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Wirtschaft: Siemensianer sorgen sich um ihren Job

Zwei Jahre nach Vorlage des Standortsicherungskonzeptes ziehen die Betriebsräte Bilanz BERLIN (mo). Die Berliner Siemens-Betriebsräte wollen Konzernvorstand und Berliner Senat noch stärker in die Pflicht nehmen.

Zwei Jahre nach Vorlage des Standortsicherungskonzeptes ziehen die Betriebsräte Bilanz

BERLIN (mo). Die Berliner Siemens-Betriebsräte wollen Konzernvorstand und Berliner Senat noch stärker in die Pflicht nehmen.Gut zwei Jahre nach Vorlage eines Standortsicherungskonzeptes für Berlin, das die Betriebsräte der Berliner Siemens- und Siemenstochterbetriebe mit der Berliner IG Metall erarbeitet hatten, wurde am Donnerstag eine eher nüchterne Bilanz gezogen.Trotz einiger positiver Erfahrungen überwiegen die Sorgen, daß der Arbeitsplatzabbau im industriellen Bereich weitergeht. "Die Industriepolitik weist Defizite auf," erklärte Georg Nassauer, der die Arbeitnehmerinteressen der Siemens AG im Konzern-Aufsichtsrat vertritt."Wir fühlen uns in unserem Anliegen, die Industriearbeitsplätze in Stadt und Region zu sichern, schlecht vertreten," kritisierte er das Verhalten der Geschäftsführung, aber auch der Wirtschaftsverwaltung.Der Personalbbau habe sich zwar verlangsamt, aber sei nicht gestoppt.Berlin gilt als größte industrielle Fertigungsstätte des Konzerns.Nach Angaben der IG Metall wurden zwischen 1992 und 1996 etwa 30 Prozent aller Siemens-Arbeitsplätze abgebaut.Allerdings hatte sich die Zahl der Beschäftigten nach der Wende um etwa 4000 auf über 27 000 erhöht.Heute spielt Siemens in der Region mit 19 000 Beschäftigten - konsolidierte Tochtergesellschaften wie Osram und Siemens-Nixdorf (SNI) sowie Lehrlinge inbegriffen - nach wie vor die Rolle des größten privaten Arbeitgebers. Im Sommer vor zwei Jahren hatten sich Arbeitnehmervertreter mit der Konzernspitze auf eine Stabilisierung der Beschäftigung und eine Modernisierungsoffensive verständigt.Das Innovationspotential Berlins sollte genutzt werden."Berlin bietet mehr Chancen als Siemens genutzt hat," resummierte Nassauer jetzt.Nun müsse es darum gehen, neue Kompetenzen aus eigener Kraft für Berlin zu gewinnen.Dabei denke man an Multimedia, aber auch an Verkehrs- und Gebäudetechnik.Es sei nicht einzusehen, warum man nicht auch Forschungsarbeiten im Bereich Multimedia verstärkt in Berlin konzentriere.Die Stadt biete durchaus Grundlagen.Es gelte Lösungskompetenz und soziale Verantwortung einzufordern, sagte Nassauer.Grundsätzlich problematisch bleibt allerdings, auf mehr Kompetenzverlagerung zu bestehen, ohne Kompetenzen von anderen Siemens-Standort abzuziehen.So hat die Teilverlagerung des Vertriebs für die Verkehrstechnik von Erlangen nach Berlin mit 170 Mitarbeitern für erheblichen Gesprächsstoff im Konzern gesorgt. Während der Personalaufbau in diesem Bereich wie auch in der Telekommunikation, das heißt bei den öffentlichen Netzen, wo derzeit sogar noch 250 Ingenieure für Entwicklung, Vertrieb und Service gesucht werden, zu den Erfolgen des Standortsicherungskonzeptes gehört, schlagen Verlagerungen und Ausgliederungen negativ zu Buche.Allen voran die beabsichtigte Ausgliederung des Systemservice bei SNI, von dem 150 Ingenieure betroffen wären, sorgt derzeit im Haus für Gesprächsstoff.Nach Auffassung ist das Begehren der Geschäftführung, die auf eine unentgeldliche Verlängerung der Arbeitszeit pocht und die Arbeitsverhältnisse fortan einzelvertraglich geregelt wissen will, nicht mehr als eine "Operation in die Brieftasche" und eine "halbe Entlassung".Als katastrophal bezeichnete Arno Hager, zweiter Bevollmächtigter der IG Metall, Berlin, die Ausbildungsplatzsituation bei Siemens in Berlin.Die Zahl der Arbeitsverhältnisse im gewerblich-technischen Bereich sei von 1176 im Jahr 1988 auf nur noch 664 im vergangenen Jahr gesunken.Wurden 1991 noch 258 Jugendliche eingestellt, so waren es 1996 lediglich noch 154.Zum 1.September dieses Jahres sollen es nur noch 130 sein.

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