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Siemens-Konzernchef Joe Kaeser will kräftig sparen.

© dpa

Siemens: Konzern-Umbau betrifft weltweit 11600 Arbeitsplätze

Harte Einschnitte bei Siemens: Der Elektronikkonzern wird radikal umgebaut - weltweit stehen 11600 Mitarbeitern unruhige Zeiten bevor. Das kündigte Konzernchef Joe Kaeser in New York an.

Siemens-Beschäftigten stehen unsichere Zeiten bevor. Etliche könnten ihren Job verlieren oder künftig an einen anderen Arbeitsplatz versetzt werden – in einen anderen Geschäftsbereich, eine andere Stadt, in ein anderes Land. Erstmals hat Siemens nun die Zahl der vom Konzernumbau betroffenen Arbeitsplätze konkret beziffert: Vorstandschef Joe Kaeser erklärte am Donnerstag (Ortszeit) auf einer Investorenkonferenz in New York, die Neuausrichtung werde weltweit 11 600 Stellen betreffen.
Damit müsste sich etwa jeder 30. der zuletzt weltweit 359 000 Siemensianer, von denen 117 000 in Deutschland und knapp 12 000 in Berlin arbeiten, auf Veränderungen einstellen. Weil die Konzernstruktur radikal umgebaut wird und offen ist, welche Bereiche personell mehr oder weniger stark betroffen sind, rätseln Betriebsräte und Gewerkschaften, wo die Einschnitte am schmerzhaftesten sein werden. In einem Brief an die Mitarbeiter stiftete Kaeser am Freitag Verwirrung: „Die Meldungen sind so nicht richtig beziehungsweise völlig falsch ausgelegt“, schrieb er. Es gehe nicht um einen Stellenabbau in der genannten Höhe, sondern darum, dass das Management das Unternehmen wieder näher an die Kunden bringen müsse. Intern müssten zudem die Geschäfte besser verknüpft werden.

Kaeser will eine Milliarde Euro sparen

Klar ist, der Siemens-Chef wirft die Strukturreformen seines Vorgängers Peter Löscher komplett um – und will damit eine Milliarde Euro einsparen. Er schafft die vier Großsektoren Industrie, Energietechnik, Medizintechnik und Infrastruktur & Städte ebenso ab wie die derzeitige Regionalorganisation. Kaeser rechnete nun in New York vor: „7600 Menschen arbeiten in der Sektorkoordination, einer Managementebene, die weg ist“, erläuterte er. „Weitere 4000 Beschäftigte haben sich mit Regionalanalyse beschäftigt, aber die Kunden sind die gleichen geblieben.“ Die Addition dieser Stellen und die Annahme, diese würden abgebaut, sei indes nicht zulässig, korrigierte Kaeser in seinem Brief.

In der Münchener Siemens-Zentrale versuchte man am Freitag erst einmal zu beruhigen: „Stellenabbau in einem Bereich muss nicht zwangsläufig Jobverlust bedeuten“, sagte ein Sprecher.
Auch die IG Metall, die sogar von weltweit bis zu 18 000 betroffenen Stellen ausgeht, will sich von Kaesers Zahl noch nicht alarmieren lassen. „Das bedeutet für den Standort Deutschland nicht 1:1 den Verlust von Arbeitsplätzen“, sagte Klaus Abel, zweiter Bevollmächtigter der Gewerkschaft in Berlin, dem Tagesspiegel. Betriebsbedingte Kündigungen seien bei Siemens ohnehin bis auf weiteres ausgeschlossen. Seit 2010 gilt eine unbefristete Standort- und Beschäftigungsgarantie. Bei einem bundesweiten Protesttag hatten Beschäftigte vergangene Woche die Konzernführung daran erinnert und waren gegen einen Stellenabbau auf die Straße gegangen.

Berlin könnte möglicherweise profitieren

Weil Kaeser vor allem auf der Führungs- und Verwaltungsebene sparen will, könnte Berlin als größter Produktionsstandort des Unternehmens von dem Umbau weniger stark betroffen sein als etwa Erlangen oder München – oder sogar profitieren. „Wir verstehen, dass Siemens weniger Bürokratie braucht – und dass der Vertrieb gestärkt werden muss“, sagte Klaus Abel. Der Deutschland-Vertrieb sitzt in Berlin. Aber auch die Leitung der Bahnsparte. Im Gasturbinenwerk beschäftigt Siemens 3700 Mitarbeiter, in den Schaltwerken insgesamt 3000 Mitarbeiter. In seinem größten deutschen Ausbildungszentrum werden in Berlin fast 900 eigene Lehrlinge ausgebildet.
Kaeser will den Schwerpunkt des Geschäfts stärker auf die Energieerzeugungstechnik und Industrieausrüstung legen. Die Medizintechnik rückt eher in den Hintergrund. Die Pläne umfassen nicht die Möglichkeit, dass sich Siemens im Bieterrennen um Alstom gegen den Rivalen GE durchsetzen könnte. Arbeitnehmervertreter fürchten für diesen Fall weitere Einschnitte, wenn Siemens seine Zugsparte wie vorgeschlagen an die Franzosen abgeben würde.
„Die Unsicherheit ist weiterhin groß“, sagte der Berliner IG-Metall-Bevollmächtigte Abel. „Auch auf der Führungsebene sind viele gelähmt, weil die neue Konzernstruktur erst ab Oktober greift.“ Von Kasers Vorstoß wurden die Gewerkschaften überrascht. „Die Zahl, die jetzt aufgeschlüsselt wurde, ist mit uns nicht besprochen worden“, sagte eine Sprecherin. „Wir warten die Gespräche ab.“ (mit rtr)

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