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Siemens: Kraftpakete aus Berlin

Siemens entwickelte in Moabit die leistungsstärkste Gasturbine der Welt – die erste wird bald in die USA geliefert.

Berlin - Der Technologiekonzern Siemens erwartet, von der von Präsident Barack Obama angekündigten Energiewende in den USA profitieren zu können. „Präsident Obama hat verstanden, welchen Energiemix das Land für die Zukunft braucht“, sagte Michael Süß, Leiter des Siemens-Bereichs Fossile Stromerzeugung, im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Bereits im Jahr 2001 habe es einen Boom von Gaskraftwerken in den USA gegeben. „Wir erwarten jetzt wieder eine größere nachhaltige Nachfrage“, sagte Süß. Der Markt sei in Bewegung, immer mehr veraltete Kohle- und Gaskraftwerke würden durch umweltfreundlichere und effizientere Gaskraftwerke ersetzt. Davon werde auch der Standort Berlin profitieren.

Die USA sind für die Energiesparte von Siemens ein sehr wichtiger Markt. Bei den fortschrittlichen Gasturbinen hat das Unternehmen nach Angaben von Süß einen Marktanteil von 40 Prozent. „Wir sind weltweit gut aufgestellt“, sagte der Manager. „Deshalb gibt es immer einen Markt, der gut läuft.“ So habe Siemens im vergangenen Jahr, mitten in der Wirtschaftskrise, seinen weltweiten Marktanteil bei Gasturbinen verdoppeln können, obwohl sich der Markt insgesamt halbiert habe.

Auch der Boom bei erneuerbaren Energien beflügelt das Geschäft mit Gaskraftwerken, weil sie sehr flexibel eingesetzt werden können. Wenn also zum Beispiel der Wind nicht mehr weht und Windkraftanlagen still stehen, können Gaskraftwerke für Ausgleich sorgen. In den vergangenen zehn Jahren entwickelte Siemens eine Gasturbine mit einem Wirkungsgrad von 60 Prozent im kombinierten Gas- und Dampfturbinenbetrieb. Das sei Weltrekord, sagt der Konzern. Die neue Turbinengeneration verbraucht damit für die gleiche Menge erzeugten Stroms ein Drittel weniger Gas und senkt im selben Umfang die CO2- Emissionen gegenüber bisherigen Lösungen. Mehr als 800 Siemens-Mitarbeiter, darunter auch viele aus Berlin, waren an der Entwicklung der Turbine der H-Klasse, also der aktuell höchsten Effizienzklasse, beteiligt. Zudem wurde der Prototyp im Berliner Werk an der Huttenstraße gebaut. Nachdem die Turbine aus der Hauptstadt erfolgreich im Pilotbetrieb im bayerischen Irsching getestet wurde, wird die Anlage jetzt zu einem Gas- und Dampfkraftwerk umgebaut, das 2011 an den Energiekonzern Eon übergeben werden soll.

Inzwischen gibt es aber auch einen ersten kommerziellen Kunden: Der US-Energieversorger Florida Power & Light hat sechs Turbinen der H-Klasse bestellt. Das Auftragsvolumen beläuft sich laut Süß auf einen ordentlichen dreistelligen Millionen-Euro-Betrag. Mitbewerber für den Auftrag war das japanische Unternehmen Mitsubishi Heavy Industries. Die US-Konkurrenz (zu der gehört General Electric) dagegen habe kein vergleichbares Produkt im Angebot gehabt. Über die gesamte Laufzeit von 20 bis 30 Jahren gerechnet, will der US-Versorger geschätzte 850 Millionen bis 950 Millionen Dollar durch den Einsatz der effizienteren Maschinen sparen.

„Florida Power & Light ist ein Innovationstreiber“, sagte Süß. Gemeinsam mit dem US-Versorger will Siemens Erfahrungen mit dem Betrieb der Turbine sammeln. „Wir haben weitere Kaufinteressenten aus Japan, Korea und Russland“, sagte Süß. Jedoch wolle Siemens zunächst nicht mehr als 15 Maschinen des Typs an den Markt bringen. „Wir wollen nichts überstürzen.“ Im Berliner Werk wird bereits an den Turbinen für Florida gebaut. Hier werden auch weiterhin die Maschinen für den 50-Hertz-Markt, also zum Beispiel für den europäischen Raum gebaut. Künftig sollen die Turbinen für die USA im Siemens-Werk in Charlotte, North Carolina produziert werden.

„Berlin ist das Werk, wo wir technische Innovationen vorantreiben“, sagte Süß. „Wir haben guten Gewissens in die Hauptstadt investiert.“ Die hoch motivierten Mitarbeiter lohnten das Engagement. Insgesamt hat Siemens in den vergangenen zehn Jahren rund 500 Millionen Euro in die Entwicklung der neuen Turbinengeneration gesteckt, inklusive der Pilotanlage in Irsching. Nach Berlin sind unter anderem 50 Millionen Euro für eine neue Schaufelfertigung geflossen. 20 Millionen Euro hat ein neues Testfeld gekostet.

„Wir stecken jedes Jahr erhebliche Investitionen zur Modernisierung in das Berliner Werk“, sagte Süß. Auch die Entwicklungskapazitäten in der Hauptstadt sollen weiter ausgebaut werden. Das Werk an der Huttenstraße in Moabit, in dem jährlich etwa 60 Gasturbinen verschiedener Generationen produziert werden, sei voll ausgelastet. Eine Erweiterung sei derzeit nicht geplant, sagte Süß.

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