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Wirtschaft: Sony schützt seinen Superhelden

Der Konzern hat es schwer, den Erfolg von Spiderman mit dem zweiten Teil zu wiederholen

An einem sonnigen Nachmittag im September 2002 hatte Studioboss Amy Pascal die Angestellten zu einer Party auf dem Gelände der Sony-Filmstudios eingeladen. Dabei verteilte er mit seinen Manager-Kollegen 100-Dollar-Scheine an die Mitarbeiter. Anlass war der Geldregen, den die Sony-Kinohits in die Unternehmenskassen gespült hatten – allen voran der Film „Spiderman“. Soeben ist mit „Spiderman 2“ die Neuauflage des Publikumsrenners in den US-Kinos angelaufen. Und Sony hofft auf einen neuen Geldsegen durch den als Höhepunkt des Filmsommers gehandelten Streifen.

Diese Hoffnungen scheinen sich zu erfüllen: Bereits am Tag der Uraufführung spielte „Spiderman 2“ 40,5 Millionen Dollar ein – das ist Rekord. Noch nie hat ein Film am Eröffnungstag so viel Geld eingebracht. Das ist kein Zufall, sondern das Ergebnis einer ausgefeilten Strategie, mit der Sony den Erfolg des ersten SpidermanFilms wiederholen will. Kern der Strategie ist es, den Superhelden nicht zu verbrennen und das Marketing mit der Figur nicht zu überziehen. Denn Spiderman ist einer der wertvollsten Hollywood-Charaktere: Er ziert inzwischen vom Videospiel bis zum Skateboard nahezu alles. Und der erste Film fuhr insgesamt 820 Millionen Dollar ein. Doch zur dauerhaft einträglichen Ikone wird Spiderman nur, wenn auch die Fortsetzung funktioniert.

Der Schutz der Marke Spiderman ist im Hause Sony zu einer Obsession geworden. Mit der Ankunft des neuen Streifens versucht die Tochterfirma Columbia Pictures den größten Nutzen aus den zahlreichen Werbepartnerschaften zu schlagen. Gleichzeitig darf man jedoch nicht riskieren, dass die Kinobesucher der Figur bereits vor der Premiere überdrüssig werden. „Derzeit muss sich Sony nur um die Marke kümmern und aufpassen, dass sie von den Übereifrigen nicht in Mitleidenschaft gezogen wird“, sagt Medienanalyst Jeffrey Logsdon.

Als wenn sie Schlimmes befürchteten, hatten Sony-Offizielle es bis zuletzt abgelehnt, Einzelheiten über die Vermarktung des Kinostarts preiszugeben. Statt dessen wurde jeder Schritt minutiös bewacht. Howard Stringer, Chef von Sonys Amerikasparte, flog regelmäßig selbst nach Los Angeles, um sich vom neuesten Stand der 200 Millionen Dollar teuren Produktion unterrichten zu lassen. Als kürzlich ein Werbevertrag zur Vermarktung des Spiderman-Logos auf Baseballfeldern zu Streitigkeiten führte, gab Sony umgehend nach, noch bevor der Disput dem kostbaren Produkt hätte schaden können.

Schon vor dem Beginn der Dreharbeiten ließ Sony keinen Zweifel an seiner Entschlossenheit: Tobey Maguire, der im Film den Spiderman spielt, hatte sich zunächst über Rückenschmerzen beklagt und verlangte eine Erhöhung seines Honorars. Doch da Sonys Bosse nichts mehr fürchteten als eine Verschiebung des fest für diesen Sommer geplanten Filmstarts, drohten sie mit einer Auswechslung des Hauptdarstellers. Auch das wäre nicht ohne Risiko gewesen, doch am Zeitplan zu rütteln, schien für Sony undenkbar. Das Studio machte ernst und nahm sich für alle Fälle den Schauspieler Jake Gyllenhaal als Ersatz. Letztlich wurde Maguire dann doch schnell gesund und einigte sich mit Sony über den Rest.

In der Produktion hat Sony keine Kosten gescheut, um eine glatt polierte Spiderman-Folge vorzulegen. Ein großer Teil der Drehkosten wurde für Spezialeffekte ausgegeben. Im Ergebnis gibt es kaum eine Szene, die ohne ein computergeneriertes Schauspiel auskommt. Um das Drehbuch aufzubessern, hat das Studio sogar den mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneten Autor Michael Chabon angeheuert. Es wird erwartet, dass sich der Filmkonzern die weltweite Vermarktung von „Spiderman 2“ einen zweistelligen Millionenbetrag kosten lässt. Dabei darf Sony bereits auf eine breite Fangemeinde zählen und kann in den Medien ruhigere Töne anschlagen. Während die erste Folge noch von einem wahren Trommelwirbel begleitet wurde, beschränkt sich die Werbung jetzt nur noch auf einige Hochglanzanzeigen, vereinzelte Fernsehspots und die Bemühungen der Vermarktungspartner.

„Das große Risiko bei Fortsetzungsgeschichten ist die Übersättigung des Publikums mit den Charakteren“, sagt Harold Vogel, ein Analyst für die Filmindustrie. „Ein Paradebeispiel waren die Matrix-Filme.“ Das Publikum hatte den beiden „Matrix“-Fortsetzungen im letzten Jahr entgegengefiebert, nachdem der erste Teil der Time-Warner-Produktion ein großer Erfolg war. Als der zweite Teil dann inmitten eines gewaltigen Medienrummels weitaus weniger Anklang fand, konnte auch eine aufwendige Anzeigenkampagne das drastische Absacken der Zuschauerzahlen nicht mehr aufhalten. Um dem entgegenzuwirken, hatte Sony bei „Spiderman 2“ auf die sonst üblichen Anzeigen während der US-Football-Meisterschaft im Februar verzichtet und brachte die Werbung erstmals im Mai bei der US-Popstar-Fernsehshow unter.

Sony hat es verstanden, einen großen Teil der Werbekosten auf andere Unternehmen abzuwälzen, die als Vermarktungspartner auftreten. Darunter sind neben dem Mobilfunkanbieter Sprint auch der Getränkeproduzent Cadbury Schweppes, dessen Softdrink Dr Pepper im Film auftaucht. Dr-Pepper-Anzeigen in Presse und Fernsehen sind inzwischen ganz auf die Vermarktung der Spiderman-Figur zugeschnitten. Zeitgleich mit der Filmpremiere kommt auch das Videospiel „Spiderman 2“ der Firma Activision auf den Markt sowie das neue Spiderman-Spielzeug mit 67 beweglichen Teilen.

Merissa Marr

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