie halbieren, weil die Grippe in ihrer Ausbreitung gehindert werde, lautet das Ergebnis ihrer Studie. Nach den Berechnungen könne dabei der gesamte Gesundheitssektor – je nach Schwere der Seuche – hierzulande mit drei Milliarden bis neun Milliarden Euro Mehreinnahmen rechnen.

Auch der Schweizer Pharmakonzern Novartis könnte noch zu den Profiteuren gehören: Die Bundesländer haben mit Novartis eine Kaufoption über 18 Millionen Dosen des Impfstoffs Focetria vereinbart. Einen vergleichsweise kleinen Vertrag konnte der US-Hersteller Baxter abschließen. Das Innenministerium hat für Regierungsbeamte, Behördenmitarbeiter und die Bundeswehr 200 000 Dosen des Impfstoffs Celvapan bestellt. Anders als das Serum von Glaxo kommt Celvapan ohne die umstrittenen Wirkstoffverstärker aus und dürfte deutlich billiger sein: Schönhöfer glaubt, dass eine Impfdosis ohne diesen Zusatz nur etwa vier Euro kostet.

Malte Conradi

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