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© AFP

Société-Générale-Skandal: Milliardenzocker Kerviel packt aus

Der mutmaßliche Verursacher des Milliardenschadens bei der Société Générale macht offenbar umfangreiche Aussagen. Jérôme Kerviel hatte als Börsenhändler Aktienwerte in Höhe von 50 Milliarden Euro eingesetzt. Handelte er allein?

Der mutmaßliche Verursacher des Milliardenschadens bei der Société Générale hatte Handelspositionen von etwa 50 Milliarden Euro aufgebaut. Entsprechende Medienberichte hat die französische Großbank erstmals bestätigt. Die Handelspositionen seien am vergangenen Sonntag entdeckt und bis Mittwoch nach und nach liquidiert worden, teilte Société Générale mit. Aufgrund der schlechten Marktbedingungen habe sich ein Verlust von 4,9 Milliarden Euro ergeben. Die Bank hatte zuvor Anzeige wegen Betrugs gegen den 31 Jahre alten Jérôme Kerviel erstattet.

In einer fünf Seiten langen Erklärung unterstrich die Bank noch einmal ihre bisherige Darstellung, ein einzelner Händler sei für den Schaden verantwortlich. "Der außergewöhnliche Betrug, den wir erlitten haben, bestand darin, dass Kontrollen vermieden oder unwirksam gemacht worden sind", hieß es. Der Händler habe mit Scheingeschäften das Risiko verschleiert. Société Générale bestätigte auch, dass der Händler unter anderem auf den deutschen Leitindex Dax spekuliert hatte. Die Bank kündigte an, das Kontrollsystem von externen Experten ausbauen zu lassen.

Kerviel hat sich offenbar nicht selbst bereichert

Unterdessen ist Kerviel in Paris den zweiten Tag in Folge verhört worden. Er sei kooperativ und gebe interessante Details bekannt, hieß es in Justizkreisen. Kerviel hatte sich am Vortag der Polizei gestellt, die ihn in Gewahrsam nahm. Er soll am Montag einem Richter vorgeführt werden, der entscheidet, ob ein Verfahren gegen ihn eröffnet wird. Nach ersten Erkenntnissen soll sich der Händler durch seine Geschäfte nicht selbst bereichert haben. Beamte der Finanzbrigade hatten seine Wohnung im Pariser Vorort Neuilly sowie den Firmensitz der Société Générale durchsucht. Dabei wurden unter anderem Computer-Festplatten konfisziert.

Bankchef Daniel Bouton wies Vorwürfe zurück, die Bank habe Manipulationen des Juniorhändlers vorgeschoben, um eigene Versäumnisse zu vertuschen. "Wir sollen Verluste aus einem Loch in einem anderen Loch versteckt haben? Das ist weder technisch noch buchhalterisch möglich", sagte Bouton der Zeitung "Le Figaro". "Es ist nicht das Ergebnis einer falschen Einschätzung unserer Risiken", fügte Bouton hinzu. "Es ist eher mit einem Akt der Brandstiftung zu vergleichen." Société Générale muss sich vom 4. Februar an in einem anderen Fall vor Gericht verantworten, bei dem es um eine komplexe Schmiergeldaffäre zwischen Frankreich und Israel geht.

Zweifel an der Alleintäter-These

"Der Spiegel" hatte zuvor berichtet, dass Kerviel vor wenigen Wochen 140.000 sogenannte Dax-Futures gekauft haben soll. Dabei handelt es sich um Terminkontrakte, die an der deutsch- schweizerischen Börse Eurex gehandelt werden. Bis Mitte Januar soll Kerviel etwa zwei Milliarden Euro Verlust gemacht haben. Dies sei der deutschen Niederlassung des Finanzdienstleisters Newedge aufgefallen, der für Société Générale die Eurex-Geschäfte abwickelt. Die Pariser Bankenchefs sollen die Alarmsignale aus Deutschland bekommen haben.

Präsident Nicolas Sarkozy sprach während seines Indienbesuchs von einem "internen Betrugsfall, der weder die Solidität noch die Vertrauenswürdigkeit des französischen Bankensystems infrage stellt". Premierminister François Fillon äußerte Zweifel an der These des Alleintäters. "Es ist schwer zu verstehen, dass ein einzelner in so kurzer Zeit solche großen Verluste verursachen kann", sagte er der Zeitung "Le Figaro". Er kritisierte, dass die Regierung erst am Mittwoch über den Fall informiert worden war. Fillon beauftrage das Wirtschaftsministerium, innerhalb von acht Tagen einen Bericht über den Fall vorzulegen.

Im Heimatort Kerviels in der Bretagne zeigten sich Bekannte und Verwandte schockiert, dass der junge Mann allein einen solchen Schaden angerichtet haben soll. Kerviel ist als Einzelgänger bekannt, der sehr in seiner Arbeit aufgegangen ist. "Wenn es der Börse gut geht, geht es Jérôme gut", sagte seine Tante über ihn. Er litt unter dem Verlust seines Vaters, der vor zwei Jahren an Krebs starb. (ho/dpa)

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