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Der Joghurtdrink Actimel wurde bereits mit dem "Goldenen Windbeutel" der Organisation Foodwatch ausgezeichnet, weil nur vorgibt, gesund zu sein.

© p-a/dpa

Schwindel in der Werbung: Viele Lebensmittel täuschen nur vor, gesund zu sein

Der große Bluff: Etliche Hersteller behaupten von ihren Produkten, dass sie besonders gesund seien – dabei sollte man besser die Finger davon lassen.

Von Maris Hubschmid

Trinkjoghurt stärkt die Abwehrkräfte, Eistee verbessert die Gehirnleistung und Schokolade hilft beim Wachsen: Sogenannte „Health Claims“, gesundheitsbezogene Werbebotschaften, haben in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Verbraucher, das beobachten Konsumforscher, zahlen bereitwillig mehr für ein Produkt, das damit lockt, gesundheitlichen Mehrwert zu bieten. Besonders naschen lässt es sich besseren Gewissens, wenn der Pudding „das Beste aus der Milch“ enthält. Große Konzerne zielen mit solchen Versprechen sehr bewusst auf die Psyche der Konsumenten – die dankbar auf die Idee anspringen, kleine Sünden durch einzelne Inhaltsstoffe kompensieren zu können.

Viele Behauptungen sind erfunden

Dass diese Rechnung in den meisten Fällen nicht aufgeht, weiß Jessica Fischer von der Verbraucherzentrale Berlin. „Lange Zeit kursierten im Handel sogar etliche Produkte, deren Versprechen schlichtweg nicht haltbar waren.“ Der Joghurtdrink Actimel sollte die Abwehrkräfte stärken, in der Werbung für das Konkurrenz-Produkt Yakult hieß es: „Schützt vor Erkältung.“ Zu Letzterem hat die europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde, der Gesundheitsclaims vor der Verwendung neuerdings zur Prüfung vorgelegt werden müssen, festgestellt: „Es wurde kein Ursache-Wirkungs-Zusammenhang zwischen Konsum des Produkts und dem behaupteten Effekt gefunden.“ Actimel-Hersteller Danone zog den angemeldeten Claim lieber gleich zurück. Cranberrysaft sei auch kein Mittel gegen Blasenentzündung und Lipton Eistee nicht erkennbar konzentrationssteigernd, entschied die Kommission. Sie schob den leeren Behauptungen einen Riegel vor – aber: Noch bis Ende des Jahres dürfen derlei Bluff-Produkte weiter verkauft werden.

Gesund und trotzdem ungesund

Von rund 6000 Einreichungen hat die europäische Behörde bislang nur 222 anerkannt. Darunter vor allem solche, die sich direkt auf einen bestimmten Inhaltsstoff beziehen. Dass Calcium gut für die Knochen ist etwa, dagegen ist nichts einzuwenden. Dass Nestlé bei seinen Fitness-Cornflakes auf der Packung also unter anderem auf das enthaltene Calcium und dessen knochenstärkende Wirkung hinweist, ist rechtlich okay. Allerdings, warnt eine Sprecherin der Verbraucherrechtsorganisation Foodwatch: „Die Flocken machen eher fett als fit.“ Sie bestehen im Schnitt zu einem Viertel aus Zucker. Wer wirklich an Calciummangel leidet, und das sind nicht viele, sollte lieber ein Vollkornbrot mit Quark essen. Ähnlich ist es beim Getränk Yakult. Zwar kann es tatsächlich die Darmbewegung anregen. Selbst in der Light-Version enthält es aber exakt so viele Kalorien wie Coca-Cola und ist damit vor allem eins: ungesund.

Trickreiche Anreicherungen

Auch sonst sind mit den neuen Prüfungsvorschriften viele Fälle von Tatsachenverdrehung noch nicht aus der Welt geschafft. Einige Fabrikanten, deren Claims nicht genehmigt wurden, haben schnell geschaltet: Bei Vitamin C ist die positive Wirkung auf das Immunsystem nachgewiesen. Manche Hersteller fügen deshalb ihren Produkten fortan eine winzige Menge Vitamin C hinzu, um den Spruch weiter nutzen zu können. „Dabei hat das darin nichts zu suchen. Die Kunden wird glauben gemacht, die angepriesenen probiotischen Kulturen brächten die Immunstärkung“, sagt Verbraucherschützerin Fischer.

Nutzlose Vitamine

Der Fruchtbonbonhersteller Nimm2 aus dem Hause Storck wirbt seit Jahren mit „wertvollen Vitaminen“. Die Vitamine, die da drin steckten, seien aber auch fast überall anders enthalten, kritisiert Foodwatch. Eine zu große Menge an künstlich zugesetzten Vitaminen oder Mineralstoffen kann sogar gefährlich werden, etwa das Risiko für Nierenkrebs erhöhen, warnen Ärzte.

Noch so ein Fall: Für kaum ein Lebensmittel sind bislang so viele Werbegelder geflossen wie für Margarine. Dass sie den Cholesterinspiegel senken kann, ist richtig. Doch nicht für alle Konsumenten ist das wünschenswert. Ohnehin ist der gesundheitliche Vorteil von Margarine gegenüber Butter stark umstritten. Bei Margarine handelt es sich um ein Gemisch aus Öl, Wasser – und allerhand Chemie. Manche Forscher meinen, dass sie den Stoffwechsel stört und zu Diabetes führen kann.

Ausgewogen ernähren ist besser

Normalerweise deckt eine Ernährung mit Obst, Gemüse und Vollkornprodukten die natürlichen Bedürfnisse ab. Solange aber dank Health Claim die Kasse klingelt, werden Lebensmittelhersteller wohl weiterhin Gesundheitsschwindel betreiben. Die Wende könnte vom Verbraucher ausgehen, hofft man bei Foodwatch. „Wenn auf der Lebensmittelverpackung ein besonderer gesundheitlicher Nutzen versprochen wird, sollte man stets skeptisch sein“.

Den Vogel in puncto Verbraucher-Irreführung schoss bislang vermutlich Coca-Cola ab. Das Unternehmen warb auf dem Etikett mit dem Hinweis: „Enthält Zucker – der Dir Energie für Deinen aktiven Lebensstil gibt.“

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