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Wirtschaft: SERIE: AGESTÜRZT (2)

Ein wenig still ist es um ihn geworden.Keine Interviews.

Ein wenig still ist es um ihn geworden.Keine Interviews.Keine öffentlichen Auftritte, und Journalisten empfängt er meist auch nicht mehr.Friedrich Hennemann macht sich rar.Vermutlich aber nicht lange.Die Bremer Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen gegen den ehemaligen Chef des Bremer Vulkan-Verbundes abgeschlossen, Mitte August soll er die Anklageschrift erhalten.Er und acht weitere Manager werden beschuldigt, Steuergelder in Millionenhöhe veruntreut zu haben.

Noch einmal wird das Gericht dann den Untergang des Vulkan aufarbeiten.Und der Saal wird vermutlich wieder zur Bühne für Hennemann.Hennemann - das Opfer.Seine Lieblingsrolle.Der weitblickende Werftenchef, der keine Fehler machte.Der Manager, der vom maritimen Zeitalter träumte und mit ihm Politiker und Banker.Der "12 bis 14 Stunden" täglich rackerte, um Deutschlands größten Werftenkonzern zu schmieden.Hennemann hat alles richtig gemacht, sagte er vor dem Untersuchungsausschuß und glaubt es vermutlich noch heute.Schuld sind die anderen.Die Banken, die ihm die Kredite für seine waghalsigen Werftenexpansion verweigerten.Die Politiker, die ihn nicht mehr stützen wollten und ihm den Stuhl vor die Tür setzten.Die Unternehmerkollegen, die ihn wegen des fehlenden Stallgeruchs verachteten, weil er nicht Golf spielte.Trotzig erklärte er vor kurzem in einem Fernsehbericht über sein Wirken: "Mein Urteil lautet keine Schuld."

Die Vulkanwerft hat in Hennemanns Leben schon früh eingegriffen.1936 im Künstlerdorf Worpswede bei Bremen geboren, erlebte er später, wie sein Vater als Elektriker auf der Werft lange Zeit arbeitslos war.Das prägt.Der Sohn ließ sich erst zum Reedereikaufmann ausbilden, studierte später Pharmazie und Wirtschaftswissenschaften, bis ihn 1974 Bürgermeister Hans Koschnick als Senatsdirektor in die Bremer Landesregierung holte.Zunächst für Gesundheit zuständig, kümmerte er sich später um die Neuordnung des Bremer Schiffbauunternehmen.Als die Vulkan-Werft 1987 auf die Pleite zusteuerte, wechselte Hennemann in die Konzerspitze.Damals galt er als Retter.Er sollte den Vulkan durch die Grauzone von Politik und Wirtschaft in der Hansestadt steuern.Das Unternehmen war wichtig für die Bremer Strukturpolitik, und keiner sollte die Verflechtungen an der Weser besser kennen als Hennemann.

So ging er ans Werk und kaufte in den Folgejahren dutzende Firmen.Maschinenbau.Elektronik.Schiffbau.Der Vulkan wuchs und wuchs.Am Ende beherrschte Hennemann einen unübersichtlichen Technologiekonzern mit 90 Firmen im In- und Ausland.Innerhalb von sieben Jahen vervierfachte er den Umsatz auf sechs Mrd.DM, das Personal stieg von 8000 auf zeitweilig 28 000 Menschen.Nach der Wende kaufte Hennemann weiter.Von der Treuhand kassierte er 2,7 Mrd.DM an Subventionen, um die Werften in Wismar, Stralsund und Rostock zu sanieren.Doch die sahen nicht viel.Mindestens 800 Mill.DM landeten in der zentralen Konzernkasse im Westen.Und verschwanden.Der Vulkan brodelte heftig, doch Hennemann prohezeite noch im Frühjahr 1995 baldige Gewinne.Die Banken jedoch verloren die Geduld und drängten ihn zum Rücktritt.Im November 1995 räumte er seinen Schreibtisch, knapp ein halbes Jahr später wurde der Konkurs eingeleitet.

Es folgten spielfilmreife Szenen.Hennemann, in Untersuchungshaft.Hennemann, der verdächtige Papiere im Klo runterspülte.Hennemann, der sich mit schwarzen Stirnband bei den Vulkan-Demonstranten einreihte.Heute haben sich nicht alle düsteren Prognosen von damals erfüllt.Die meisten Firmen des Verbundes blieben erhalten, stellte der Konkursverwalter kürzlich fest.Manche Töchter, wie die STN Atlas oder die MTW in Wismar, fanden neue Eigentümer.Knapp 13 600 Beschäftigte haben heute noch einen Arbeitsplatz, etwa 9000 verloren ihren Job - möglich durch betriebliche Auffanglösungen und Beschäftigungsgesellschaften.Und die Schuldfrage? War es wirklich nur Hennemann, der von Großmannssucht Getriebene? Sicher nicht.Die Untersuchungsausschüsse in Bonn, Bremen und Schwerin haben gezeigt, daß Politiker, Banken und Treuhandanstalt eine gehörige Mitschuld hatten.Sie wollten Warnungen nicht hören oder hatten Angst vor den Konsequenzen.Für sie aber bleibt die Vulkankrise nahezu folgenlos.Nur Hennemann muß vor Gericht.

ANDREAS HOFFMANN

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