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Wirtschaft: Siemens erwägt Klage gegen Alstom-Beihilfen

EU-Wettbewerbskommissar verschiebt Entscheidung/Regierungschefs diskutieren Anfang Juni industrielle Kooperationen

Brüssel/München/Berlin EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti hat die Entscheidung über das Rettungspaket für den angeschlagenen französischen Alstom-Konzern verschoben. Es seien noch zahlreiche Punkte in der von der Pariser Regierung vorgeschlagenen Lösung ungeklärt, hieß es zur Begründung. Zumindest bei dem Alstom-Wettbewerber Siemens ist das Misstrauen groß, dass die angestrebte staatliche Hilfe Alstom einen unfairen Wettbewerbsvorteil bringen könnte. Nach Informationen des „Handelsblatts“ bereitet der Konzern eine mögliche Klage vor. „Noch können wir keine Einigung verkünden“, sagte ein Monti-Sprecher. Man müsse sich wohl bis Anfang nächster Woche gedulden, heißt es in EU-Kreisen.

Strittig ist vor allem, wie verhindert werden kann, dass sich die staatlichen Beihilfen in Höhe von rund 3,2 Milliarden Euro wettbewerbsverzerrend auswirken – und wann sich Alstom für ausländische Partner öffnen muss. Die EU-Kommission dringt hierbei auf eine möglichst kurze Frist, etwa von zwei Jahren. Die französische Seite plädiert dagegen für mehr Zeit – damit Alstom dann möglichst als sanierter und starker Partner in Fusions- oder Verkaufsgespräche gehen kann. Siemens hatte sich Hoffnungen auf einen Einstieg bei Alstom gemacht. Insbesondere das Geschäft mit Turbinen für die Energieversorgung wäre interessant.

Auch auf politischer Ebene sorgt das Thema für Missstimmung. Zwar betonte die Bundesregierung, es ändere sich nichts an der sehr guten deutsch-französischen Zusammenarbeit. Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement argwöhnt aber, dass die französische Regierung bei bilateralen Industriekooperationen stets eine französische Führungsrolle anstrebe. Allerdings bemühen sich sowohl Bundeskanzler Gerhard Schröder als auch Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac darum, dass die industriepolitische Kontroverse die deutsch-französische Kooperation nicht stört. Dies sei angesichts der anstehenden Themen wie der EU-Verfassung, der Postenvergabe in der EU sowie für das nötige abgestimmte außenpolitische Vorgehen (Irak, Nahost) sehr wichtig, heißt es in Regierungskreisen in Berlin. Man gehe davon aus, dass auch Chirac dies so sehe. Deshalb habe er sich auf dem deutsch-französischen Ministerrat für Irritationen durch das Vorgehen der französischen Regierung in der Sanofi-Aventis-Übernahme entschuldigt. Zudem ist für den 1. Juni ein Treffen beider Regierungen in Berlin vereinbart, auf dem über mögliche industrielle Kooperationen gesprochen werden soll. Es wird darüber spekuliert, ob dazu auch die Chefs von Siemens und Alstom eingeladen werden.

Für Siemens wäre nach Ansicht von Analysten vor allem der Erwerb zweier Konzernteile von Alstom strategisch interessant: die Verkehrstechnik mit dem Hochgeschwindigkeitszug TGV und die Energiesparte mit dem Gasturbinen-Geschäft. Im April 2003 hatte Siemens bereits für 1,1 Milliarden Euro das Industrieturbinen-Geschäft von Alstom übernommen. Fondsmanager Christoph Niesel von Union Investment glaubt, dass Siemens „mit einer Wahrscheinlichkeit von unter 50 Prozent im großen Stil bei Alstom zum Zug kommt“. Die Verkehrstechnik mit dem TGV wird Niesels Ansicht nach aus Prestigegründen bei Alstom bleiben. Zudem sei eine Übernahme der Bahnsparte wettbewerbsrechtlich bedenklich, weil Siemens hinter Bombardier die Nummer Zwei auf dem Weltmarkt ist. Ähnliche Probleme sieht er im Energiegeschäft, wo Siemens hinter General Electric und vor Alstom auf Platz Zwei rangiert. Niesel glaubt, dass Siemens im Falle des Verkaufs von Unternehmensteilen nur die Chance habe, kleinere Einheiten zu bekommen - zum Beispiel durch die Herauslösung des Servicegeschäfts oder einzelner Regionen der Energiesparte. cbu/huh/ebo/HB/nad

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