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Siemens: Gerhard Cromme: Der Multi-Tasker

Heinrich von Pierers Nachfolger als Aufsichtsratchef bei Siemens ist ein wirtschaftspolitisches Schwergewicht mit weltweitem Ansehen. Die nach ihm benannte "Cromme-Kommission" stellte für die Bundesregierung einen Kodex für gute Unternehmensführung und -überwachung auf. Von Michael Stürzenhofecker

München - Man könnte sagen, dass dem skandalgeschüttelten Siemens-Konzern im Moment nichts besseres als Gerhard Cromme passieren konnte. Sein Name steht für Unternehmensüberwachung. Als Mitglied des Aufsichtsrates bei Siemens ist er bereits Leiter des Prüfungsausschusses, und damit für die interne Aufarbeitung des Schmiergeld-Skandals bei Siemens zuständig. Doch wird ihm das nun auch zum Vorwurf gemacht, zu lang sei er schon dabei, als dass er neutral sein könnte. Bis zum Ende der Amtsperiode im Januar 2008 wird er den kompletten Aufsichtsrat leiten. Auch bei einem anderen Dax-Schwergewicht, der ThyssenKrupp AG.

Der neue Vorsitzende bei der bayerischen Siemens AG, Dr. jur. Gerhard Cromme, kam am 25.2.1943 in Vechta zur Welt. Der niedersächsischen Kleinstadt hält er aber nicht lange die Treue. Direkt nach seinem Abitur ruft Alma Mater den jungen Cromme 1962 nach Münster zum Studium der Volkswirtschaftslehre und Jura. Schon während seines Studiums agiert der heute 64-Jährige international und an vielen Dingen gleichzeitig. Lausanne, Paris und Harvard sind seine Stationen bis er 1969 nach beiden juristischen Staatsexamen an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster promoviert. Sein Thema, "Die Kraftfahrzeughaftpflicht in Frankreich und Deutschland, Eine rechtsvergleichende Untersuchung", spiegelt diesen Werdegang wider.

Die Laufbahn beginnt 1971

Der Berufsweg des Hobbygolfers begann 1971 bei der Unternehmensgruppe Compagnie de Saint-Gobain die er erst 1986 als Stellvertretender Generaldelegierter für die Bundesrepublik Deutschland verlassen wird. Natürlich hat Cromme zugleich einen zweiten Job. Er ist Vorsitzender der Geschäftsführung der VEGLA/Vereinigte Glaswerke GmbH in Aachen.

1986 erfolgt dann der Wechsel in die erste Liga der Deutschen Wirtschaft. Cromme geht nach Bochum, zum Krupp-Konzern. Bei dem Traditionsunternehmen ist er bis 1989 Vorsitzender des Vorstands der Krupp Stahl AG in Bochum, später Vorstandsvorsitzender der Fried. Krupp GmbH in Essen. In dieser Zeit übersteht er harte Arbeitskämpfe während der Stahlkrise. 1991 ist der Senkrechtstarter dann Strippenzieher bei der wohl ersten feindlichen Übernahme in der deutschen Wirtschaftsgeschichte. Krupp geht mit dem Konkurrenten aus Dortmund, der Hoesch-Gruppe, zusammen. Vorstandsvorsitzender des neuen Konzerns, der Fried. Krupp AG Hoesch-Krupp mit Sitz in Essen/Dortmund, wird Gerhard Cromme.

Cromme schmiedet den Stahlgiganten ThyssenKrupp

Am richtig großen Wurf versucht der Vater von vier Töchtern sich im März 1997. Die Finanzierung für eine feindliche Übernahme des wesentlich größeren Thyssen-Konzerns steht. Indiskretionen und demonstrierende Arbeiter verhindern jedoch den Coup. Aus der feindlichen Übernahme wird 1999 eine Kooperation. Die beiden Unternehmen legen im April 1997 ihre Stahlbereiche zusammen. Eine Gesamtfusion der beiden Konzerne zum Stahlgigant ThyssenKrupp Stahl AG folgt im September. Der Konzern wird von zwei Vorstandsvorsitzenden zusammen geleitet, einer der ersten ist ab März 1999 Gerhard Cromme. Gleichzeitig wird er Vorstandsvorsitzender der ThyssenKrupp Automotive AG in Bochum. Seine Tätigkeit endet im September 2001, als er als Aufsichtsratsvorsitzender der ThyssenKrupp AG wird.

Nebenbei ist Dr. Cromme Mitglied in den Aufsichtsräten der Allianz AG, der Lufthansa, bei Eon, Eon Ruhrgas, Hochtief, und Siemens sowie BNP Paribas und Suez S.A.. Seine Kenntnisse in der Unternehmensführung und der Hochfinanz stellt er seit dem September 2001 auch der Bundesregierung zur Verfügung. Das Justizministerium unter Bundeskanzler Schröder gründet die Regierungskommission "Deutscher Corporate Governance Kodex", auch bekannt unter dem Namen ihres Vorsitzenden, "Cromme-Kommission". Ziel der Kommission ist es, wie der Name erwarten lässt, einen Kodex für Corporate Governance zu entwerfen, um dem schlechten Ruf deutscher Unternehmer in Bezug auf Unternehmensleitung und -überwachung beizukommen. Eine schwere und wichtige Aufgabe, ihm zur Seite stehen unter Anderen Ex-Deutsche-Bank Chef Dr. Rolf-E. Breuer und Porsche-Chef Dr. Wendelin Wiedeking. Der Kodex wurde am im Februar 2002 verabschiedet, ist jedoch für die Unternehmen nicht bindend. Die Kommission arbeitet seitdem an einer ständigen Anpassung der Kodices.

EU-Kartellstrafe ist Crommes größte Niederlage

Neben seinen Verdiensten um das Corporate Governance muss Cromme jedoch auch eine peinliche Schlappe hinnehmen: Sein Konzern ThyssenKrupp, den er bis 2001 leitete, bekam die höchste je von der EU verhängte Geldstrafe: 479 Millionen Euro für die Bildung eines Fahrstuhlkartells. Darüber hinaus werfen Vertreter von Kleinaktionären Cromme schon lange vor, als Aufsichtsratschef von ThyssenKrupp und in Mitglied in zahlreichen anderen Aufsichtsräten nicht unabhängig seine Kontrollpflichten wahrnehmen zu können. Doch jetzt will Cromme erstmal nach vorne blicken. "Wir müssen aufhören zu jammern und endlich wieder kräftig anpacken", schrieb der Manager vergangenes Jahr in einem Zeitungsbeitrag. Neuen Wind will er in die Siemens AG bringen. Das jedoch bezweifelt Aktionärsschützerin Daniela Bergdolt, "da ändert sich de facto gar nichts". (Von Michael Stürzenhofecker (mit AFP))

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