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Wirtschaft: Sieben Millionen Euro für den Papst

Der Vatikan steckt den Papstwechsel gut weg: Höchster Überschuss seit acht Jahren

Rom - Was kostet ein Papstwechsel zu Anfang des 21. Jahrhunderts? „Sieben Millionen Euro“, sagt Kardinal Sergio Sebastiani, als er die Jahresbilanz des Vatikan für 2005 vorstellt. Der Betrag umfasst die Trauerfeierlichkeiten für Johannes Paul II., das kaum zweitägige, also haushaltsschonende Konklave und die Festlichkeiten zur Amtseinführung von Benedikt XVI. Bereits wenige Wochen nach den ersten und überaus gewinnenden Auftritten des deutschen Papstes hatte der Vatikan den größten Teil seiner Auslagen zurück: Bei der Kollekte des „Peterspfennigs“ – wie jedes Jahr am 29. Juni, dem Fest der Apostelfürsten Peter und Paul – spendeten die Katholiken in aller Welt 2005 um die sechs Millionen Euro mehr als im Jahr zuvor. Dieses Geld, insgesamt eine Rekordsumme von 45,7 Millionen Euro, behält die Kirchenleitung zwar nicht für sich, sondern reicht es an Hilfsprojekte in aller Herren Länder weiter. Die Zunahme der Spendenbereitschaft zeigt aber, dass die Gläubigen den Papstwechsel durchaus goutiert haben.

Überhaupt ist Kardinal Sebastiani, der Präsident des vatikanischen Rechnungshofs, so stolz auf diese Jahresbilanz, dass er ganz vergisst, die Einnahmen und die Ausgaben als Ganzes zu beziffern. Einzig den Gewinn will er vermelden: 9,7 Millionen Euro, „den höchsten Überschuss seit acht Jahren“. 2004 waren nur 3,1 Millionen Euro in den Kassen geblieben. Die Jahre davor fielen rot aus, wenn auch nicht kardinalsrot: Die Defizite lagen bei 9,6 und 13,5 Millionen Euro. Am kräftigsten – 43,3 Millionen Euro – sprudelten 2005 die Einnahmen aus dem Finanzgeschäft: Allein das Ausnutzen von Wechselkursschwankungen brachte einer global verzweigten Organisation wie dem Kirchenstaat einen Gewinn von 21,7 Millionen Euro. Etwa noch einmal so viel ergab sich aus dem Aktien- und Anleihenhandel.

Wie geschickt dabei die APSA, die Vatikanische Güterverwaltung, vorging, zeigt sich im Vergleich zu den Vorjahren: 2004 hatte das Finanzgeschäft erst 6,1 Millionen Euro erbracht, in den zwei Jahren davor Verluste von 11,6 und 16,3 Millionen Euro. Noch besser als 2005 war man lediglich im „Heiligen Jahr“ 2000. Damals hatten die apostolischen Finanzstrategen, die Blase der „New Economy“ ausnutzend, knapp 64,7 Millionen Euro erwirtschaftet – immer mit dem Ziel, „dem Heiligen Vater die Ausübung seines weltweiten Dienstes an den Menschen zu ermöglichen“.

Wie üblich verschweigt Sebastianis offizielle „Bilanz des Heiligen Stuhls“ die Gewinne der geheimnis- und früher auch skandalumwitterten Vatikanbank IOR. Das eigenständige „Institut für Religiöse Werke“, Wand an Wand mit dem Papstpalast, gilt als das effektivste Finanzinstrument des Kirchenstaates. Nach Jahrzehnten eines geistlich wohlmeinenden, bisweilen aber kriminellen Dilettantismus in der Geschäftsführung wird es heute geführt und kontrolliert wie eine internationale Bank – allerdings ohne jegliche Verpflichtung, seine Karten offenzulegen.

Das IOR war in die Schlagzeilen geraten, als 1982 die katholische Mailänder „Banco Ambrosiano“ einen betrügerischen Bankrott hinlegte; Kardinal Paul Marcinkus, der IOR-Direktor, hatte sich in die Machenschaften des Bankchefs Roberto Calvi verstricken lassen. Dieser wurde dann erhängt unter einer Londoner Brücke aufgefunden, „geselbstmordet“, wie man im Italienischen sagt. Um sich peinliche Gerichtsverhandlungen zu ersparen, zahlte der Vatikan an die Gläubiger „freiwillig und ohne Schuldeingeständnis“ 244 Millionen Dollar.

Vor wenigen Monaten endlich hat in Rom der Prozess um Calvis Ermordung begonnen; im Juli erst wurde der unbescholtene Bankier Gianmaria Roveraro entführt und ermordet. Auch Roveraro gehörte zu dem dicht verfilzten, konservativ-katholischen Klüngel, den man in Italien die „weiße Finanzwelt“ nennt; der Mord an ihm hat in den Sommerloch-geplagten Medien auch alle Spekulationen über das IOR wieder aufleben lassen. Dabei hat die Vatikanbank nach eigenem Bekunden die Brücken zur unseligen Vergangenheit abgebrochen. Nur noch Geistliche, Kirchenangestellte, Orden und „religiös tätige“ Organisationen dürfen Konten beim IOR eröffnen. Geldwäsche, wie einst, will man ausschließen.

Anders als viele weltliche Institutionen hat der Vatikan im vergangenen Jahr nicht versucht, beim Personal zu sparen. Nach Kardinal Sebastianis Bilanz arbeiten in den Dikasterien (Ministerien) der Kurie, in päpstlichen Räten, Synoden und in den weltweit 205 diplomatischen Vertretungen mehr als 2600 Menschen, darunter etwa 1600 „Laien“ (die anderen sind Priester oder Ordensleute); dazu zählen auch 1500 Rentner. Für sie hat der Vatikan im Jahr 2005 insgesamt 121,3 Millionen Euro ausgegeben, 19,7 Millionen Euro mehr als im Vorjahr – nach Sebastianis Angaben deswegen, weil man in Folge und zum Ausgleich der vatikanischen Rentenreform von 1993 die Gehälter jetzt neu berechnet habe.

Eingenommen hat der Vatikan 2005, zieht man die Linie der Vorjahre fort, insgesamt zwischen 245 und 250 Millionen Euro; die Ausgaben lagen um 9,7 Millionen Euro darunter. Zu den verlässlichsten Posten des kirchlichen Etats zählen der Ertrag aus dem Immobilienvermögen – immer positiv, seit Jahren um die 20 Millionen Euro –, und die Bilanz der vatikanischen Medien: jedes Jahr ein Verlustgeschäft, wirtschaftlich jedenfalls.

Neben dem „Osservatore Romano“ (minus 4,6 Millionen Euro) hat vor allem das weltweit und in Dutzenden von Sprachen sendende Radio Vatikan ein Riesendefizit gebaut: 23,5 Millionen Euro. Zum Glück gibt es in Rom einen einzigartigen, unfehlbaren Publikumsrenner, der zur Finanzierung dieser oder jener Lücken herangezogen werden kann: die Vatikanischen Museen. Vor ihren Eingängen sammeln sich tagtäglich Touristenschlangen von bis zu einem Kilometer Länge. 3,8 Millionen Besucher zählte man im vergangenen Jahr. Einnahmen: 40 Millionen Euro; Gewinn: ungefähr 20 Millionen. Tendenz: stetig steigend.

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