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Siemens: Geld und Moral

Auf der Hauptversammlung von Siemens wird über gerechte Entlohnung von Topmanagern gestritten. Zuschläge von bis zu 157 Prozent seien politisch nicht richtig, finden die Kritiker.

Gerade war so manchem noch die Erleichterung über das relativ glimpfliche Ende der Siemens-Korruptionsaffäre ins Gesicht geschrieben. Da schütteln andere wegen ungebührlicher Gehaltssprünge ihrer Manager schon wieder die Köpfe. "Das passt nicht in die Landschaft, das ist politisch nicht richtig", erboste sich gleich der erste Redner über die Selbstbedienungsmentalität. Die brisanten Themen Geld und Moral halten den Münchner Technologiekonzern Siemens fest im Griff.

Knapp 10.000 Aktionäre sind am Dienstag zur Hauptversammlung des Unternehmens in die Münchner Olympiahalle gekommen. Was die Anteilseigner vom Fondsmanager bis zum Kleinaktionär auf die Palme bringt, ist eine Beispielrechnung des Vereins der Siemens-Belegschaftsaktionäre. Demnach genehmigt sich Aufsichtsratschef Gerhard Cromme per Hauptversammlungsbeschluss einen Zuschlag der eigenen Vergütung von 157 Prozent. Das ist "ein erstaunliches Maß von Insensibilität und Maßlosigkeit", findet Belegschaftsaktionär Manfred Meiler. Seine Mitaktionäre spenden Beifall.

Die Zuschläge finden die Kritiker untragbar

Die Anteilseigner murren hörbar. Cromme, bis 2013 an die Spitze des Aufsichtsrats gewählt, bleibt dagegen kühl. Die Kalkulationen seiner Kritiker seien falsch. Hätten die neuen Vergütungsregeln schon für das vergangene Geschäftsjahr gegolten, bekäme der Aufsichtsrat als Ganzes nur drei statt jetzt 3,3 Millionen Euro. Professionelle Kontrolle erfordere eben keine schlechte, sondern eine "Bezahlung mit Augenmaß". Wenn Cromme statt wie jetzt gut 300.000 Euro künftig bis zu 800.000 Euro per annum einstreichen kann, sei das einfach nicht mehr vertretbar, meint dagegen Meiler.

Auch für normale Aufsichtsratsmitglieder errechnen Kritiker Gesamtzuschläge von 50 bis 100 Prozent. Das sei trotz unbestrittener Verdienste im Kampf gegen die Korruption und trotz des hohen Arbeitsaufwands untragbar, sagen auch Verständnisvolle. Zwar sei es gelungen, die finanziellen Kosten für den Korruptionsskandal auf rund zwei Milliarden Euro zu begrenzen. Aber das Beste für das Unternehmen herauszuholen gehöre zum Job von Topmanagern, finden die Aktionäre. Die Hauptversammlung stimmte trotz der heftigen Kritik am Abend mit 92,6 Prozent für eine Neuregelung der Vergütung.

Auch die Vorstandsbezüge erregen die Gemüter. Ein Fondsmanager, der Siemens-Anteile verwaltet, fordert einen Grundsatzbeschluss zum Gehalt von Vorstandschef Peter Löscher und seinen Kollegen. Löscher hat im vergangenen turbulenten Jahr knapp zehn Millionen Euro kassiert. Siemens sei jetzt "wieder auf dem festen Fundament der Integrität", findet Cromme. "Der Kurs stimmt", kommentiert Löscher das Geschäftliche. Siemens schlage sich besser als die meisten Konkurrenten. Er sagt es nicht in Worten. Aber Gestik und Mimik verraten, dass er die Höhe seines Gehalts für diese Leistung als gerechte Entlohnung empfindet.

Thomas Magenheim-Hörmann

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