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Wirtschaft: Sommer-Wrap statt Winter-Blues

In der Hitze essen Menschen lieber leichte, leckere Häppchen. Das haben auch die Händler begriffen – und ihre Kühltheken kräftig umgeräumt

Recht selten trifft man dieser Tage Menschen auf der Straße, die bei 25 Grad im Schatten genüsslich eine Schweinshaxe verzehren. Auch die Currywurstfans und Frittenliebhaber scheinen wie vom Erdboden verschluckt, zumindest aber trauen sie sich nicht nach draußen. Der Grund für diese sonderbare Veränderung ist nicht schwer zu erraten: Unser Essverhalten verändert sich während des Sommers.

„In der warmen Jahreszeit möchten die Leute lieber kalte und fettarme Sachen essen – die Auswahl dabei ist allerdings begrenzt“, sagt Gunda Backes vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung (Dife). Der ersten Feststellung dürften wohl die meisten Menschen beipflichten, bei der zweiten würden zumindest die Beschäftigten der Lebensmittelverarbeiter empört aufschreien.

„Wir richten uns schon auf den Sommer ein“, entgegnet Anja Fehrmann vom Caterer „Hotel Berlin“. „Die Karte wird den Temperaturen angepasst.“ Spezielle Produkte für die heiße Jahreszeit seien keine Ausnahmen mehr. „Die Menschen wünschen dann leichteres, mediterranes Essen.“ Eine Kaltschale etwa oder ein Mangosorbet würde im Winter kaum jemand bestellen, im Sommer geht es nicht ohne. Die Folge: Die meisten großen Unternehmen passen ihr Sortiment an.

„Diese Umstellung ist extremer geworden, weil die Essgewohnheiten sich in den letzten Jahren sehr geändert haben“, sagt Claudia Mehrl. Sie arbeitet beim Berliner Delikatessen-Händler „Butter Lindner“. Fast schon Pflicht, das bestätigt auch die Konkurrenz, seien Salate in allen Variationen. Selbst Restaurants und Gaststätten, die gewöhnlich die klassischen deutschen Fleischgerichte anbieten, fahren im Sommer ihr Gemüse-Angebot hoch. „Besonders gut gehen Rohkost und sehr leichte Salate“, sagt Mehrl. „Ein absoluter Renner ist unser italienischer Landhaussalat mit Nudeln und mediterranen Spezialitäten.“ Außerdem weist sie auf den Taboulee hin, einen arabischen Salat, der vor allem Petersilie, Weizengries und Gewürzen besteht: „Im Sommer verkaufen wir davon 43 Prozent mehr.“ Der Absatz von leichten italienischen Antipasti steigt laut Mehrl bei „Butter Lindner“ in dieser Zeit um 65 Prozent, so genannte Wraps (vom Englischen „to wrap“ – einwickeln) verkaufen sich um 20 Prozent besser als in den anderen Jahreszeiten.

Snacks und Kleinigkeiten

Was Wraps genau sind, erklärt Markus Bottler von der Fast-Food-Kette „Alex“: „Mais-Tortilla-Fladen mit Füllung.“ Vor ein paar Jahren waren sie in Deutschland noch praktisch unbekannt, jetzt finden sie gerade im Sommer mit sehr leichten Füllungen (Salat, Pute, Hühnchen) reißenden Absatz. „Solche Snacks und Kleinigkeiten gehen bei hohen Temperaturen besonders gut“, sagt Bottler. Dazu gehören auch die von „Alex“ angebotenen Chilischoten mit Käsecreme oder Frühlingsrollen – und natürlich japanische Sushi (siehe Text unten). Das war laut Anja Fehrmann in Deutschland am Anfang ein reines Sommergericht, mittlerweile könne man es jedoch „an jeder Ecke“ kaufen. Fast: „Naja, bei uns noch nicht“, sagt Nicole Dinter von der Discounter-Kette „Plus“.

Die veränderten Essgewohnheiten im Sommer schlagen sich – obwohl oft erst auf den zweiten Blick sichtbar – auch in der Produktpalette der Lebensmittelkonzerne und -händler nieder. Vor allem Fleisch-, Tiefkühl- und Molkereiprodukte werden der Saison angepasst.

Die meisten mögen’s fruchtig

So mischt zum Beispiel der Lebensmittelkonzern „Nestlé“ während dieser Monate seinem „Nesquik“-Kakaopulver pulverisierten Erdbeerjoghurt bei. „Fruchtig frisch wie der Sommer“ soll das schmecken. Auch Molkegetränken wird im Kühlregal plötzlich sehr viel mehr Platz geschenkt, Joghurt verkauft sich zu dieser Jahreszeit ohnehin besonders gut, vor allem der zum Trinken wie „Froop“ von Müller. Einige Hersteller setzen sogar auf spezielle Mixturen, wie etwa Onken, der einen „Sommerquark“ kreiert hat. Im Gegensatz zu den Wintermischungen mit weihnachtlichen Zutaten wie Zimt oder Rosinen setzen diese auf den Frischeeffekt von Orangen und Birnen.

Das gleiche gilt auch für Speiseeis. Im Winter gibt es Sorten mit Nüssen, Marzipan und Zimt, die das Flair von knisterndem Kaminfeuer versprühen. Im Sommer wird dagegen die ganze Fruchtpalette von Erdbeere bis Maracuja in die Tiefkühltruhe geschoben. Die meisten anderen Produkte in Supermärkten – wie etwa der im Sommer beliebte Mozzarella – werden aber über das ganze Jahr angeboten, es liegt am Konsumenten, sie der Saison entsprechend zuzubereiten.

Bei großer Hitze empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), über den Tag verteilt mehrere kleine und fettarme Mahlzeiten einzunehmen (siehe Kasten). Dadurch lässt sich verhindern, dass man sich nach einem schweren Essen müde und schlapp fühlt. Am besten geeignet für den Sommer sind vor allem Obst und Gemüse.

Auf ihr Fleisch verzichten die Deutschen trotz dieser Hinweise allerdings nicht. Zur Grillsaison verkauft sich spezielles Grillfleisch – inklusive passender Saucen in hunderten von Geschmacksrichtungen – jedes Jahr aufs Neue hervorragend. Von diesem typisch deutschen Phänomen einmal abgesehen, hat Claudia Mehrl von „Butter Lindner“ aber beobachtet, dass im Sommer „sehr viel mehr Rohschinken und leichte Wurst gekauft wird – und natürlich Geflügel“. Mit schwerem und fettigen Fleisch lässt sich dagegen derzeit kaum Geld verdienen.

Sollte sich auf den Straßen der prozentuale Anteil an Schweinshaxen und Currywürsten also wieder dramatisch erhöhen, kann das nur eins bedeuten: Der Sommer ist vorbei.

Christian Hönicke

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