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Sigmar Gabriel: Unter Dampf

Umweltminister Gabriel unterstützt die Lokführer im Tarifstreit, dabei will sich die Regierung in Zurückhaltung üben. Was sind die Motive der Politik im Bahn-Streit?

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Berlin - Es passt ganz gut, dass sich das Bundeskabinett am Mittwoch auch mit rohen Eiern befasst hat, im Rahmen einer Änderung der Legehennenbetriebsstättenverordnung. Ob Sigmar Gabriel (SPD) sich zu dem Tagesordnungspunkt zu Wort gemeldet hat, ist nicht überliefert, so wenig wie ein eventueller Beitrag des Umweltministers zur kurzen Aussprache der Ministerrunde über den drohenden Streik bei der Bahn. Dafür hat Gabriel sich zum Bahnkonflikt außerhalb des Kabinetts vernehmen lassen, in der Illustrierten „Stern“. Die Lokführer forderten 30 Prozent mehr Lohn, hat der Interviewer zu fragen angehoben. „Und sie haben recht“, sprudelte es aus Gabriel heraus. „Es ist nicht korrekt, wenn so ein Lokführer, der wirklich viel Verantwortung trägt, 1500 Euro netto bekommt!“

Das kann man so sehen, das kann man anders sehen – nur: Als Mitglied der Bundesregierung darf man das öffentlich weder so noch so sehen. Gabriels Äußerungen wurden genau an dem Mittwoch bekannt, an dem der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg die diesbezüglichen Grundsätze nach der Kabinettssitzung noch einmal ausführlich referiert. Die Tarifautonomie, betonte Steg, liege bei den Tarifparteien. Die einzige Art der Einmischung, die sich die Regierung erlaube, nehme Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) in Abstimmung mit der Kanzlerin vor, indem er auf beide Seiten einwirke mit dem Ziel, dass sie bei allem, was sie tun, „Mäßigung und Verhältnismäßigkeit“ beachteten. Im gleichen Sinne hat Steg dann namens des Kabinetts an den Bahnvorstand wie an die Gewerkschaft GDL erneut den dringenden Appell gerichtet, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Schließlich könnten Streiks großen volkswirtschaftlichen Schaden anrichten (siehe Interview).

Wem diese Formulierungen ein wahrer Eiertanz zu sein scheinen, der hat recht. Für die Verhältnisse der Bundesregierung sind schon Mahnungen ein ungewöhnlich deutliches Signal. Umso wichtiger, peinlich darauf zu achten, dass der Ruf zur Vernunft nicht wie eine Parteinahme für eine Seite wirkt. Zumal in diesem Fall, in dem der Bund als hundertprozentiger Anteilseigner der Chef der Arbeitgeberseite ist.

Gabriel tritt dagegen kräftig drauf. Früher war der Ex-Ministerpräsident berüchtigt für flotte Kommentare zu allem. Seit er Umweltminister ist, hat er öffentlich Disziplin gehalten. Möglich, dass er sich in dem entspannten Urlaubsinterview wieder mehr als allgemeiner SPD-Politiker mit allen Freiheiten und Zuständigkeiten gefühlt hat denn als Minister mit Rechten und Pflichten. Dazu würde passen, dass Gabriels Solidaritätserklärung mit der lokführenden Arbeiterschaft inmitten von Betrachtungen darüber steht, dass die SPD soziale Sicherheit mehr in den Mittelpunkt stellen müsse. Denkbar ist allerdings auch, dass bloß der ums eigene körperliche Wohl besorgte Kunde gesprochen hat. „Wenn die mich mit 300 Sachen durchs Land fahren“, hat Gabriel auch noch gesagt, „möchte ich nicht, dass sie sich mit Existenzsorgen quälen.“

Bei Gewerkschafter kam das Interview jedenfalls nicht gut an. Der Chef der zweiten großen Eisenbahnergewerkschaft GDBA, Klaus-Dieter Hommel, sagte: „Der Bundesumweltminister soll sich um die Umwelt kümmern und sich nicht in Tarifauseinandersetzungen einmischen.“ Hommel wehrte sich auch gegen Überlegungen von Politikern und in der Wirtschaft, das Streikrecht in Deutschland gesetzlich zu beschneiden. Die GDBA, die erst vor wenigen Wochen zusammen mit der Gewerkschaft Transnet einen Tarifvertrag bei der Bahn ausgehandelt hat, forderte Lokführer und Konzern auf, einen externen Moderator für ihren Konflikt zu finden. Bahn und GDL haben darüber zwar Gespräche geführt, sich aber noch nicht auf Personen geeinigt. Die Gewerkschaft brachte den ehemaligen CDU-Generalsekretär Heiner Geißler ins Spiel, die Bahn machte ihre Vorschläge noch nicht öffentlich. Ex-Kanzler Gerhard Schröder, der bereits Schlichter in einem Tarifkonflikt bei der Bahn war, wollte sich nicht äußern. Der ehemalige sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf, dessen Name bereits fiel, macht derzeit Urlaub.

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