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Wirtschaft: Sorge um den guten Ruf Die Gutdiamanten

Den Menschen in Botswana im südlichen Afrika hat die friedliche Nutzung der Edelsteine bescheidenen Wohlstand gebracht

In den 90er Jahren wurden in Afrika viele Bürgerkriege mit den Einnahmen aus den Diamantenminen finanziert . „Blutdiamanten“ nannten Menschenrechtsgruppen die Steine. Damit wollen sie darauf hinweisen, dass Rebellen und Armee sich durch den Verkauf der Steine das benötigte Geld für den Kauf von Kriegsmaterial beschaffen. Um den Ruf ihrer Produkte zu retten, einigte sich die Diamantenindustrie auf ein Kontrollsystem , das die Herkunft der Steine bescheinigen soll. Das sogenannte Kimberley-Abkommen trat 2003 in Kraft. 47 Länder sind beteiligt, darunter alle afrikanischen Förderer von Edelsteinen. In den Exportländern wurden staatliche Kontrollstellen geschaffen. Die Importländer haben sich ebenfalls verpflichtet, nur Steine mit dem Kimberley-Zertifikat zu akzeptieren. Die Industrie selbst macht seit langem geltend, dass 99 Prozent der gehandelten Diamanten aus Regionen ohne kriegerische Auseinandersetzung kommen. Menschenrechtler bestreiten dies: Sie halten die Kontrollen für lückenhaft . wdr

Jwaneng - Lange ist auf der Fahrt nach Westen nichts als braune Steppe zu sehen. Manchmal zweigt eine kleine Schotterpiste ab. Es hat seinen Grund, dass Botswana in der Sprache seiner Bewohner „lechzendes Land“ heißt. Doch dann klafft plötzlich eine riesige offene Wunde im Boden, aufgerissen von Baggern, so groß wie ein mehrstöckiges Haus. 320 Meter tief ist die im Tagebau betriebene Mine von Jwaneng. Mehr als 13 Millionen Karat haben die 2300 Arbeiter und Ingenieure hier im vergangenen Jahr aus dem steinigen Boden gekratzt – das ist mehr als aus jeder anderen Diamantenmine. Insgesamt hat Botswana in seinen vier Gruben bisher 33 Millionen Karat gefördert – 30 Prozent der weltweiten Produktion.

Jetzt aber hat der Film „Blutdiamanten“ mit Leonardo DiCaprio, der jetzt auch in deutschen Kinos läuft, die Edelsteinbranche in Panik versetzt. Lange hatten die Diamantenkonzerne wie De Beers aus Südafrika die internationale Kampagne gegen Blutdiamanten weitgehend ignoriert; sehr spät haben sie nun die möglichen Gefahren erkannt. Die Romantik, die junge Paare mit Diamanten verbinden, könnte rasch zerstört werden. Die Verliebten dieser Welt müssen nur zu der Überzeugung gelangen, dass die Steine Killerbanden wie etwa die Rebellen in Sierra Leone finanzieren.

Mit der Aufdeckung der Korruption, der Ausbeutung und des Missbrauchs der Einnahmen aus den Minen sorgen die Produzenten des Hollywood-Dramas für Aufsehen in der Weltöffentlichkeit. Eine Tragödie aber wäre es, wenn der Film vor allem jenen Afrikanern schaden würde, die von der friedlichen Nutzung der Steine profitieren. Rund 65 Prozent aller weltweit geschürften Diamanten stammen aus Afrika und liefern dort etwa 15 Millionen Menschen den Lebensunterhalt. Wo sie legal und verantwortungsvoll gefördert werden, haben sie sich als exzellentes Instrument der Entwicklung erwiesen. Kein Land zeigt dies besser als Botswana.

Die puren Zahlen rund um Jwaneng sind beeindruckend: Um den Fels zu baggertauglichem Brei zu zerkleinern, werden hier pro Detonation bis zu 1600 Kilogramm flüssiger Sprengstoff in die Bohrlöcher gefüllt. Nach jeder Sprengung müssen dann bis zu zwei Millionen Tonnen Gesteinsbrei abgefahren werden. Bagger schaufeln pro Tag 70 000 Tonnen Erz und Geröll, und zwar rund um die Uhr – 365 Tage im Jahr, 24 Stunden am Tag.

Die Diamanten haben Botswana einen unerwarteten Geldsegen beschert. Als das frühere britische Protektorat vor 40 Jahren von London in die Unabhängigkeit geschickt wurde, galt das Wüstenland von der Fläche Frankreichs als zweitärmster Staat der Welt. Wenig später entdeckten die „Späher“ des südafrikanischen Diamantenkonzerns De Beers am Rand der Kalahariwüste die ersten Edelsteine. „Wahrscheinlich haben sich die Briten schwarzgeärgert“, sagt Oduetse Motshidisi, Vizedirektor der botswanischen Zentralbank, schmunzelnd. Heute stammen 75 Prozent der Deviseneinnahmen des Landes aus dem Verkauf der Rohdiamanten.

Anders als fast alle anderen Staaten in Afrika ist Botswana mit seinem Reichtum sorgsam umgegangen. Seine Regierung leistet sich Sozialprogramme, auf die selbst der große Nachbar Südafrika mit Neid schaut. Dazu zählen die freie Schulausbildung und eine kostenlose Gesundheitsfürsorge. Kein Einwohner lebt mehr als 15 Kilometer vom nächsten Gesundheitszentrum entfernt. Und jeder hat Zugang zu sauberem Trinkwasser. Daneben wird ein Gutteil des Geldes in das Straßen- und Telefonnetz gesteckt. „Als wir unabhängig wurden, gab es ein knapp fünf Kilometer langes Stück Teerstraße und vier höhere Schulen“, sagt Motshidisi. „Heute haben wir 6000 Kilometer guter Straßen, ein digitales Telefonnetz, Mobilfunk und Hochgeschwindigkeits–Internetzugang.“ Fast alles wurde aus dem Verkauf der Rohdiamanten finanziert.

Gehoben wird dieser Schatz von Debswana, einem Gemeinschaftsunternehmen der Regierung und des Konzerns De Beers. Daneben hält der botswanische Staat einen Anteil von zehn Prozent an De Beers selbst – „damit wir wissen, was die Herren in Kimberley und Johannesburg so treiben“, sagt Motshidisi.

Unter Experten gelten die vier Minen in Botswana als „absolut sicher“, wie ein Johannesburger Broker meint. Alle sind hoch umzäunt. Um niemanden in Versuchung zu führen, bleibt das Objekt der Begierde beim Abbau fast völlig verborgen. Aus der Grube wird das gesprengte Gestein sofort von Lastern zum Mahlwerk transportiert. Rüttelroste und starker Wasserdruck trennen die edlen Steine vom nutzlosen Rest. Fein zerkleinert wird das Erz dann ins „Aquarium“ geschickt, einem hermetisch abgeriegelten Turm gleich neben der Fabrik. Mit Laser- und Röntgenstrahlen werden die Steine vollautomatisch vermessen, ihre genaue Karatzahl wird ermittelt. Am Ende werden die gesäuberten Steine in automatisch schließende Container verpackt – wiederum ohne von einer menschlichen Hand berührt zu werden.

Zum Ende des Prozesses werden die Behälter schließlich unter Bewachung einer Spezialeinheit der Polizei in die Hauptstadt Gaborone geschafft, wo die Diamanten im Sicherheitstrakt der Botswana Diamond Valuing Company sortiert und bewertet werden. Von dort werden sie zur Diamond Trading Company in London geflogen, die alle Edelsteine von De Beers vermarktet und verkauft. „Der Produktionsprozess verläuft quasi in einem gigantischen Safe“, sagt ein Johannesburger Diamantenhändler. Wirklich funkeln dürfen die edlen Steine erst jenseits ihrer afrikanischen Heimat – in den Händen der Schleifer in Antwerpen, Bombay oder Tel Aviv.

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