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Sogar Ponys zu teuer: Inflation in Island

Die Isländische Krone hat in den letzten zwölf Monaten fast die Hälfte ihres Werts gegenüber dem Euro verloren. Jetzt werden den Isländern sogar ihre Ponys zu teuer. Der EU-Beitritt wird den nächsten Wahlkampf bestimmen.

Vor dem neuesten Tiefstand der Island-Krone und 12,3 Prozent Inflationsrate müssen sich auch die Ponys fürchten. "Viele wollen sie jetzt wieder los werden, weil der Sprit so unglaublich teuer geworden ist. Den braucht man aber zum Heumachen und für Transporte", berichtet der Schriftsteller Oskar Gudmundsson über Klagen seiner Landsleute. Das Problem: Niemand will die Pferde haben, deren Zahl in den zurückliegenden Boom-Jahren mit schnell wachsendem Wohlstand drastisch in die Höhe geklettert ist.

Ausgerechnet nach dem Nationalfeiertag (17. Juni) musste die Nationalbank in Reykjavik den 320.000 Bürgern auf der Wikinger-Insel mitteilen, dass ihre Landeswährung auf einen neuen Tiefststand gegenüber dem Euro gerutscht ist. Allein seit Beginn dieses Jahres kletterten die Benzinpreise für die begeistert mit dicken Jeeps herumfahrenden Isländer um 25 bis 33 Prozent. Ein Mittelklassewagen kostet nicht mehr - wie noch vor zwölf Monaten - zwei, sondern jetzt sogar drei Millionen Kronen, nach derzeitigem Kurs 24.000 statt 16.000 Euro.

Durchschnittlich mit 200 Prozent des Jahreseinkommens verschuldet

Dahinter steht vor allem das Absacken der Landeswährung um knapp 50 Prozent (gegenüber dem Euro) in den letzten zwölf Monaten. "Ach, wir sind daran gewohnt, dass es rauf und runter geht. Man kann schon mal ein Jahr die Luft anhalten", sagt Spar-Berater Ingólfur Ingólfson gelassen. Mit seiner deutschen Ehefrau und nach Studienjahren in Bremen kommt er von selbst auf "erhebliche Mentalitätsunterschiede" beim Thema Krisenbewältigung zu sprechen.

Dabei hätten seine in den letzten Jahren extrem konsumfreudigen Landsleute allen Grund, auf ihrer kalten Vulkaninsel ins Schwitzen zu kommen. "Durchschnittlich ist jede Familie hier mit 200 Prozent des realen Jahreseinkommens verschuldet", berichtet Ingólfson. Auf dem boomenden Immobilien-Markt haben viele Isländer mutig Euro-Kredite mit flexiblen Zinssätzen genommen. Deren Abzahlung dürfte manchen bei Leitzinsen von 15,5 Prozent die Heuprobleme der Ponybesitzer als Bagatelle erscheinen lassen.

"Trotz allem ist die reale Kaufkraft bei uns immer noch viel höher als vor Beginn des Booms. Und Arbeitslosigkeit gibt es überhaupt nicht", erklärt Ingólfson den anhaltenden Optimismus bei den Wikinger-Nachfahren. Islands früher allein aus Fischfang bestehende Wirtschaft ist in den letzten Jahren mit Rekord-Raten gewachsen. Wer das Land vor zehn Jahren besucht hat und heute wieder, erkennt es vor allem in der Hauptstadt Reykjavik nicht wieder.

Isländische Banken dramatisch gewachsen

Allerdings sieht auch der Spar-Berater Grenzen für den heimischen Frohmut: "In einem Jahr muss es wieder bergauf gehen." Und die drei größten Banken Kaupthing, Glitnir und Landsbanki sollten ihre für viele ausländische Beobachter bedrohlich wirkende Durststrecke überstehen. Sie sind nach ihrer extrem aggressiven und kreditfinanzierten Auslands-Expansion der letzten Jahre stark ins Schwimmen geraten. "Wenn eine dieser Banken zusammenkracht, wäre das der Supergau für Island", sagt Ingólfson ohne Umschweife. Die Banken sind in den letzten Jahren so dramatisch gewachsen, dass allein die Vermögenswerte von Kaupthing fünfmal so hoch sind wie das Bruttoinlandsprodukt.

In der isländischen Wirtschaft hat all das den Ruf nach einem EU- Beitritt lauter werden lassen. Während sich der konservative Regierungschef Geir Haarde allerdings dagegen sperrt, ist seine sozialdemokratische Außenministerin Ingibjörg Sólrún Gisldadóttir dafür. Die Währungs- und Finanzkrise führe das kleine Land eindeutig in diese Richtung: "Bei unserem nächsten Wahlkampf wird der EU- Beitritt im Zentrum stehen."

Thomas Borchert[dpa]

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