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Dieser Espressoautomat lässt sich per App steuern.

© dpa

Smart Home: Das vernetzte Zuhause muss noch überzeugen

Die Kaffeemaschine spricht mit dem Handy, der Kühlschrank twittert, die Hersteller sind hin und weg. Kunden und Verbraucherschützer noch nicht.

Sie reden miteinander. Wurde auch Zeit. Zwei Jahre lang hat man bei der BSH daran getüftelt, dass sich Backöfen, Geschirrspüler oder Kühlschränke mit den Handys ihrer Nutzer unterhalten und bei Bedarf untereinander abstimmen können. Nicht ohne Stolz lässt BSH-Chef Karsten Ottenberg dann auch wissen, es handele sich um die „weltweit erste Lösung“, mit der Verbraucher Hausgeräte unterschiedlicher Marken mit nur einer App steuern könnten. Technisch mag das wohl so sein. Praktisch wird sich die auf der Ifa vorgestellte App aber zunächst mit Bosch- und Siemens-Geräten begnügen müssen: Beide Marken laufen bei der Bosch und Siemens Hausgeräte (BSH) vom Band, kommen also aus einem Haus. Und wie BSH versuchen auch andere Konzerne, einen Standard zu etablieren, über den internetfähige Kaffeemaschinen, Staubsauger oder Thermostate sich künftig mitteilen und abstimmen.

Der Konkurrenzkampf ist in vollem Gange. In neun von zehn Haushalten stehen nach Branchenangaben Geräte unterschiedlicher Hersteller, wohl auch aus unterschiedlichen Generationen. Der fehlende einheitliche Standard ist nach Auffassung von Experten einer der Gründe dafür, warum der Traum vom vernetzten Haus, der in der Industrie seit mehr als zwei Jahrzehnten geträumt wird, sich noch nicht erfüllt hat.

Das Internet der Dinge ist nur noch eine Frage der Zeit

Dennoch ist das vernetzte Zuhause – bei den Geräteherstellern gern auch unter den englischen Begriff Smart Home gefasst – wohl nur noch eine Frage der Zeit. Längst sind Fernseher nicht mehr die einzigen Alltagsgeräte, in denen Computerchips arbeiten. Künftig kommt nicht nur jeder Computer, jedes Tablet, jedes Smartphone ins Internet, sondern praktisch jeder Gegenstand vom Toaster bis zum Auto. Der US-Netzwerkspezialist Cisco schätzt, dass es im Jahr 2020 weltweit 50 Milliarden internetfähige Dinge gibt. 2010 sollen es erst 12,5 Milliarden gewesen sein.

In fünf bis sechs Jahren – so schätzt der IT-Branchenverband Bitkom – kann jedes neue Gerät im Haushalt mit anderen kommunizieren. Das Beratungshaus Deloitte erwartet 2017 in Europa einen Smart-Home-Umsatz von 4,1 Milliarden Euro. Im abgelaufenen Jahr lag er demnach bei 1,7 Milliarden Euro. Anders ausgedrückt: Die Hersteller von Hausgeräten wittern das ganz große Geschäft. Miele etwa führt ein gutes Dutzend von vernetzungsfähigen Gerätegattungen auf. Philips zeigt auf der Ifa spezielle Lampen und kündigt eine netzwerkfähige Fernbedienung an. Start-ups wie Yetu aus Berlin bieten Steuerplattformen an, andere entwickeln internetfähige Produkte – wie Tado aus München mit seinen intelligenten Thermostaten. Hierzulande werben unter anderem die Telekom mit Qivicon und RWE Steuerzentralen für intelligente Haussteuerung.

Nest-Mitgründer Rogers auf der Ifa

Nicht zuletzt mischen die großen Technologiekonzerne mit. Google hatte im Frühjahr mit dem Kauf des Thermostate-Herstellers Nest einen großen Schritt in die Wohnungen der Verbraucher getan. Auf der Ifa präsentierte Nest-Mitgründer Matt Rogers am Sonnabend seine Vision von einem lernenden Zuhause. Das Thermostat und auch der Rauchmelder sammel dazu Bewegungsprofile, Luftfeuchtigkeit und Helligkeit. Apple stellte erst kürzlich sein Tool-Kit vor, das Entwicklern das Programmieren erleichtern soll.

Samsung kaufte im vergangenen Monat die offene Smart-Home-Plattform Smart Things und hat sich auch mit Intel und Dell verbündet. Ziel: einen weltweiten Standard für das vernetzte Zuhause zu schaffen. Bitkom-Fachmann Tobias Arns befürwortet einen gemeinsamen Standard. Wichtig seien aber vor allem Schnittstellen, mit denen sich unterschiedliche Systeme verknüpfen lassen. „In einigen Jahren wird eine Handvoll Plattformen übrig bleiben.“ Deloitte-Analyst Gunther Wagner erwartet, dass sich bereits in anderthalb Jahren abzeichnet, wer das Rennen macht. „Die Marktmacht von Google, Apple und Samsung sollte hier auch nicht unterschätzt werden.“

Kosten übersteigen das Sparpotenzial

Dass sich die Begeisterung der Verbraucher für die vernetzten Hausgeräte bisher in Grenzen hält – bei Miele beispielsweise machen sie deutlich weniger als zehn Prozent des Absatzes aus –, hat aber nicht nur mit den hunderten unterschiedlichen Sprachen zu tun, die die Geräte sprechen. Sondern auch mit dem Preis. Für das Starterpaket mit Steuereinheit, Heizungsthermostat, Rauchmelder und intelligenter Steckdose verlangt beispielsweise die Telekom 300 Euro. Rollläden, Einbruchsicherung, Geschirrspüler oder Espressomaschine – wer das Projekt Smart Home ehrgeizig angeht, ist schnell 5000 Euro quitt, schätzen Experten. Diese Kosten übersteigen das Sparpotenzial bei Strom oder Heizung. Die Hersteller müssten besser erklären, welchen Nutzen der User eigentlich von Smart Home hat, meint Wagner von Deloitte.

Spätestens damit wären die Voraussetzungen für den Massenmarkt Smart Home da. Verbraucherschützer warnen aber vor dem allzu unbedachten Genuss, erhalten doch die Hersteller zumindest theoretisch Zugriff auf ganz neue Kundendaten. Die Bedenken kann Nest-Manager Rogers nicht zerstreuen. „Ihre Daten stehen nicht zum Verkauf – an niemanden“, beteuerte er zwar. Aber die Gefahr bleibt: Die Daten könnten zu Werbezwecken genutzt werden. Unangenehmer als das wäre wohl, wenn sich Kriminelle die neue Technologie zu eigen machten. Über ungesicherte Systeme könnten sich Unbefugte Zugriff zur vernetzten Wohnung verschaffen, warnt das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen.

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