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Siemens-Schmiergeld-Affäre: US-Ermittler: Korruption in allen Bereichen

Der Korruptionsskandal beim Siemens-Konzern weitet sich aus. Ermittlungen einer US-Kanzlei zufolge, lassen sich Korruptionsfälle bis in die neunziger Jahre nachweisen. Insgesamt sollen 1,3 Milliarden Euro illegal eingesetzt worden sein, um dem Unternehmen lukrative Auslandsaufträge zu sichern.

In der Siemens-Schmiergeld-Affäre drohen dem früheren Management nach neuen Erkenntnissen über umfangreiche Verstöße gegen Gesetze und Vorschriften Schadenersatzforderungen des Konzerns. Die mit den internen Ermittlungen beauftragte US-Kanzlei Debevoise & Plimpton habe in einem Zwischenbericht zahlreiche neue Erkenntnisse über Regelverstöße in den Jahren 1999 bis 2006 vorgelegt, teilte Siemens am Dienstag nach einer Aufsichtsratssitzung in München mit.

"Die Kanzlei hat in nahezu allen untersuchten Geschäftsbereichen und in zahlreichen Ländern Belege für Fehlverhalten im Hinblick auf in- und ausländische Anti-Korruptionsvorschriften gefunden." Der Konzern wolle nun Schadenersatzansprüche gegen ehemalige Vorstandsmitglieder prüfen.

Korruptionsfälle in Hauptunternehmenssparten

Ein entsprechender Auftrag sei an den sogenannten Compliance-Ausschuss des Aufsichtsrates ergangen, der sich mit der Einhaltung von Gesetzen und Regeln befasst. Auch der Vorstand sei gebeten worden, etwaige Schadenersatzforderungen und deren Durchsetzbarkeit zu prüfen, hieß es. Die Zahl neuer Fälle, in denen entsprechende Untersuchungen laufen, gab Siemens für das 2. Quartal des laufenden Geschäftsjahres 2007/08 (30. September) mit 28 an, nach 52 in den vorangegangenen drei Monaten.

In dem Korruptionsskandal geht es um dubiose Zahlungen in Höhe von 1,3 Milliarden Euro, die vermutlich größtenteils zur Erlangung von Aufträgen im Ausland eingesetzt wurden. Der Zwischenbericht der US-Kanzlei umfasste den Stand der Ermittlungen in der früheren Telekommunikationssparte Com sowie in fünf weiteren Geschäftsbereichen des Konzerns, darunter unter anderem die Energieverteilung, die Verkehrs- und die Medizintechnik.

Mangelhafte interne Kontrolle

Dabei habe auch das Verhalten des früheren Siemens-Managements "bei diesen Geschäftspraktiken" im Fokus gestanden, hieß es. Bei den aufgedeckten Verfehlungen handele es sich nicht nur um direkte Korruptionsvorfälle, sondern "vielfach" auch um "Verletzungen von Vorschriften, die sich auf die internen Kontrollen und die Korrektheit der Dokumentation beziehen".

Nach Erkenntnissen der US-Ermittler waren die früheren Vorstandsmitglieder unterschiedlich gut über die Zahlungen informiert und gingen unterschiedlich damit um. "Zwischen korrektem Verhalten, dem Abschieben von Verantwortung, Nicht-Reaktion oder nicht ausreichendem oder schnellem Reagieren bis zu möglicher Mitwirkung an Compliance-widrigen Aktivitäten gebe es ein weites Spektrum und mannigfache Schattierungen", hätten die Ermittler deutlich gemacht.

Schmiergeldaffäre kommt Siemens teuer zu stehen

Zugleich seien keine neuen, belastenden Informationen entdeckt worden, die einer Entlastung der heutigen Siemens-Vorstandsmitglieder im Wege stünden. Daher habe der Aufsichtsrat dem Vorstand sein volles Vertrauen ausgesprochen. Mit Blick auf frühere Vorstandsmitglieder will der Aufsichtsrat eine genaue Bewertung der Einzelfälle vornehmen. Erst dann seien Beschlüsse über konkrete Konsequenzen und Schlussfolgerungen möglich, hieß es.

Allein zwischen Januar und März hat der Konzern unterdessen im Zuge der Aufarbeitung des Schmiergeld-Skandals 175 Millionen Euro für Anwälte ausgegeben. Damit steige die Gesamtsumme für externe Berater in diesem Bereich sowie für das Abstellen von Schwächen im Kontrollsystem im ersten Halbjahr 2007/08 auf 302 Millionen Euro, hieß es.

Im zweiten Quartal sind damit die Kosten angestiegen. Zur Begründung verwies ein Unternehmenssprecher unter anderem auf die Befragungen von Beschäftigten im Rahmen des im Februar abgelaufenen Amnestieprogramms bei Siemens sowie auf den Einsatz von Kontrollinstrumenten zur Vermeidung von Korruption. (iba/dpa)

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