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Wirtschaft: Sex and the City

Frauen fühlen sich in der Londoner Finanzwelt schlechter bezahlt als ihre männlichen Kollegen – sie erhalten vor Gericht Recht

Von Silvia Ascarelli und

Sarah McCann, London

Julie Bower und Louise Barton haben dem Sexismus in der britischen Finanzwelt einen heftigen Schlag versetzt. Die Frauen zogen vor Gericht, weil sie für die gleiche Arbeit weniger verdienten als ihre männlichen Kollegen. Britische Arbeitsgerichte gaben ihnen Recht: Bonuszahlungen liegen zwar im Ermessensspielraum eines Unternehmens. Doch darf der Arbeitgeber die Boni nicht willkürlich vergeben. Er muss klar machen, wie er die Höhe der Prämienzahlungen festlegt. Boni können in der Finanzbranche bis zu siebenstellige Summen erreichen.

Im März 2001 sprach ein Arbeitsgericht Bower eine Rekord-Abfindung von zwei Millionen Euro zu. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass ihr Arbeitgeber Schroder Securities die Frau aus Gründen sexueller Diskriminierung entlassen hatte. „Hatte Krebs, war eine Qual, jetzt schwanger“, stand in einem Aktenvermerk ihres Vorgesetzten. Die zweite Klägerin, Louise Barton, erreichte im vergangenen Monat, dass ihr Verfahren wieder aufgenommen wird. Der Entscheidung des Berufungsgerichts wird eine sehr hohe Bedeutung zugemessen: Die Beweislast trägt Bartons früherer Arbeitgeber.

Ein weiterer Fall geht durch die Medien. Ein Londoner Gericht prüft die Klage einer 30-jährigen Investmentbankerin. Die Frau wirft ihrem Arbeitgeber vor, sie um einen Bonus von 150 000 Pfund betrogen zu haben. Außerdem sei sie tyrannisiert und sexuell belästigt worden. Der Name der Bank wurde nicht genannt.

Die Urteilssprüche von Bower und Barton machten in ganz Großbritannien Schlagzeilen. Sie könnten eine gewaltige Klagewelle auslösen. In den vergangenen drei Jahren fielen der Börsenschwäche Tausende von Arbeitsplätzen in der Londoner City, dem größten europäischen Finanzdistrikt, zum Opfer. Die Gerichtsurteile könnte Frauen auf den Gedanken bringen, dass auch sie wegen Geschlechterdiskriminierung entlassen wurden. Und Unternehmen müssen nun ihre Gehalts- und Bonuspolitik ändern, um Klagen zu entgehen.

Vorteil Mann

Wie verbreitet Gehaltsunterschiede in der City sind, ist unbekannt. Löhne und Boni sind gut gehütete Geheimnisse im Londoner Finanzviertel, wo ein Zwölf-Stunden-Tag die Norm ist. In der britischen Finanzbranche verdienen vollzeitbeschäftigte Frauen im Durchschnitt 696,30 Pfund in der Woche. Das sind 20 Prozent weniger als der Lohn der Männer, heißt es beim britischen Statistikamt. „Viele Frauen in der City wären schockiert, wenn sie erführen, wie viel ihre männlichen Kollegen verdienen“, sagt Heather Williams, die Rechtsanwältin von Bower. Ihre Mandantin, eine Aktienanalystin für Getränkewerte, erhielt 1998 von Schroder Securities einen Bonus von 50 000 Pfund. Mehr als dreimal so viel hätte sie bekommen müssen, schloss das Gericht.

Louise Barton wiederum verdiente 2001 rund 70 Prozent weniger als andere Medienanalysten ihrer Firma, der Investec Crosthwaite Securities. Barton hatte 23 Jahre im Fondsmanagement und Aktiengeschäft gearbeitet, davon die meiste Zeit als Analystin für Medienwerte. 1990 fing sie bei Investec an, arbeitete dort mit 40 anderen Angestellten in der Research-Abteilung. Vor zwei Jahren fand sie heraus, dass ein Kollege 43 Prozent mehr verdiente als sie. Bartons Gehalt lag bei 105 000 Pfund, seines bei 150 000 Pfund. Dabei hatte sie den Medienanalyst vier Jahre zuvor mit ausgesucht und eingearbeitet. Investec hob zwar ihren Lohn auf das gleiche Niveau an, aber zahlte ihr nur einen Bonus von 300 000 Pfund – 70 Prozent weniger als ihrem Kollegen.

Barton verließ 2002 das Unternehmen und reichte eine Klage ein. Das Arbeitsgericht erster Instanz kritisierte zwar die intransparente Bonuspolitik von Investec. Die Richter akzeptierten aber Investecs Begründung, dass es ungeschriebene Regeln für die Boni-Vergabe geben müsste und die einzelnen Beträge geheim bleiben müssten. Sonst, so urteilte das Gericht, würde das „Bonussystem (der City) kollabieren“.

Überraschungsbonus

Das Berufungsgericht folgte dieser Entscheidung nicht. Es warf dem Unternehmen vielmehr vor, es habe keine Regeln für die Bonus-Vergabe und die Gehälter im Prozess nur zögernd offen gelegt. Die erste Instanz hätte zum Schluss kommen müssen, dass Barton sexuell diskriminiert worden sei. Investec müsse beweisen, dass die Ungleichbehandlung von Barton nichts mit ihrem Geschlecht zu tun habe. Das Gericht setzte deshalb durch, dass das Verfahren nun neu aufgerollt wird.

Während die Verfahren von Bower und Barton in Großbritannien für Furore sorgten, gibt es in Kontinentaleuropa selten große Prozesse um sexuelle Diskriminierung und gleichen Lohn. Denn die Gehälter sind in der Regel geringer. In der City verdienen die Angestellten ungewöhnlich viel Geld, selbst Sekretärinnen. In deutschen Arbeitsgerichten geht es dagegen häufig um „Mobbing“. Und das betrifft Frauen wie Männer.

Silvia Ascarelli, Sarah McCann[London]

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