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Wirtschaft: Siemens-Handys endgültig vor dem Aus

Der taiwanesische Eigentümer BenQ will für die deutschen Werke Insolvenz anmelden. 3000 Arbeitsplätze sind in Gefahr

Berlin - Die frühere Handysparte von Siemens steht vor dem Aus. 3000 Mitarbeiter in Deutschland bangen um ihren Arbeitsplatz. Erst vor einem Jahr hatte der taiwanesische Konzern BenQ das verlustreiche Geschäft mit zwei deutschen Werken übernommen. Überraschend teilte BenQ jetzt am Donnerstag in Taipeh mit, keine weitere Zahlungen mehr an seine Mobiltelefonsparte BenQ Mobile zu leisten. Zur Begründung hieß es: „Die Umsatz- und Margenentwicklung im wichtigen Weihnachtsgeschäft wird deutlich hinter den Erwartungen liegen.“ Wegen der schwierigen Geschäftssituation werde BenQ Mobile in den kommenden Tagen Insolvenz beim Amtsgericht München beantragen.

Sowohl Siemens also auch das deutsche Management und die Belegschaft zeigten sich schockiert und überrascht von BenQs Entscheidung, den Geldhahn zuzudrehen. Massive Kritik – auch an Siemens – kam von der Gewerkschaft.

Siemens hatte seine Handysparte, die zuletzt mehr als eine Million Euro Verlust am Tag machte, nach vielen Sanierungsversuchen zum 1. Oktober 2005 an den Elektronikkonzern BenQ abgegeben. Dabei bekam BenQ von Siemens eine Mitgift von 250 Millionen Euro netto dazu – bestehend aus einer Barkomponente, Hilfe bei der Entwicklung von Patenten und Marketingaufwendungen. Zudem erhielt BenQ die Sparte schuldenfrei. Am Ende kostete Siemens die Trennung 350 Millionen Euro vor Steuern. Auch die Beschäftigten mussten Einschnitte hinnehmen. Siemens übernahm im Gegenzug Aktien von BenQ und hält nun zwei Prozent an dem Konzern. „Es ist zu früh zu sagen, was die Ankündigung von BenQ für uns bedeutet“, sagte eine Siemens- Sprecherin am Donnerstag. Man habe erst am Vormittag von der Entscheidung BenQs erfahren.

Vor der Übernahme baute BenQ unter eigenem Namen Flachbildschirme und Laptops. Handys produzierte der Konzern hauptsächlich im Auftrag anderer Hersteller. Gemeinsam mit Siemens wollte BenQ unter eigener Marke auf dem Weltmarkt Erfolg haben. Doch zur Jahresmitte lag der Marktanteil von BenQ-Siemens bei 3,2 Prozent, nach 4,8 Prozent im Vorjahr. Von der Entscheidung, kein weiteres Geld nachzuschießen, sind die Zentrale von BenQ mobile in München (1400 Mitarbeiter) und die Standorte in Kamp-Lintfort und Bocholt in Nordrhein-Westfalen (1600 Mitarbeiter) betroffen. BenQ teilte mit, sein globales Geschäft mit Handys fortzusetzen, werde dazu aber seine bestehenden Forschungs- und Entwicklungs- als auch Fertigungskapazitäten in Asien nutzen.

„Die Mitarbeiter sind geschockt. Genauso wie die Geschäftsleitung“, sagte BenQ-Mobile-Sprecher Stefan Müller dem Sender ntv. Mit dieser Entscheidung habe man nicht gerechnet. „Wir wurden heute Morgen wie vom Blitz getroffen.“

Der Bezirksleiter der IG Metall Bayern, Werner Neugebauer, machte für die bevorstehende Insolvenz das „eklatante Versagen des Managements“ verantwortlich. Die Beschäftigten bei BenQ hätten auf rund 28 Prozent ihres Einkommens verzichtet, um der Handysparte auf die Beine zu helfen. Damit sei bewiesen, dass die Probleme in Teilen von Siemens nicht an angeblich zu hohen Gehältern der Beschäftigten lägen. „Siemens ist und bleibt jetzt in der moralischen Verantwortung“, sagte Neugebauer. Die Landesregierung in NRW hat sich eingeschaltet: „Wir sind im Gespräch mit BenQ“, sagte ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums. Betroffen ist auch der Chiphersteller Infineon. 15 Prozent des Geschäfts mit Chips für Handys macht Infineon bisher mit BenQ.

Branchenexpertin Carolina Milanesi von der Marktforschungsfirma Gartner zeigte sich überrascht, dass BenQ jetzt aufgibt. „Die Aufgabe war zu schwierig, als dass sie so schnell hätte Erfolge zeigen können“, sagte sie dem Tagesspiegel. Der Wettbewerb in der Branche habe sich verschärft. Zudem sei BenQ auch mit der Siemens-Sparte zu klein, um Kostenvorteile wie die großen Hersteller Nokia oder Motorola zu erzielen. Milanesi meint, dass man hochwertige Mobiltelefone auch gut in Deutschland produzieren kann. Dennoch hat sie Zweifel, dass sich ein Käufer für die deutschen Werke finden könnte, denn: „Niemand wollte Siemens, niemand wollte BenQ“, sagte Milanesi.

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