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Die Schufa will das Netz durchforsten. Aber was sagt die Freundesliste zum Beispiel auf Facebook über die eigene Bonität aus?

© dpa

Scoring via Facebook und Co.: Schufa will im Netz nach Daten fischen

Die Kreditauskunft Schufa weiß viel über uns, will aber noch weit mehr. Jetzt lässt sie erkunden, was im Internet zu holen ist. Die Qualität der Datensammlung ist äußerst fraglich - und wäre teilweise illegal.

So ziemlich jeder treibt sich inzwischen im Netz herum, um aus den Myriaden öffentlich zugänglicher Daten etwas für sich herauszufischen. Seien es Polizisten, die Facebook-Fotos mit denen von Blitzern vergleichen oder Geheimdienste, die ganze Netzwerke scannen, um Terroristen zu finden.

Nun entdeckt auch die datensammelnde Schufa das Internet: Die Wirtschaftsauskunftei hat das Hasso-Plattner-Institut in Potsdam beauftragt, mal herauszufinden, was an für sie nützlichen Informationen im Internet herumwabert.

Es ist das Geschäftsmodell der Schufa, so viel wie möglich über möglichst viele Deutsche zu wissen. Dieses Wissen soll dabei helfen, eine einzige Frage zu beantworten: Ob der Betreffende in der Zukunft seine Schulden bezahlen kann oder nicht. Bislang sammelte sie dazu vor allem Finanzdaten: Miet- und Kreditverträge, Bankkonten, Versicherungen, EC-Kartendaten – praktisch immer, wenn jemand hierzulande Geld ausgibt, landet das irgendwann bei der Schufa. Zusammen mit Adressdaten wird das gespeichert, derzeit sind nach eigenen Angaben 66 Millionen Deutsche in der Datenbank.

Nun haben die Verantwortlichen der Schufa Holding AG entdeckt, dass die Menschen im Internet viel von sich preisgeben. Um zu erfahren, was davon nützen könnte, um Aussagen über die Bonität zu treffen, wurde mit dem Plattner-Institut ein Vertrag über drei Jahre geschlossen. Das Institut soll "Grundlagenforschung" betreiben. Die Ergebnisse will man nach Ablauf des Projektes veröffentlichen.

Der Sender NDR Info hat recherchiert, wie sich beide Partner diese Forschung denken. Zu den Informationen, die gefiltert werden sollen, gehören zum Beispiel Geodaten, denn die lassen auf den Wohnort schließen, außerdem Bildungsabschlüsse, Jobs und soziales Umfeld und selbstverständlich E-Mail-Adressen und Accountnamen wie die Facebook-ID, schließlich sollen die Daten stets aktuell gehalten werden.

Das mag noch nachvollziehbar sein. Spätestens aber bei dem Punkt "weitere Projektideen" wird es seltsam. Darüber hinaus soll nämlich erforscht werden, ob es möglich ist, "ein aktuelles Meinungsbild" zu einer Person zu ermitteln. Erwünscht ist eine "Ad-hoc-Sentiment Analyse für Personen". Aus Texten, Tweets, Blogposts, Kommentaren et cetera will die Schufa gern erfahren, was jemand so denkt, welche Stimmung (sentiment) er hat und ob er positiv oder negativ eingestellt ist zu einem Thema – welchem auch immer.

Mit einer Bonitätsprüfung hat das nichts mehr zu tun. Lassen sich mit solchen Analysen doch vor allem Informationen über Religionszugehörigkeit, sexuelle Orientierung und politische Einstellungen erfahren. Die aber gehören laut deutschem Datenschutz sämtlich zur Privatsphäre, beziehungsweise sind "besondere Arten personenbezogener Daten", wie es im Gesetz heißt. Sie dürfen überhaupt nur verarbeitet werden, wenn der Betroffene gefragt wurde und das explizit erlaubt hat. Sollte die Schufa so etwas speichern und verarbeiten, könnte das im Zweifel illegal sein.

Als Quellen dient laut den Vereinbarungen zwischen Schufa und Plattner-Institut alles, was im Social Web verfügbar ist: Facebook, Xing, Twitter, Blogs, Wikipedia, eBay und so weiter.

Warum die Schufa so weit geht? Bei der Motivation spielen wohl zwei Faktoren eine Rolle. Zum einen ist es einfach möglich. Wer sich mit Daten befasst, kommt irgendwann ganz von selbst darauf, den Datenberg Internet zu durchwühlen. Zum anderen scheint die Schufa um ihre Zukunft zu bangen.

Bildergalerie: Wie bei Facebook gearbeitet wird

Man wolle den Status der Schufa als größter Datensammler "langfristig sichern", sagt Sprecher Andreas Lehmann. Was auch bedeuten kann, dass sich die Verantwortlichen vor Google und Co. fürchten. Denn dank mobilen Bezahlmodellen wie Google Wallet und Paypal, dank Onlinekaufhäusern wie Amazon und Plattformen wie eBay gibt es inzwischen viele Firmen, die detaillierte Kenntnisse über die Bonität ihrer Kunden haben. Immer mehr Geschäfte finden im und durch das Netz statt. Die Daten, die dabei entstehen, sind zahlreich und müssen auf die Schufa wirken wie ein goldenes Kalb. Kein Wunder also, dass Lehmann sagt, das Internet sei "eine ganz zentrale Herausforderung" für die Schufa.

Der nun gewählte Ansatz allerdings könnte mehr Ärger als Nutzen bringen. Für Datenschützer beispielsweise ist das Ganze eine Grenzüberschreitung. Beim klassischen Scoring würden Daten genutzt, "die noch nah am Risiko sind", sagt Thilo Weichert, Landesdatenschützer in Schleswig-Holstein. Bedeutet, vor allem Informationen über bisherige Kredite, über Kaufgewohnheiten und eventuelle Zahlungsausfälle werden dabei verarbeitet. "Hier aber sollen Daten verwendet werden, die vom Risiko sehr weit weg sind. Aus Sicht des Persönlichkeitsrechtes ist das eine Katastrophe."

Das Problem: Für den Einzelnen ist nicht kalkulierbar, welche seiner öffentlich gemachten Äußerungen und Verhaltensweisen in der Zukunft wie verarbeitet werden können. Und wer ein solches Risiko nicht kalkulieren kann, der kann es auch nicht vermeiden oder überhaupt beeinflussen – wie es beim klassischen Scoring zumindest noch halbwegs möglich ist: Wer einen Kredit nicht mehr tilgen kann, dem ist auch klar, dass er demnächst keinen neuen bekommt. Bei dem nun angedachten Verfahren gibt es diese Form der Kontrolle nicht. Damit ist jeder dem Scoring ausgeliefert.

"Diese Daten als Grundlage irgendeiner Entscheidung zu nehmen, ist nicht nur sträflich, das grenzt ans Kriminelle", sagt Weichert dazu. Schließlich ist er Datenschützer und soll eben dafür sorgen, dass Menschen Kontrolle darüber haben, was andere über sie wissen.

Daher sind in Deutschland auch Verfahren verboten, die indirekte Informationen nutzen, um auf jemanden zu schließen – wie das sogenannte Geoscoring. Dabei dient der Wohnort als Anhaltspunkt. Wurden in der eigenen Straße Kredit- und Zahlungsausfälle registriert, sinkt die Bonität aller Bewohner dieser Straße. Weil das so beliebig ist, verbietet das Bundesdatenschutzgesetz, die Bonität ausschließlich nach dem Wohnort zu beurteilen.

Das Ganze sei ein Forschungsprojekt, keine konkrete Umsetzung, trotzdem zeige es klar, in welche Richtung die Schufa denke, sagt Markus Beckedahl, Vorsitzender des Bürgerrechtsvereins Digitale Gesellschaft: "Deine Freunde und dein Status sind Deine Bonität." Das erinnere an eben jenes Geoscoring.

Gleichzeitig ist die Chance groß, dass die so gewonnenen Daten nur eine geringe Qualität haben, da sie eben mit dem eigentlichen Fakt Zahlungsbereitschaft wenig zu tun haben. Validität heißt das in der Sprache der Wissenschaft und meint die Frage, ob ein Instrument auch misst, was es messen soll. Durchaus vorstellbar also, dass die Schufa zwar Daten bekommt, diese aber eigentlich nicht taugen, um ein Kreditrisiko zu bewerten.

Schufa-Sprecher Lehmann sagt, es sei gut möglich, dass nach dem Ende des Forschungsprojektes genau diese Feststellung stehe und man das Ganze daher nicht weiterverfolge. Hoffentlich, denn das Problem der fehlenden Kontrolle durch die Betroffenen bleibt in jedem Fall bestehen.

Beckedahl sagt dazu: "Wir sind besorgt, dass hier Unfug getrieben wird. Facebook und Twitter sind vielleicht öffentlich, aber keine Geschäftsdaten. Diese Daten gehen die Schufa nichts an. Es wäre also an der Zeit, dass die Schufa ihre Algorithmen offenlegt – vielleicht versteckt sich darin ja bereits ähnlicher Unfug?"

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