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Starke Spiegel. Eine Anlage wie diese von Desertec-Partner Schott Solar in Spanien könnte bald auch in Afrika entstehen. Foto: p-a/obs

© picture-alliance/ obs

Solarenergie: Wüste ist Zukunft

Das Desertec-Konsortium will in Afrika Solarkraftwerke bauen und trifft sich zu seiner ersten Konferenz.

Ein kurzer Film zu Beginn sollte die Teilnehmer einstimmen: Bilder einer Bohrinsel, die überschüssiges Gas abfackelt, gefolgt von einem ölverschmierten Vogel. Dann der ruhige Blick aus dem All auf den blauen Planeten, das Meer, die endlosen Wüsten, schließlich Aufnahmen von riesigen Feldern mit gewölbten Spiegeln, die das Sonnenlicht bündeln. Dazu Streicher und eine männliche Gänsehautstimme aus dem Off: „Dies ist die Vision der DII.“

Die DII, die Desertec Industrial Initiative, ist ein Zusammenschluss von mittlerweile 51 Unternehmen und Organisationen, die am Dienstag in Barcelona ihre erste internationale Konferenz begonnen hat. Rund 300 Politiker, aber vor allem Unternehmer aus Europa und dem nördlichen Afrika, loten Möglichkeiten aus, ob und wie man im großen Stil Strom erzeugen kann – „und zwar in den Gegenden, wo niemand lebt: in der Wüste“, wie DII- Chef Paul van Son in seiner Eröffnungsrede sagte. Schon in den kommenden zehn Jahren werde der erste Wüstenstrom auch nach Europa fließen.

Das Desertec-Konzept war ab 2003 vom Club of Rome, dem Hamburger Klimaschutz-Fonds und dem Jordanischen Nationalen Energieforschungszentrum entwickelt und vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt im Detail ausgearbeitet worden. Vor eineinhalb Jahren wurde es einer größeren Öffentlichkeit bekannt. Die Vision: Innerhalb der kommenden 40 Jahre sollen rund 400 Milliarden Euro in solarthermische Kraftwerke und Windparks in der Wüste investiert worden sein, die so viel Strom erzeugen, dass auch Teile davon über Kabel in die EU exportiert werden. Im Jahr 2050 sollen dann 15 Prozent des EU-Stroms aus Afrika kommen.

Sofort kamen Fragen auf: Macht Europa sich abhängig von politisch instabilen Staaten? Sind Investitionen dort sicher? Wer bürgt dafür? Ist es technisch machbar? Und ist es nicht gar eine neue Form des Kolonialismus, wenn europäische Konzerne in Afrika riesige Anlagen bauen und vernetzen? Um diese Fragen zu beantworten und das Projekt voranzutreiben, gründete sich auf die Woche genau vor einem Jahr die DII, die Desertec Industrial Initiative, die jetzt erstmals alle Beteiligten, darunter Unternehmen aus Marokko, Algerien, Tunesien, Libyen und Ägypten, an einen Tisch zusammengebracht hat.

Barcelona wurde auch als Tagungsort ausgewählt, um dem Projekt etwas von seiner deutschen Färbung zu nehmen: Munich Re, Siemens, Deutsche Bank, RWE und Eon sind nur einige Namen, die hinter Desertec stehen. Mittlerweile sind zwar auch spanische und italienische Firmen sowie der französische Baukonzern Saint-Gobain mit an Bord. Dennoch löste Desertec vor allem in Frankreich Nervosität aus. Auf Betreiben von Staatspräsident Nicolas Sarkozy formiert sich jetzt das Konsortium Transgreen, das Georges de Montravel, ein hoher Manager des Energiekonzerns EdF, leitet. Der betont in Barcelona, dass seine Initiative „keine Konkurrenz, sondern eine sinnvolle Ergänzung“ zu Desertec sei – zumal Transgreen sich auf den Netzausbau in der Mittelmeerregion konzentrieren werde.

Das Auftauchen des wohl prominentesten Konferenzteilnehmers dürfte französische Bedenken aber eher bestätigt haben: Günther Oettinger (CDU), ehemals Ministerpräsident Baden-Württembergs und heute Energiekommissar der EU, hielt eine charmante Rede in englischer Sprache. Er sagte dem Projekt die volle Unterstützung der Kommission zu. Ziel der Energieversorgung der Zukunft sei es, die Versorgungssicherheit, Wettbewerbsfähigkeit und Klimaverträglichkeit in Einklang zu bringen. „Ressourceneffizienz wird einer der Treiber unserer Volkswirtschaften in der Zukunft sein“, sagte Oettinger. Er werde die Liberalisierung der Energiemärkte weiter vorantreiben, damit Strom auch besser über Staatsgrenzen und die Grenzen der Kontinente hinweg transportiert werden kann. Das Projekt werde aber nur gelingen, wenn Afrikas Staaten davon ebenfalls maßgeblich profitieren.

Das bestätigte Hassine Bouzid, Botschafter der Arabischen Liga in Spanien, der darauf hinwies, dass es im nordafrikanischen und arabischen Raum rund 50 Millionen Menschen gebe, die gar keinen Zugang zu elektrischer Energie haben. Zunächst müsse ihre Versorgung gewährleistet werden, müssten auch Jobs in Afrika geschaffen werden.

Der erste Tag der Desertec-Konferenz, die am heutigen Mittwoch zu Ende geht, war geprägt von einem ersten Abtasten. Vertreter beider Seiten, Europäer und arabische Afrikaner, versicherten sich höflich, dass sie es ernst meinen – und dass man auf der zweiten Konferenz in einem Jahr gemeinsam ein erstes echtes Investitionsprojekt bestaunen will: Denn in Marokko soll schon in wenigen Monaten die erste große solarthermische Anlage ans Netz gehen, die zumindest symbolisch Strom über ein Kabel nach Spanien liefern kann.

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