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Wirtschaft: Siemens AG: Beginn einer neuen Zeitrechnung

Wenn der Vorstandschef der Siemens AG, Heinrich von Pierer, am heutigen Montag mit einer historischen Börsenglocke an der New Yorker Wall Street den dortigen Handel mit dem Papier der Münchner einläutet, ist das mehr als ein symbolischer Akt. Zum einen ist die erstmalige Notierung der Aktie an der New Yorker Börse formal der Abschluss des schon fast legendären Zehn-Punkte-Programms, mit dem der Obersiemensianer dem lange als verschlafener Riese geltenden Konzern neues Leben eingehaucht und ihn unter Börsianern wieder salonfähig gemacht hat.

Wenn der Vorstandschef der Siemens AG, Heinrich von Pierer, am heutigen Montag mit einer historischen Börsenglocke an der New Yorker Wall Street den dortigen Handel mit dem Papier der Münchner einläutet, ist das mehr als ein symbolischer Akt. Zum einen ist die erstmalige Notierung der Aktie an der New Yorker Börse formal der Abschluss des schon fast legendären Zehn-Punkte-Programms, mit dem der Obersiemensianer dem lange als verschlafener Riese geltenden Konzern neues Leben eingehaucht und ihn unter Börsianern wieder salonfähig gemacht hat. Zum anderen markiert das den Vollzug eines unternehmerischen Kulturwandels.

Der deutsche Traditionskonzern unterwirft sich damit den im Mutterland des modernen Kapitalismus geltenden Spielregeln. Siemens akzeptiert mittlerweile die an der Wall Street herrschenden Börsengesetze, die Unternehmen zu weit mehr Transparenz, Information und Ehrlichkeit verpflichten als das hier zu Lande noch der Fall ist.

Rendite zählt mehr

Schon seit Monaten stöhnen Siemensianer über die von der US-Börsenaufsicht SEC auferlegten Auskunftspflichten. Allein die Umstellung der Rechnungslegung von dem in Deutschland geltenden Handelsgesetzbuch (HGB) auf den US-Standard Gaap war eine Herkulesarbeit für den Großkonzern. So hat Siemens 2000 nach HGB rund 14,8 Milliarden Mark Jahresüberschuss erzielt, musste im neuen Abschluss nach US-Gaap aber mit 17,3 Milliarden Mark einen weit höheren Gewinn ausweisen. Die Zeiten in denen die Münchner den hier zu Lande möglichen Bilanzierungsspielraum nutzen konnten, um allzu große Ausschläge in der Gewinnentwicklung vermeiden zu können sind vorbei - mit allen Vor- und Nachteilen.

Natürlich gibt es noch viel mehr Differenzen zwischen HGB und US-Gaap. In der Regel erlauben es die US-Börsenregeln unter dem Strich, den Wert eines Unternehmens realistischer und zeitnäher zu beurteilen. Das ist kein Selbstzweck sondern es geschieht mit Blick auf den Shareholder-Value, den von Pierer für Siemens zuletzt verstärkt zur Leitlinie gemacht hat.

Damit bekommen strikte Renditevorgaben immer mehr Gewicht, wie der jüngste Umbau des Elektrokonzerns zeigt. Teile des Unternehmens wurden verkauft oder an die Frankfurter Börse gebracht, manchmal unter dem Protest der Mitarbeiter. Der könnte in Zukunft eher lauter werden.

Andererseits eröffnet sich Siemens mit dem Zugang zum größten Kapitalmarkt der Welt neuen Bewegungsspielraum, was für von Pierer der eigentliche Grund für den Schritt ist. Immer wieder hatte von Pierer bedauert, dass Siemens von wirklich großen Deals ausgeschlossen sei, weil in den USA keine eigenen Aktien als moderne Akquisitionswährung zur Verfügung stünden. Wer andere Unternehmen in bar kaufen muss, belastet damit oft über Jahre wegen damit verbundener Abschreibungen das eigene Ergebnis. Dieses Problem hat Siemens künftig in den USA nicht mehr, wo von Pierer große Expansiongelüste hegt.

Eine Megafusion nach dem Vorbild Daimler-Chrysler ist im Fall der Münchner aber kaum zu erwarten. Denn es gebe keinen großen Konzern, der wirklich gut zu Siemens passt, hat von Pierer zuletzt bedauert. Anders als die Stuttgarter haben die Münchner ein äußerst diversifiziertes Produktportfolio vom kleinen Handy bis zum Großkraftwerk. Eine Verschmelzung mit einem anderen Riesen wie etwa dem großen US-Vorbild General Electric würde unweigerlich mehr Abschmelzeffekte als Synergien bringen.

Dennoch hat der deutsche Elektrokonzern in den USA Nachholbedarf. Für seine dortigen Aktivitäten musste er im vergangenen Jahr bei gut 31,6 Milliarden Mark Umsatz über 220 Millionen Mark Verlust verbuchen. Siemens habe in den Staaten zuletzt "viel Lehrgeld" bezahlt, räumte von Pierer ein. Er will nun die US-Präsenz von Siemens "auf den Prüfstein legen". Verstärkung braucht der Konzern Analysten zufolge vor allem bei der Netzwerksparte ICN. Trotz des derzeit allgemein schwachen Marktumfeldes für Technologiewerte in den USA halten Experten den Zeitpunkt für ein Listing an der Wall Street für den richtigen. "Siemens erhält dadurch eine Akquisitionswährung - je schneller, desto besser", sagte ein Analyst.

In den USA recht unbekannt

Zukäufe in Erst im Februar hatte Siemens den Kauf der US-Breitband-Firma Efficient Networks Inc für 1,5 Milliarden Dollar angekündigt, um seine Sparte ICN zu verstärken. Analysten sehen aber weiter Nachholbedarf. "Es wird schon länger darüber spekuliert, dass Siemens in den USA mal was Größeres zukauft, um eben die Sparte ICN richtig voran zu bringen", sagte Theo Kitz, Analyst beim Bankhaus Merck, Finck & Co. Von Pierer habe aber in der Vergangenheit bei Akquisitionen eher die Stratgie "klein aber fein" verfolgt. Verbessern muss Siemens nach Ansicht der Analysten auch seinen Bekanntheitsgrad in den USA. "Im Vergleich zum Beispiel zu Nokia ist Siemens in den USA recht unbekannt", sagte Kitz. Siemens folgt mit seiner Notierung in den USA einer ganzen Reihe von deutschen Unternehmen - wie Allianz, BASF, Daimler-Chrysler, Deutsche Telekom, Eon und SAP.

tmh, rtr

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