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Löscher

© dpa

Siemens: Ende der Ungewissheit

Am Montag präzisiert Siemens den Stellenabbau. Neben der Verwaltung könnte es auch die Produktion treffen.

Berlin - Siemens muss sich beim geplanten Stellenabbau auf eine lange und harte Auseinandersetzung einstellen. Jedenfalls gehen die Vertreter der Arbeitnehmer am heutigen Montag sehr verärgert in die zweitägige Sitzung des Wirtschaftsausschusses. Nicht nur lehnen sie die Pläne zum Personalabbau ab, die offenbar weiter reichen als befürchtet. Vehement kritisieren sie auch die Informationspolitik des Technologiekonzerns.

„Wir haben vom Unternehmen viel Papier bekommen“, beklagt Bettina Haller aus Berlin, die sowohl Mitglied des Gesamtbetriebsrates als auch des Aufsichtsrates ist. „Die Quantität ist hoch, aber die Qualität der Informationen lässt zu wünschen übrig.“ Es gebe die klare Ansage, dass beim Personal zehn Prozent eingespart werden sollen. „Es gibt aber keine Details darüber, wie das umgesetzt werden soll und ob die einzelnen Einheiten anschließend überhaupt noch arbeitsfähig sind.“

Der Konzern mit weltweit knapp 400 000 Mitarbeitern – davon gut 130 000 im Inland – steht erneut vor einem radikalen Einschnitt. Das Ziel hat Konzernchef Peter Löscher vorgegeben: 1,2 Milliarden Euro sollen in Vertrieb und Verwaltung bis zum Jahr 2010 eingespart werden. Siemens soll in der Verwaltung ebenso effizient werden wie in der Produktion. Löscher machte dabei klar, dass er auch die von ihm so benannte „Lehmschicht“ abtragen will – also Mitarbeiter vor allem im oberen und mittleren Management.

Nähere Informationen sollen die Betriebsräte nun im Wirtschaftsausschuss bekommen. In dem Gremium informiert die Unternehmensführung die Arbeitnehmervertreter über wichtige wirtschaftliche Entscheidungen. Nach dem, was bisher von den Plänen an die Öffentlichkeit gelangte, soll das Sparprogramm weltweit 17 150 Arbeitsplätze kosten, 6450 davon in Deutschland. Allein in Erlangen will Siemens demnach 1330 Arbeitsplätze streichen, 900 am Konzernsitz in München, weitere 540 in Nürnberg und 340 Stellen in Berlin.

Diese Zahlen sorgen für Verwirrung. „Die Aussagen der Unternehmensführung sind sehr widersprüchlich“, sagt Bettina Haller. „Wenn in Berlin 340 Arbeitsplätze abgebaut werden sollen, wird es nicht nur das Management treffen. 340 Manager haben wir in Berlin gar nicht.“ Im Gegensatz etwa zu den Standorten München und Erlangen ist Berlin ein Produktionsstandort, der größte von Siemens weltweit. Daneben ist hier auch der Vertrieb für die Region Deutschland angesiedelt.

Aber auch die Mitarbeiter in der Produktion fürchten um ihre Jobs, obwohl sie diesmal wohl zunächst nicht direkt betroffen sind. „Wir können in der Produktion so gut aufgestellt sein, wie wir wollen“, sagt Olaf Bolduan, Betriebsratsvorsitzender des Berliner Dynamowerkes. „Am Ende geht es darum, die Produkte auch zu verkaufen. Was im Vertrieb passiert, hat direkte Rückwirkung auf die Produktion.“ Ein Schnellschuss beim Personalabbau schädige mittelfristig auch die gut aufgestellten Werke. Unklar ist zudem, von welcher Basis aus die Stellen gestrichen werden sollen. „Absprungbasis“, wie es bei Siemens heißt, sei der 30. September 2007, das Ende des vergangenen Geschäftjahres. Doch seither ist viel passiert, der ganze Konzern wurde neu organisiert und in die Sektoren Industrie, Energie und Gesundheit aufgeteilt. Nur etwa 600 Mitarbeiter waren nach Konzernangaben zu dem Zeitpunkt bei Siemens Berlin in der Verwaltung beschäftigt.

Unabhängig vom geplanten Stellenabbau in der Verwaltung muss Berlin um weitere Arbeitsplätze fürchten. Denn auch im Bereich Verkehrstechnik (Mobility), der in Berlin rund 1000 Mitarbeiter hat, stehen Restrukturierungsmaßnahmen an. „Es gibt ein separates Sanierungsthema Mobility, von dem Berlin betroffen sein wird. Das ist unstrittig“, sagt Betriebsrätin Haller.

Auch Wigand Cramer vom Siemens- Team der IG Metall kritisiert, das Unternehmen habe kein Programm vorgelegt, die Verwaltung zu verschlanken. Vielmehr treffe der Personalabbau ganze Geschäftsbereiche vor allem auch im dienstleistungsnahen Bereich. „Die angekündigte Verschlankung des Topmanagements erweist sich als das schiere Gegenteil“, sagt Cramer. „Nicht leitende Angestellte und Führungskräfte sollen sich neu orientieren, sondern überproportional viele Tarifangestellte.“

Gewerkschaft und Betriebsrat werfen der Unternehmensleitung vor allem vor, dass die bis jetzt vorliegenden Zahlen zum Personalabbau nicht ausgereift seien. Das Sparziel werde zwar auf dem Papier erreicht. „Aber jede Abteilung hat die Zahlen für den eigenen Bereich optimiert. Eine Optimierung über das Gesamtsystem gibt es aber nicht“, sagt Cramer. Konzernchef Löscher rede zwar offiziell weiterhin von Siemens als integriertem Technologiekonzern. „Fakt ist aber, der Konzern desintegriert sich gerade.“

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