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SKANDALE, MILLIARDENGESCHÄFTE, FEHLENTSCHEIDUNGEN Die Gewinner ...: Der Beschleuniger

2007 war das bisher beste Jahr für Porsche-Chef Wendelin Wiedeking. Doch er hat noch Größeres vor: 2008 will er Volkswagen übernehmen

Verspeist habe er noch niemanden, sagte Porsche-Chef Wendelin Wiedeking kürzlich. „Nicht einmal gebissen habe ich einen.“ Für den einen oder anderen, der Wiedeking dieses Jahr kennengelernt hat, ist das durchaus Ansichtssache. Der 55-jährige gebürtige Westfale (geschätztes Jahreseinkommen: 60 Millionen Euro) hat keine Beißhemmung, und er kann austeilen. Damit schafft er sich Feinde. 2007 sind ein paar hinzugekommen. Anfangs klang es wie „Mann beißt Hund“: Porsche übernimmt VW. Doch im Verlauf des Jahres wurde daraus ein sehr reales Drama, das die deutsche Wirtschaft noch nicht erlebt hat. Zunächst in kleinen Schritten, dann immer stürmischer, kaufte sich der Zuffenhausener Nischenanbieter (Umsatz: 7,4 Milliarden Euro) bei Europas größtem Autokonzern (105 Milliarden Euro) ein. Steigende Gewinne im Rücken und die Gesellschafterfamilien Piëch und Porsche hinter sich, griff Wiedeking zu. Im März machte Porsche ein Pflichtangebot an alle VW-Aktionäre und stockte seine Beteiligung auf gut 30 Prozent auf. Die Banken gaben Porsche eine Kreditlinie über 35 Milliarden Euro, die Finanzchef Holger Härter – ein Zeichen der Stärke – bislang nicht in Anspruch nahm.

Kaum jemand zweifelt daran, dass Porsche auch die Mehrheit an VW übernehmen wird. Schon jetzt soll der Konzern über Optionen deutlich mehr als die bekannten knapp 31 Prozent halten. Der Einsatz lohnte sich bisher: Allein mit Optionsgeschäften auf VW-Aktien verdiente das Unternehmen dieses Jahr 3,6 Milliarden Euro.

Im Oktober machte der Europäische Gerichtshof auch den juristischen Weg frei. Er kippte das VW-Gesetz, das Volkswagen seit 1960 vor feindlichen Übernahmen geschützt hatte. Porsche statt Heuschrecken – mit dieser Losung fand der Einstieg des Sportwagenkonzerns in Wolfsburg selbst bei den Betriebsräten Zustimmung. Wiedeking wurde zur „Heuschrecke mit Herz“.

Ärger gab es trotzdem. Obwohl er sich in Interviews gern als Freund der Mitbestimmung geriert, legte sich Wiedeking mit dem mächtigen Betriebsratschef in Wolfsburg an. Es dürfe auch bei VW keine „heiligen Kühe“ geben, ließ der Porsche-Chef Bernd Osterloh wissen. Dass er den deutlich größeren VW-Konzern mit 320 000 Beschäftigten (Porsche: 12 000) künftig als Tochter unter dem Dach einer Porsche-Holding betrachtet, trieb die Arbeitnehmervertreter bei VW auf die Barrikaden. Sie fühlen sich nicht angemessen im Aufsichtsgremium der neuen Holding vertreten. Am 13. Februar trifft man sich erneut vor Gericht.

Der diplomierte Maschinenbauer Wiedeking weiß in diesem und anderen Konflikten Betriebsratschef Uwe Hück an seiner Seite. Hück, Kickboxer und Porschefahrer, hat leichtes Spiel: 2007 verteilte Porsche eine Erfolgsprämie von 5200 Euro an jeden Mitarbeiter. Man kann es sich leisten. Bei einem Umsatz von 7,4 Milliarden Euro verdiente das Unternehmen unter dem Strich gut 4,2 Milliarden Euro. So profitabel ist kein anderer Autokonzern der Welt. Die Börse honorierte es 2007 mit einer Verdopplung des Aktienkurses.

Im kommenden Jahr will Wiedeking noch drauflegen. Den Spaß hat der Vorstandschef, der nach der Inthronisierung durch Ferdinand Piëch im Jahr 1992 seit 15 Jahren an der Porsche-Spitze steht, noch nicht verloren. Das üppige Jahreseinkommen – mehr verdient kein deutscher Vorstandschef – dürften dabei helfen. Doch Geld allein ist nicht Wiedekings Antrieb. Die neue Porsche-Holding lässt ihn in der großen Dimension denken. Darin gleicht er Porsche- und VW-Patriarch Ferdinand Piëch, der ihn aufbaute und förderte.

Beiden könnte das neue Jahr allerdings auch noch unerwartete Hindernisse in den Weg legen. Piëch könnte im VW-Untreue-Prozess vor dem Braunschweiger Landgericht ins Zentrum des Verfahrens rücken. Das würde auch die Achse Wolfsburg–Zuffenhausen in Mitleidenschaft ziehen.

Wiedeking wiederum sieht sich seit vergangener Woche mit den Plänen einer EU-Kommission konfrontiert, die drastische Strafen gegen CO2- Sünder vorsieht. Der Sportwagenbauer hat unter den deutschen Herstellern beim Klimaschutz den größten Nachholbedarf. Wiedeking kontert zwar gerne, Porsche stoße – gemessen an der PS-Zahl – verhältnismäßig wenig Klimagase aus. Die Rolle des Umweltengels steht dem Porsche-Chef dennoch nicht. Diese Zeichen der Zeit muss er noch erkennen.

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