zum Hauptinhalt
Solarium

© Visum

Solarien: Keine Sonne

Solarien liefern sich einen ruinösen Preiskampf. Das ist gut für den Geldbeutel, aber schlecht für die Gesundheit der Kunden.

Berlin - Die Namen könnten aus amerikanischen Spielfilmen stammen: Sun City oder Sun Drive klingen nach Cowboys, gleißender Hitze und grenzenloser Freiheit, die bis aufs Messer gegen Eindringlinge verteidigt wird. Jedes Mittel ist recht im gnadenlosen Kampf ums Überleben. So gesehen sind der Wilde Westen und die Welt der Solarien gar nicht so weit voneinander entfernt.

Denn mit dem wilden Wachstum und der grenzenlosen Freiheit ist es auch bei den Sonnenstudios schon lange vorbei. Seit der Jahrtausendwende ist ihre Zahl hierzulande von 8500 auf 5000 geschrumpft, der Gesamtumsatz ging um 800 Millionen Euro auf knapp eine Milliarde Euro zurück. Ein Ende ist längst nicht abzusehen – im Gegenteil. „Das Sterben wird weitergehen“, sagt Norbert Schmid-Keiner, Vorstandschef von Photomed, der Interessenvertretung der Solariumsbranche. Auch Knut Pauli, Sprecher von Marktführer Sunpoint, spricht von einem anhaltenden Selektionsprozess. „In zwei Jahren werden wir vielleicht noch 4000 Sonnenstudios haben.“

Die Gründe für den Niedergang sind vielfältig. Mal war das Wetter zu gut, dann rutschte die Wirtschaft in die Krise. Aber auch Qualitätsprobleme und die Angst vieler Kunden vor Hautkrebs durch zu intensive UV-Strahlung haben den Solarien zugesetzt. Ab 2009 drohen zudem strengere Auflagen aus Brüssel und Berlin. Unter 18-Jährigen ist der Gang zur Sonnenbank dann verboten, zudem werden die Strahlenschutzauflagen für die Geräte verschärft. Das dürfte den Niedergang der Branche noch beschleunigen, denn die Nachrüstung von 750 bis 1000 Euro pro Sonnenbank könnten sich viele kleinere Betreiber nicht leisten.

„In der Branche tobt schon jetzt ein ruinöser Wettbewerb“, klagt Schmid-Keiner. „Und der wird sich ab 2009 verschärfen, gerade in Großräumen wie Berlin.“ In der Hauptstadtregion konzentrieren sich so viele Solarien wie in keiner anderen Stadt Deutschlands.

Dafür ist auch die Auslese besonders rabiat. Allein in der Neuköllner Karl- Marx-Straße fallen Sylvia Haug, Marketingfrau der Solarienkette Solarent, auf Anhieb drei Sonnenstudios ein, in einer anderen Straße Berlins sollen es gar 16 sein. Solarent selbst betreibt 32 Filialen in der Hauptstadt. Besonders beliebt sei die künstliche Sonne in Bezirken mit einem hohen Anteil türkisch- und arabischstämmiger Einwohner, berichtet Haug. Vor allem dunkelhäutige Männer ließen sich gerne nachbräunen.

In der Stadt, die mit einer Arbeitslosenrate von 15 Prozent republikweit zu den Schlusslichtern zählt, sind besonders viele Solarien schnell gegründet worden, oft als Ausweg aus der Arbeitslosigkeit. Viele davon sind in den letzten Jahren eingegangen. Von den 600 Solarien, die es im Jahr 2000 in Berlin gab, seien noch 150 übrig, weiß Solarent-Expertin Haug. „Bis Ende 2009 wird auch davon die Hälfte verschwinden“, lautet ihre Prognose. Die Verbliebenen buhlen mit unterschiedlichen Strategien um Kunden. Eine Minderheit versucht es mit mehr Qualität und Transparenz. Um den Leuten die Angst vor allzu großer Gesundheitsbelastung durch die künstliche Sonne zu nehmen, haben sich bislang 190 der 5000 Solarien freiwillig einer Zertifizierung durch das Bundesamt für Strahlenschutz unterzogen und dürfen sich mit dem Siegel „Geprüfte Sonnenstudios“ schmücken.

Die Masse aber setzt auf den Preis. Es gebe Anbieter, die 20 Minuten Sonnenbank für 1,99 Euro anböten, schimpft Photomed-Chef Schmid-Keiner. Auch Flatrates liegen im Trend. Bei Bluebox etwa gibt es einen Monat Sonnenbräunen schon ab 16,50 Euro, bei Marktführer Sunpoint kostet das günstigste Paket 16,95 Euro. Doch während grenzenloses Telefonieren zum Festpreis gerade bei Jugendlichen sinnvoll sein mag, befürchten Experten beim grenzenlosen Sonnenbaden fatale Folgen. „Es ist unbestritten, dass Solarien schädlich für die Gesundheit sind“, sagt Florian Emrich vom Bundesamt für Strahlenschutz. Umso wichtiger sei fachliche Beratung, die die Bestrahlungshäufigkeit je nach Hauttyp festlege. „Das ist bei einer Flatrate definitiv nicht gegeben.“

Sunpoint weist den Vorwurf zurück. „Klar ist das ein Preisvorteil“, sagt Unternehmenssprecher Pauli. Aber Festpreise seien weit verbreitet und müssten „ja nicht in einem Monat abgesonnt werden“. Photomed-Chef Schmid-Keiner dagegen sorgt sich um das ohnehin mäßige Image der Branche und nennt die Flatrates „hochgradigen Schwachsinn“.

Maren Peters

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false