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Hat gut Lachen: Facebook-Chef Mark Zuckerberg. Wie lange noch?

© dapd

Soziale Netzwerke: Facebook bekommt Falten

Der Börsengang ist verpatzt. Kritiker glauben, das soziale Netzwerk habe seine beste Zeit hinter sich – und die Konkurrenz holt auf. Wie viel Schaden hat Facebook schon genommen?

Mit Imageproblemen hatte Facebook-Gründer Mark Zuckerberg von Beginn an zu kämpfen. Zuerst musste er sich gegen die Zwillinge Tyler und Cameron Winklevoss wehren, die behaupteten, er habe die Idee des Onlinenetzwerks von ihnen geklaut. Und je größer das Netzwerk wird, desto mehr gerät es ins Visier der Datenschützer. Facebook gilt als Datenkrake, die – meist ungefragt – die Informationen seiner inzwischen 900 Millionen Mitglieder sammelt und auswertet. Nun müssen Zuckerberg, die übrigen Alteigentümer und die Banken sich noch dem Vorwurf stellen, zu gierig gewesen zu sein. Der Börsengang von Facebook ist jedenfalls gründlich schiefgegangen. Die Pannen und Ungereimtheiten beschäftigen nun Gerichte, die Finanzaufsicht und sogar die Politik in Washington.

Nicht zuletzt wegen des Börsendebakels fragen sich viele, ob die besten Zeiten des Netzwerks vorüber sind, sich eine gewisse Facebook-Müdigkeit oder Ablehnung einstellt. Bislang haben Zuckerberg und Facebook alle Anfeindungen mit Erfolg ignoriert. Dass dies bisher möglich ist, liegt nach Ansicht von Experten vor allem an zwei Faktoren.

Der eine hat mit der Masse zu tun. Das Netzwerk ist einfach zu groß, als dass Internetnutzer es links liegen lassen könnten. „Facebook ist zu einem Betriebssystem für soziale Interaktion geworden“, sagt Ralf Kaumanns, Geschäftsführer des Marktforschungsdienstes Strategyfacts.com. „Der nächste Anbieter ist nur einen Klick entfernt, aber warum soll ich klicken?“ Dabei gibt es Konkurrenz genug, weil – und das ist der zweite Faktor – die Idee noch lange nicht ausgereizt ist.

„Die Zeit der sozialen Netzwerke ist definitiv nicht vorbei“, sagt Markus Friebel von Independent Research. „Die Menschen brauchen sie, um zu kommunizieren.“ Möglicherweise gebe es in Teilen der Welt eine gewisse Sättigung, meint Andreas Steinle, Geschäftsführer des Zukunftsinstituts. In der Tat wächst die Zahl der Neumitglieder etwa in den USA inzwischen nur noch wenig. Allerdings: Dort sind nach Angaben des Marktanalysten Socialbakers bereits mehr als die Hälfte der Menschen bei Facebook angemeldet. „Aber die globale Nutzung steht erst am Anfang“, ist sich Trendforscher Steinle sicher.

In China beispielsweise, wo Facebook gesperrt ist, nutzen mehr als 300 Millionen Menschen andere soziale Netzwerke. Sollte die chinesische Führung den Markt irgendwann öffnen, wäre das gerade für die Großen in der Branche eine Riesenchance. Auch auf dem afrikanischen Kontinent sieht Steinle Potenzial. „Dort überspringen die Menschen einfach das Zeitalter stationärer Computer: Mobile Geräte wie Smartphones sind dort ein Thema und damit auch die mobile Nutzung von Onlinenetzwerken.“

Bildergalerie: Wie bei Facebook gearbeitet wird

An dieses Geschäft glauben auch andere IT-Konzerne. Google+, vor fast einem Jahr gestartet, kommt inzwischen auf 170 Millionen Nutzer. Damit sei es das am schnellsten wachsende Produkt, das Google jemals hatte, sagt Sprecher Stefan Keuchel. Der Abstand zu Facebook bleibt dennoch gewaltig. Microsoft startet gerade einen Versuch, die breite Masse für sein Hochschulnetzwerk So.cl zu gewinnen.

Doch wer braucht weitere zwei oder drei Netzwerke, die nahezu dasselbe anbieten? In einer Welt, in der die Mediennutzung immer komplexer wird, hätten die Menschen ein „Bedürfnis nach effektiver Nutzung“, meint Zukunftsforscher Steinle. Er beobachtet eine zunehmende Spezialisierung sozialer Netzwerke auf bestimmte Themen und Personenkreise. Bei Chatter beispielsweise vernetzen sich Unternehmen mit Experten, um gemeinsam an Projekten zu arbeiten. Zudem wächst offenbar das Bedürfnis, sich vom Mainstream wie Facebook oder Google+ abzugrenzen. „In den USA gibt es bereits Gegenbewegungen“, sagt Analyst Friebel. In Kalifornien etwa heißt das hippe neue Netzwerk Path. Hier ist die Zahl der Kontakte auf 150 begrenzt.

Facebook-Kritiker ziehen aus diesen Entwicklungen den Schluss, dass das Unternehmen seinen Zenit überschritten hat. Richard Gutjahr, Blogger und Journalist aus München konstatiert einen gewissen Überdruss. „Keiner ist wirklich gerne dort, sondern weil alle dort sind“, sagt er. Das sei keine Basis für eine erfolgreiche Zukunft. Angesichts der Flut persönlicher Daten, die die Mitglieder auf Netzwerken preisgeben, müssten sich die Betreiber zu Vertrauenspartnern entwickeln. Das Geschäftsmodell der Onlinenetzwerke, Nutzern personalisierte Werbung auf ihre Profile zu senden, sei zwar tragfähig. „Aber die Leute wollen wissen, warum sie diese Werbung bekommen, und sie wollen sie abschalten können.“ Facebook bietet diese Transparenz derzeit nicht. An der bisherigen Hauspolitik, Missstände im Umgang mit Nutzerdaten erst zu beseitigen, wenn die Protestwelle sich aufgebaut hat, scheint Facebook nichts ändern zu wollen.

Das ist die Chance für andere, es besser zu machen. Twitter etwa hat zwar gerade seine Datenschutzbestimmungen geändert, um mithilfe sogenannter Cookies mehr über seine Nutzer zu erfahren. Der Kurznachrichtendienst listet aber in den Bestimmungen nicht nur auf, welche Daten er sammelt. Er respektiert – anders als Facebook – auch die sogenannte Do-Not-Track-Funktion des Browsers, mit der Internetnutzer den Datentransfer stoppen können. Für Gutjahr ist das ein Weg, wie Netzwerke sich verhalten müssen, wenn sie künftig Erfolg haben wollen. „Ich würde deshalb meine Hand dafür ins Feuer legen, dass Facebook in fünf Jahren nicht mehr die Bedeutung hat wie heute“, sagt Gutjahr.

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